47| vom verliebtsein

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e s t e l l a

that funny feeling- phoebe bridgers

Liebe Stella,

in deiner Nähe zu sein gleicht einem Tag im Februar. Wenn man draußen ist und die Sonne sich seit langer Zeit das erste Mal hinter den Wolken her schiebt, um alles in ihr Licht zu tauchen.
Wenn mich jemand fragen würde, wie es sich anfühlt bei dir zu sein, wäre das wohl das erste, was ich sagen würde: Wie Sonnenschein, der alles und jeden wärmt.

Es war der sechzehnte Dezember, als ich diesen zusammengefalteten Zettel neben Codyans Schrank auf dem Boden entdeckte. Exakt vier Tage vor der Gala der Schule.

Draußen stürmte es, doch auch in der Schule lief alles drunter und drüber: Der Catering Service kam, alles wurde perfekt dekoriert und die Presse reiste an. Mehrmals wurden Schüler aus bekannten Familien vor den Toren abgefangen oder sogar von den aufdringlichen Journalisten belästigt. Fast täglich musste sich unser Direktor um neue Security kümmern.

Die Gala war einfach das Ereignis.

Ich faltete den Brief in meinen Händen. Codyan war gerade im Bad am duschen und hatte mich kurz allein gelassen, und aus reinem Zufall war das Papier mir aufgefallen. 

Vielleicht waren es seine handgeschriebenen Worte, seine geschwungene Schrift, die mich zu stillen Tränen rührten, der Grund, wieso ich an diesem Abend wieder schwieg.

Wieso ich wieder alles schlimmer machte.

Es kamen mehr Nachrichten von der unbekannten Nummer. Sie wurden schlimmer. Immer aufdringlicher, immer aggressiver. Mir war klar, dass ich es Codyan früher oder später sagen musste. Ich wollte es ihm sagen. Schließlich ging es um ihn. Um ihn und seine Familie- um Walsh& Fox Industries.

Ich musste ihn fragen, wieso dieser Unbekannte so fest davon überzeugt war, dass ich mich trennen sollte, weil sonst Geheimnisse ans Licht kommen würden, von denen ich nichts wusste. Ich war mir schließlich sicher, dass Codyan mich nicht anlügen würde. Nein, niemals.

Er liebte mich, genau so sehr wie ich ihn liebte.

Das zeigte und sagte er mir. Ich spürte es.

Damals hatte ich geglaubt, verliebt zu sein, wäre bloß ein intensives Bauchkribbeln, rot werden oder überglücklich ins Tagebuch schreiben. In hoffnungslosen Tagträumen versinken, an nichts anderes mehr denken wollen und all seinen Freunden von dieser einen Person vorschwärmen zu wollen.

Doch mittlerweile wusste ich sehr gut, dass es so viel mehr als das war.

In Codyan Walsh verliebt zu sein bedeutete für mich alles. Ja, es stimmte: Mein Bauch kribbelte wenn ich in seiner Nähe war, genau so wie am ersten Tag. Ich wurde rot, wenn er mir in der Anwesenheit anderer Dinge ins Ohr flüsterte, die die Blicke von allen auf uns zogen. In meinem Tagebuch schrieb ich seitenlang über all das, was wir hatten. Im Unterricht driftete ich ab- weg von irgendwelchen sinnlosen Formeln, politischen Situationen von Frankreich im achtzehnten Jahrhundert oder dem Aufbau der DNA. Winnie war meine Schwärmereien schon gewohnt und selbst meine verdammten Eltern hatten bei unseren letzten Telefonaten bemerkt, dass etwas anders an mir war.

Doch das Verliebtsein bedeutete mehr. Ich war davon überzeugt, man musste es erleben, um es vollständig verstehen zu können.

Es war mehr als all das Oberflächliche, was einem in Filmen oder Büchern vorgezeigt wurde.

So, so viel mehr.

Ich ließ den Brief schnell und ertappt fallen und beeilte mich zurück ins Bett zu kommen, bevor Cody aus dem Bad kam.

The light you brought Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt