Aufklärung 2/2

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Ein paar Sekunden herrschte absolute Stille im Raum, nur das Kaminfeuer prasselte leise. Dann brachen James und Sirius in dröhnendes Gelächter aus. "Du und mein Sohn", keuchte James, während er sich den Bauch hielt, "das ist der beste Witz, den ich je gehört habe! Mein Sohn ist gerade ein Jahr alt und du bist fast so alt wie ich!"
Harry seufzte. "Zeitreise!", wiederholte er knurrend und verdeutlichte: "Ich bin genau 17 Jahre älter als der Harry, den du gerade im Arm hältst."
James versuchte, ernst auszusehen. "Du willst mir also sagen, dass du identisch mit dem Kind bist, dass ich gerade im Arm halte?"
"Ja!", erwiderte Harry, "Sieh mich an James. Zeit meines Lebens wurde mir gesagt: 'Du siehst genauso aus wie dein Vater, nur die Augen, die hast du von deiner Mutter.' Sieh mir in die Augen und vergleiche sie mit Lilys oder denen von deinem Sohn."

James musterte Harry genau und erblasste ein wenig. "Man kann sein Aussehen auch verändern, mit Vielsafttrank zum Beispiel", setzte er entgegen, es war aber auch eine Spur Unsicherheit in seiner Stimme zu hören.
"Mit Vielsafttrank würde ich dir aufs Haar gleichen und das tue ich nicht", erklärte Harry ruhig. "Und wie könnte es sonst sein, dass mein Patronus deinem bis ins kleinste Detail gleicht? Patroni sind fälschungssicher, wie du sicher weißt."

Sirius und Remus hielten sich mit Kommentaren zurück; sie waren nicht sicher, was sie von der Angelegenheit halten sollten und hielten es für besser, dass Harry, Lily und James das unter sich ausmachten.
Lily schaute weiterhin misstrauisch. "Du behauptest also, unser Sohn aus der Zukunft zu sein? Das ... ist doch unmöglich! Das ist ... lächerlich! Ich meine ... okay, bitte! Du sagst, du bist unser Sohn? Dann kannst du uns doch sicher Geheimnisse über uns erzählen, die außer uns keiner wissen kann."
Harry nickte zustimmend; seine Eltern schienen seine Geschichte nicht mehr völlig als Spinnerei abzutun, auch wenn es noch ein weiter Weg war, dass sie ihm glaubten. Er überlegte, welche Geheimnisse seiner Eltern er kannte. Es waren nicht besonders viele, doch sie mussten ausreichen.

"Du, James bist seit der ersten Klasse in Hogwarts mit Remus, Sirius und Peter befreundet. Ihr bezeichnetet euch dort als 'Rumtreiber' und habt gemeinsam die Karte des Rumtreibers erschaffen, eine Karte, die jede Person auf dem Schulgelände zeigt. Aufgrund von Remus' 'pelzigem kleinen Problem' seid ihr in eurem fünften Jahr Animagi geworden. Sirius alias 'Tatze' wurde ein großer schwarzer Hund, Peter alias 'Wurmschwanz' wurde eine Ratte und du alias 'Krone' wurdest ein Hirsch. Eben diesen Hirsch stellt auch mein Patronus dar. Remus hatte wegen seines Problems den Spitznamen 'Moony'. Zusammen habt ihr bei Vollmond das Schulgelände unsicher gemacht."

Harry atmete kurz durch und trank einen Schluck aus dem Glas vor ihm. Seine Eltern, Sirius und Remus sahen ihn völlig verblüfft an, Harry sprach aber unbeirrt weiter. "Nach eurer ZAG-Prüfung in Verteidigung am Ende eures fünften Jahres habt ihr euch ein Duell mit Snape geliefert und ihm vor versammelter Mannschaft die Hose ausgezogen. Als Lily einschritt, beschimpfte Snape sie als Schlammblut. Auf James Frage nach einem Date antwortete sie, sie würde lieber mit dem Riesenkraken ausgehen als mit James." Sirius kicherte leicht bei der Erinnerung. Lily sah so aus, als wolle sie etwas sagen, doch Harry ließ sich nicht unterbrechen. Er wollte die beiden jetzt ein für alle Mal überzeugen.

"Du, Lily, bist muggelgeboren. Du hast eine Schwester namens Petunia. Sie ist mit Vernon Dursley verheiratet, hat einen Sohn namens Dudley und wohnt im Ligusterweg Nr. 4 in Little Whinging. Petunia hat eine starke Abneigung gegen alles Magische entwickelt, da sie äußerst eifersüchtig war, als du deinen Hogwarts-Brief bekommen hast. Sie hat sogar bei Dumbledore angefragt, ob sie nicht auch nach Hogwarts kommen könne, aber er hat abgelehnt. Du warst seit deiner Kindheit mit Severus Snape befreundet, der in der Nachbarschaft lebte. Er war es auch, der dir erstmals sagte, dass du eine Hexe bist. Vorher schon hast du bemerkt, dass du außergewöhnliche Dinge kannst. Zum Beispiel bist du beim Schaukeln abgesprungen und ganz langsam zu Boden geschwebt. Deine Freundschaft mit Snape ging in die Brüche, als er dich an dem besagten Nachmittag als Schlammblut beschimpfte und dir klar wurde, dass er sich nicht von den dunklen Künsten abwenden würde, sondern ein Todesser werden wollte.

James hast du erstmals bei deiner ersten Fahrt im Hogwarts Express getroffen, bei der er und Sirius Snape beleidigt haben, weil der nach Slytherin wollte. Du hast James jahrelang verabscheut, geändert hat sich das erst in eurem siebten Schuljahr, als ihr beide Schulsprecher wart. In Hogwarts warst du ein Ass in Zaubertränke, Lieblingsschülerin von Professor Slughorn und hast ihm einmal ein Wasserglas mit einer Lilienblüte geschenkt, die sich in einen Fisch verwandelte. Vor einigen Tagen hast du einen Brief an Sirius geschrieben, in dem du deinen Unglauben darüber kundtatest, dass Albus Dumbledore einmal mit Grindelwald befreundet gewesen ist." Harry beendete seinen Monolog und sah seine Eltern an, die wie erstarrt auf dem Sofa saßen und zu keinem Wort fähig schienen. Auch Remus und Sirius waren sehr blass geworden.

Etwa zwei Minute sagte keiner etwas, dann meldete sich Lily mit zitternder Stimme. "Er hat Recht. Mit jedem Wort. Alles, was er erzählt hat, hat sich genau so zugetragen." Sie stockte und sah ihren Mann an. "Es ist einfach unmöglich, dass er das alles weiß. Es muss die Wahrheit sein, was er gesagt hat, eine andere Möglichkeit gibt es nicht."
James nickte wie betäubt. "Er weiß Dinge, die außer uns keiner wissen kann. Nicht mal Dumbledore weiß, dass wir Animagi sind. Keiner weiß das außer uns Rumtreibern und dir, Lily. Auch von Remus' Problem wissen nur sehr wenige. Und vieles von dem, was er über deine Schwester erzählt hat, wusste nicht einmal ich. Wenn das tatsächlich wahr ist, dann kann es keine andere Möglichkeit geben." Auch Remus und Sirius nickten zustimmend und wirkten immer noch wie vom Donner gerührt.

Eine Weile herrschte wieder nachdenkliche Stille. "Du bist also unser Sohn, Harry", wandte sich James schließlich an sein Beinahe-Ebenbild. "Aber was hat das mit Voldemort zu tun und warum hast du Visionen von ihm?"
Harry seufzte. Jetzt folgte der unangenehmste Teil seines Berichts. "Nun, durch unser Auftauchen in eurem Wohnzimmer vorhin haben wir den Ablauf der Geschichte erheblich geändert. In meiner Vergangenheit ist der Abend anders verlaufen." Er blickte jetzt starr ins Feuer und wagte es nicht, seine Eltern anzusehen. Er wollte das Entsetzen in ihren Augen nicht sehen. "Ihr wurdet nicht vor Voldemort gewarnt und wart daher unvorbereitet. Als Voldemort die Tür aufsprengte, stellte sich James ihm entgegen. Er rief Lily zu, sie solle gemeinsam mit Harry, also mit mir, fliehen. Er werde Voldemort solange aufhalten.Da er aber seinen Zauberstab im Wohnzimmer gelassen hatte, war es für Voldemort ein Leichtes, James zu töten. Danach ging er die Treppe hinauf zum Kinderzimmer, wo sich Lily mit mir verschanzt hatte. Er sprengte auch dort die Tür auf und forderte Lily auf, beiseite zu treten, damit er mich töten könnte. Doch Lily weigerte sich. Voldemort befahl ihr erneut, beiseite zu treten, dann müsse ihr nichts geschehen. Doch Lily flehte ihn an, doch lieber sie anstatt meiner zu töten. Also tötete Voldemort auch sie, um sich anschließend mir zuzuwenden. Er richtete den Zauberstab auf mich und sprach den Todesfluch, doch dieser prallte von meiner Stirn ab und fiel auf ihn selbst zurück. Mir blieb nur diese Narbe." Er zeigte ihnen seine Stirnnarbe.
"Unmöglich!", ereiferte sich Sirius, "niemand kann den Todesfluch überleben. Der prallt nicht einfach so ab!"

Harry nickte zustimmend. "Grundsätzlich hast du Recht. Aber er ist nicht einfach so abgeprallt. Lily hat dadurch, dass sie sich freiwillig für mich geopfert hat, unwissentlich einen uralten Liebeszauber bewirkt. Dieser Zauber legte einen mächtigen Schutz auf mich, der bis heute in meinem Blut fortwirkt. So hat es Dumbledore mir zumindest erklärt. Auf jeden Fall prallte der Fluch auf Voldemort zurück und er verschwand für sehr lange Zeit. Die Zaubererwelt war befreit, doch ich war mit einem Mal Vollwaise. Ich wurde in der folgenden Nacht zu Tante Petunia gebracht, wo ich seitdem aufgewachsen bin."

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