Die Wahrheit im Spiegel

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If I told you a secret
you won't tell a soul,
will you hold it and keep it alive?
'Cause it's burning a hole
and I can't get to sleep
and I can't live alone in this lie.

(Travis – Love will come through)

Hermine hatte sich halbherzig von Hagrid verabschiedet, nachdem sie den Verbotenen Wald wieder verlassen hatten. Sie hatten auf dem Rückweg kein Wort miteinander gewechselt; anscheinend hatte er bemerkt, dass sie tief in ihre Gedanken versunken war. Am Rande ihres Bewusstsein fragte sie sich, ob er auch in den Spiegel gesehen hatte, als er ihn in der Hütte versteckt hatte. Ob er wusste, wie sehr es einen aufwühlen konnte, was man darin sah. Wie glücklich und traurig es einen gleichzeitig machte.

Sie ging mit verschränkten Armen über die Ländereien auf das Schlossportal zu. Inzwischen hatte es aufgehört zu nieseln und die obere Stufe war trocken, also setzte sie sich. Sie brauchte einen Moment Ruhe, bevor sie sich Ginny stellte, die zweifellos im Gemeinschaftsraum auf sie wartete und wissen wollte, was Hagrid ihr gezeigt hatte.

Hermine fuhr sich mit den Fingern in die Haare, stützte ihre Stirn in die Hände. Wenn sie die Augen schloss, sah sie wieder Snape, der so dicht hinter ihr stand, dass sie seinen Atem zu spüren glaubte. Sah seine Hand, die ihre hielt. Der Spiegel hatte ihr mehr als das gezeigt, aber sie konnte nur daran denken und wenn sie es zuließ, war das Ziehen in ihrer Brust ganz besonders stark.

Was hatte das nur zu bedeuten? Ja, sie wollte, dass Snape ihr vertraute und ihre Hilfe annahm, aber ... es war nicht das, was sie so aufwühlte. Er war ihr so nahe gewesen ... Seitdem er sie am Ende des letzten Schuljahres an sich gezogen hatte, um sie zu warnen, seitdem er seinen Widerstand aufgegeben und es zugelassen hatte, dass Neville ihn schockte, hatte sie oft an diesen Moment denken müssen. Sie hatte geglaubt, es hinge mit allem zusammen, was an dem Abend passiert war. Schließlich war es der einzige Moment des gesamten Abends gewesen, in dem sie das Gefühl gehabt hatte, jemand würde ihr sagen, was sie zu tun hatte. Würde ihr helfen, die richtige Entscheidung zu treffen. Danach war ... alles schief gegangen.

Aber hätte der Spiegel Nerhegeb ihr das gezeigt, wenn es nur darum gehen würde? Es war wohl kaum ihr sehnlichster Herzenswunsch, dass jemand ihr sagte, was sie zu tun hatte. Davon mal abgesehen hatte Snape Danke gesagt und nicht ...

„Wenn ich mich recht erinnere, Miss Granger ..."

Sie zuckte zusammen und sprang auf die Füße, wobei ihr der Tarnumhang vom Kopf rutschte. Aber Snape hatte offensichtlich auch vorher schon gewusst, dass sie da war, denn er zog angesichts ihrer Reaktion nur die Augenbrauen hoch.

„... dann bezieht sich die Erlaubnis des Direktors auf spezielle Abende, von denen dieser keiner ist", fuhr er ungerührt fort.

Sie schluckte. Mit heftig pochendem Herzen sah sie zu ihm auf und war ein paar Sekunden lang so schockiert darüber, ihn zu sehen, dass ihr die Worte fehlten. In seinem Gesicht stand nichts von dem Mann, den sie vorhin im Spiegel gesehen hatte. Es war ihr gar nicht wirklich bewusst gewesen, wie weich und offen sein Gesicht ausgesehen hatte. Wie ... zufrieden. Nichts davon war in dem Gesicht des echten Snapes zu sehen.

„Was tun Sie hier?", fragte er schließlich ungeduldig, als sie keinerlei Anstalten machte, etwas zu sagen.

„Ich ähm ... ich ...", stammelte sie und musste den Blick abwenden, um einigermaßen klar denken zu können. „Ich war gerade auf dem Weg in den Gemeinschaftsraum", sagte sie dann lahm. Ihr Kopf wollte ihr keinen triftigen Grund für ihre Anwesenheit hier liefern. Nichts außer der Wahrheit und die wollte sie ihm ganz bestimmt nicht erzählen.

„Das war nicht die Frage", schnarrte er.

Sie schluckte. „Ich ... hab ... ich musste ..."

Inter Spem et Metum - Zwischen Hoffnung und FurchtWhere stories live. Discover now