Natürlich

472 38 2
                                    

I could tell you to go to war.
Or I could march for peace and fighting no more.
But how do I know which is right?
And I hope he does
when he sends you to fight.

(Katie Melua – Spider's web)

Sobald die Tür sich hinter Harry geschlossen hatte, zog Severus sie an sich und jedes Ringen um ihre Fassung erwies sich als hoffnungslos. Sie hatte schon heftig geweint, als Harry sie zu trösten versucht hatte, aber jetzt ... Mit Severus' Geruch in ihrer Nase, seiner Körperwärme an ihrem Gesicht, seinen Händen auf ihrem Rücken und seiner nonverbalen Erlaubnis loszulassen, tat sie genau das.

Hermine weinte so sehr, wie sie es noch niemals zuvor erlebt hatte. Nichts daran war kontrolliert und nichts davon besonders würdevoll. Ihr lief die Nase, sie konnte kaum atmen und die Geräusche, die sie ausstieß ... nun ja. Aber eines war es: erlösend.

Es war, als würde sie mit jeder Träne und jedem Schluchzen ein kleines bisschen von der Angst loswerden, die ihr den Brustkorb zuschnürte und ihr Denken lähmte. Als würde sie Schritt für Schritt in die Realität zurückfinden. Ihr Körper schien alles, was in der letzten Stunde passiert war, regelrecht aus sich heraus zu zittern – und Severus hielt sie fest, damit sie dabei nicht den Halt verlor.

Sie griff in den Rückenstoff seines Hemdes, als könnte er weglaufen, wenn sie es nicht tat. Und die Welt hörte für eine Weile auf zu existieren, als er eine Hand an ihren Hinterkopf legte und leise seufzte.

Das hier war die erste Umarmung, die er ihr bewusst schenkte, ohne dass sie schliefen. Der erste engere Körperkontakt, der länger als ein paar Sekunden anhielt. Das erste Mal, dass sie tatsächlich fand, was sie immer bei ihm zu finden vermutet hatte: Geborgenheit.

Und beinahe hätte sie das verloren ...

Jedenfalls fühlte es sich so an. Vermutlich war Severus die ganze Zeit über nicht wirklich in Lebensgefahr gewesen; es wäre schon dumm von Voldemort, seine Gefolgsleute mit einem Mal zu zeichnen, das sie umbringen konnte, wenn sie sich dort verletzten. Aber zu dieser Art Rationalität hatte sie eben keinen Zugang gehabt. Sie hatte nur das ganze Blut gesehen und war überzeugt gewesen, dass sie Severus verlieren würde. Nie wieder wollte sie das erleben – aber vermutlich würde es wieder passieren. Sie steckten mitten in einem Krieg und er spielte eine Hauptrolle.

Irgendwann ließ das Weinen endlich nach. Sie wurde ruhiger, das Zittern hörte auf, ihr Herzschlag beruhigte sich. Hermine schluckte. „Es tut mir leid", flüsterte sie. Plötzlich wusste sie gar nicht mehr, warum sie so heftig reagiert hatte. Was war denn schon passiert? Harry und Severus waren verletzt gewesen, aber gerade Letzterer war schon in schlechterer Verfassung gewesen, ohne dass sie hinterher so reagiert hatte. Und sie wollte sich Voldemort ausliefern!

„Muss es nicht", sagte er und seine Stimme dröhnte in seinem Brustkorb, ließ sie schaudern.

Widerwillig löste sie sich aus seiner Umarmung und hob die Hände, um sich die Tränen aus dem Gesicht zu wischen, aber sie waren immer noch stellenweise blutig. Wahrscheinlich hatte sie sein Hemd völlig ruiniert, sowohl mit ihren Tränen als auch mit seinem Blut. Sie nahm sich ein Papierhandtuch, wischte sich über das tränennasse Gesicht und schnäuzte sich. „Doch, ich ... sollte mich nicht so gehen lassen", murmelte sie, ohne ihn anzusehen und drehte sich zum Waschbecken. Warf das zerknüllte Handtuch weg und begann ihre Hände zu schrubben (mit viel Seife und einer Bürste, bis sie ganz rot waren), hoffte, dass er sie kurz allein lassen würde.

Aber das tat er nicht. Er beobachtete ihr Tun einige Sekunden lang schweigend, dann drehte er plötzlich das Wasser ab und ihr Gesicht zu sich. Mit ernster Miene sagte er: „Es lag am Ritual, Hermine. Die Schwarze Magie hat einen starken Einfluss."

Inter Spem et Metum - Zwischen Hoffnung und FurchtWhere stories live. Discover now