Menschen und Pferde

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Everything is dark.
It's more than you can take.
But you catch a glimpse of sun light
shinin', shinin' down on your face.

(Andrew Belle – In my veins)

In den Tagen nach ihrem Streit hatte Hermine keinen Kontakt zu Severus. Je länger sie über das nachdachte, was an diesem Nachmittag passiert war, desto mehr ärgerte sie sich über ihn und seine Ungeduld. Und vor allem über seine Überzeugung, sie hätte es mit den falschen Erinnerungen versucht. Es waren die richtigen Erinnerungen gewesen! Als sie am Tag danach im Raum der Wünsche nochmal versucht hatte, einen Patronus heraufzubeschwören, hatte sie den silbernen Schimmer hinbekommen, auf den Severus gewartet hatte – allerdings nur mit Okklumentik und wenn sie dabei einen der Anhänger an ihrem Armband rieb. Mehr als das war daraus auch nicht geworden.

Trotzdem ...

Dieser Erfolg fühlte sich bloß nicht groß genug an, um damit zu ihm zu gehen und es ihm unter die Nase zu reiben, wie sie es gern getan hätte. Dass sie ihre Magie nicht im Griff hatte, weil die Erinnerungen aus der Nacht des Endkampfes und ihr ungewollter Mord sie blockierten, war Fakt und sie hatte keine Ahnung, wie sie das jemals überwinden sollte.

Also konzentrierte sie sich auf den Unterricht, zwang ihren Ärger, die Angst und ihre Sehnsucht nach Severus mit Okklumentik aus ihrem Geist und schleppte sich durch den Alltag. Das Einzige, das sie damit nicht von sich schieben konnte, war die Müdigkeit – und die war hartnäckig.

„Hermine!"

Sie hatte gerade die Große Halle verlassen, um in ihr Zimmer zurückzukehren und ihre Sachen für den Unterricht zu holen, als sie Ginnys Stimme hinter sich hörte. Die Erschöpfung sank noch tiefer auf ihre Schultern. Sie wandte sich um. „Ja?"

Ginny strich sich die Haare hinter die Ohren und hatte sichtlich Mühe, Hermines Blick zu begegnen. Aber sie sah inzwischen wieder besser aus, schien sich allmählich von ihrem Nahtoderlebnis zu erholen. „Meine Mum fragt, ob du über Weihnachten mit in den Fuchsbau kommst. Sie würde sich freuen und ... ich natürlich auch. Von Harry und Ron ganz zu schweigen ..."

Hermine schüttelte den Kopf. „Nein, ich bleibe hier." Kingsley Shacklebolt hatte ihr über Professor McGonagall ausrichten lassen, dass er ihre Eltern wohl erst nach Weihnachten würde zurückholen können, weil sie es vorher nicht mehr schaffen würden, das Haus mit entsprechenden Bannen vor den immer noch flüchtigen Todessern zu schützen. Und wenn sie schon nicht mit ihren Eltern feiern konnte, wollte sie mit niemandem feiern. Sie wollte nur schlafen. Allein beim Gedanken an den Fuchsbau und den Trubel der Weasley-Familie schauderte sie.

Ginny sank ein Stück in sich zusammen. „Bist du dir sicher? Soweit ich weiß, bleibt fast niemand hier ..."

„Umso besser", murmelte Hermine leise. Und lauter: „Ja, ich bin mir sicher, Ginny. Ich bin nicht in der Stimmung für Weihnachten. Ich will einfach nur meine Ruhe haben."

Sie nickte. „Okay." Biss sich auf die Unterlippe. „Ich ähm ... Ich hoffe, du bist mir nicht böse, weil ich ... Na ja, mich so zurückgezogen hab. Das hatte nichts mit dir zu tun."

Hermine schluckte schwer. „Womit hatte es zu tun?"

Unbehaglich sah Ginny sich in der Eingangshalle um, die ständig von Schülern durchquert wurde, die entweder gerade zum Frühstück gingen oder die Große Halle bereits wieder verließen. Schließlich zog sie sie in eine etwas stillere Ecke und sah hinab auf ihre Hände, während sie sagte: „Ich brauchte einfach Zeit, um ... selbst damit klarzukommen, was ich getan habe. Bevor ich diesen Trank gebraut hab, da ... Ich hab einfach nicht darüber nachgedacht, was ich da tue, verstehst du? Ich meine, ich ..." Sie verzog das Gesicht, suchte nach Worten. „Ich hätte schwanger werden können, Hermine. Und auch wenn ein Kind gerade das Letzte ist, was ich haben will ... Ich hätte schwanger werden können. Das ist ..." Sie verdrehte die Augen zur Decke. „Wahrscheinlich ist es verrückt, aber das ist ein ziemlich gewaltiger Gedanke und ich brauchte Zeit, um damit klarzukommen. Und ich hätte nicht darüber reden können, weil ich das für mich klären musste, verstehst du? Allein."

Inter Spem et Metum - Zwischen Hoffnung und FurchtOù les histoires vivent. Découvrez maintenant