Vertrauen

39 1 0
                                    

Da sie wussten, dass Hermine, ebenso wie Harry, Ginny und Ron in gerade einmal sechs Wochen nicht mehr existieren würde, hatten alle Probleme damit, passende Geschenke zu finden. Niemand wollte ihr komplizierte Bücher schenken, die sie niemals würde gebrauchen können. So hatten sich schließlich die meisten entschieden, dass Süßigkeiten, Kinokarten und eine Flasche Wein das richtige seien. Bei den Unterhaltungen am Abend merkte man gerade Julia, Sam und Oliver eine gewisse Melancholie an in Anbetracht der Tatsache, dass ihre Freunde bald verschwinden und nur als Kleinkinder weiterexistieren würden.


Nach Hermines Geburtstag ging auch der September rasch zu Ende und schon stand der nächste Geburtstag vor der Tür. Am 2. Oktober wurde Julia 20. Die Feier fand im Hundezwinger statt, in den Julia in den letzten Wochen fest eingezogen war. Harry, Hermine, Ginny und Ron kamen dazu, während Lily und James in der Löwenhöhle bei den fünf Kindern blieben. Auch ein paar weitere Freunde Julias aus Hogwarts waren eingeladen. Remus konnte dagegen nicht kommen, da ausgerechnet an diesem Tag Vollmond war. Er hatte Sirius zwar gesagt, dass er Julia von seinem Geheimnis erzählen dürfe, das änderte aber nichts daran, dass ihm bei Vollmond niemals zum Feiern zumute war.

Bei Julia stellte sich das Problem bzgl. der Geschenke nicht und so bekam sie Bücher, die sie für ihre Ausbildung gebrauchen konnte, Bücher über Quidditch und von Oliver zwei Freikarten für das nächste Spiel der Wimbourner Wespen. Er hatte es tatsächlich geschafft, von dem Team unter Vertrag genommen zu werden, auch wenn er auf seiner Hüterposition noch einen älteren Spieler mit langjähriger Erfahrung vor sich hatte. Langfristig aber sollte Oliver zu dessen Nachfolger aufgebaut werden, da dieser ältere Hüter nur noch zwei, maximal drei Jahre spielen würde.

Sirius schenkte Julia neben einigen Kleinigkeiten eine wunderschöne alte, feingliedrige Goldkette mit einem tropfenförmigen Saphir-Anhänger. Allen Anwesenden blieb fast der Mund offen stehen beim Anblick dieses Schmuckstücks und Julia bedankte sich mit einem leidenschaftlichen Kuss. Wie Sirius erklärte, war die Kette ein altes Erbstück, das aus dem Vermögen stammte, das er von seinem Onkel Alphard geerbt hatte.
"Hat halt auch Vorteile, ein Black zu sein", kommentierte Harry die Erklärung, was Sirius mit einem Lachen quittierte.
Nach einigen Stunden beendeten sie langsam die Geburtstagsfeier. Sirius bot allen an, im Hundezwinger zu übernachten, doch Sam und Oliver wollten lieber in Sams Wohnung in London. Auch Harry, Hermine, Ron und Ginny lehnten ab; sie wollten Lily und James mit den fünf Kindern unterstützen. So verschwanden sie alle nach und nach durch den Kamin und Julia und Sirius blieben allein zurück.

Sie kuschelten sich auf dem Sofa aneinander, dann legte sich Sirius der Länge nach aufs Sofa und legte seinen Kopf in Julias Schoß. Liebevoll fuhr sie ihm durchs Haar und strich mit der anderen Hand über seine Brust.
"Ich liebe dich, Sirius", flüsterte sie.
"Ich liebe dich auch, Julia", erwiderte er. Dann fasste er einen Entschluss. Er hatte vor einigen Tagen mit Remus und mit James gesprochen und sie hatten sich einverstanden erklärt. "Ich liebe dich und ich vertraue dir bedingungslos. Und deshalb möchte ich dich in mein größtes Geheimnis einweihen?"
"Dein größtes Geheimnis?", fragte Julia erstaunt. "Was meinst du damit?"
Sirius richtete sich auf und sah ihr fest in die Augen. "Du musst mir versprechen, dass du mit niemandem darüber sprichst, okay? Es ist nämlich nicht nur mein Geheimnis, sondern auch das von Remus und James."
Sie sah ihn verwirrt an, nickte dann aber. "Das ist doch selbstverständlich. Ich würde deine Geheimnisse niemals verraten." Sirius lächelte und küsste sie auf den Mund.

"Es ist eine recht lange Geschichte. Und der erste Teil davon ist viel mehr Remus' Geheimnis als meins. Aber er hat gesagt, dass ich es dir erzählen darf. Also, um ganz vorne anzufangen: Als wir nach Hogwarts kamen, wurden James, Remus, Pettigrew und ich nach Gryffindor eingeteilt. Wir schlossen schnelle Freundschaft und erlebten zusammen viele Abenteuer. Doch schnell merkten wir, dass mit Remus etwas nicht stimmte. Er war sehr häufig kränklich, fehlte im Unterricht und hatte die absonderlichsten Ausreden. Irgendwann fiel uns auf, dass er in regelmäßigen Abständen im Unterricht fehlte, alle vier Wochen zu Vollmond. Bald darauf erkannten wir sein Geheimnis: Remus ist ein Werwolf."

"WAS?!?", kreischte Julia. Bisher hatte sie ruhig zugehört, doch jetzt war sie mit entsetztem Gesicht aufgesprungen und zeigte völlig hysterisch abwechselnd auf Sirius und auf sich selbst. "Sag, dass das nicht wahr ist! Das kann nicht ... NEIN! Das glaub ich nicht! Remus ist kein ... du lügst! Das kann nicht sein! Bitte sag, dass das nicht wahr ist!" Zum Schluss wurde ihre Stimme fast flehend. Sirius hatte zwar damit gerechnet, dass sie erschrocken sein würde ob dieser Neuigkeit, doch diese heftige Reaktion überraschte ihn dann doch.
"Julia? Was ist ..." Er brach ab, wusste nicht, wie er weiterreden sollte.
"Du fragst, was mit mir los ist? Du willst wissen, was mein Problem ist?", rief Julia. Ihr Gesichtsausdruck wandelte sich jetzt von Entsetzen zu Wut und Verzweiflung. "Mein kleiner Bruder wurde von so einer Bestie zerfetzt und ermordet und mein Freund ist mit ständig mit einem verdammten Werwolf zusammen!"

Das saß. Erschüttert starrte Sirius sie an und schluckte. Damit hatte er im Leben nicht gerechnet. "Oh", brachte er nur heraus.
"Ja, Oh!", stieß sie hervor.
"Dein ... dein Bruder?", fragte Sirius verwirrt nach.
"Ja, mein Bruder", bestätigte Julia, nun mit verzweifelter Stimme. "Liam. Es war vor fünf Jahren. Er war gerade neun Jahre alt, als er von so einem Untier überfallen wurde. Er lag wochenlang im St. Mungo, aber ... aber ... sie konnten ihn nicht retten." Weinend brach sie auf dem Sofa zusammen. Sirius wollte zu ihr hinüber gehen und sie in den Arm nehmen, doch er war sich nicht sicher, ob sie das jetzt gerade zulassen würde, also setzte er sich auf einen Sessel ihr gegenüber.

"Das tut mir entsetzlich leid, Julia", sagte er, nachdem sie sich einigermaßen beruhigt hatte. "Das ist grauenhaft. Aber ich schwöre dir, Remus hat noch niemals jemandem auch nur ein Haar gekrümmt. Er war selbst gerade mal sieben Jahre alt, als er gebissen wurde und hat nur mit viel Glück überlebt."
Julia schnaubte. "Er ist ein Werwolf!"
"Ja, das ist er", antwortete Sirius ruhig. "Aber Julia, überleg doch mal. Wenn Liam ... wenn er überlebt hätte, ... dann wäre er seitdem auch ein Werwolf. Hättest du ihn deshalb weniger geliebt?"
Julia hatte das Gesicht hinter einer Hand verborgen und zuckte bei diesen Worten zusammen. Ein Beben ging durch ihren Körper und mit zusammengepressten Lippen schüttelte sie den Kopf. Nun erhob sich Sirius, setzte sich neben sie und zog sie in seine Arme. Sie vergrub ihr Gesicht in seinem Pullover, der von ihren Tränen durchnässt wurde und nach einiger Zeit ließ das Beben ihres Körpers nach.
"Natürlich nicht", stieß sie abgehackt hervor. "Er ist mein Bruder!"

Sirius nickte bestätigend. "Eben. Remus ist der gleiche wunderbare Mensch, der er auch vorher gewesen ist. Er war ein unschuldiger kleiner Junge, als er gebissen wurde, genau wie dein Bruder. Er hat sich gehasst dafür und seine größte Angst war es immer und ist es auch heute noch, dass er jemals jemandem etwas antun würde. Ich glaube, wäre das jemals geschehen, dann hätte er sich umgebracht, damit es nicht wieder geschehen kann. Ich würde ihm jederzeit mein Leben anvertrauen und Lily und James vertrauen ihm sogar das Leben ihres Sohnes an."
Langsam drangen die Worte zu Julia durch und sie nickte. "Ja, du hast ja recht. Ich hab Remus ja kennengelernt und ich weiß, dass er in Ordnung ist. Ich hab bisher noch nie darüber nachgedacht, dass auch Werwölfe einmal Menschen waren."
"Remus ist ein Mensch", korrigierte Sirius. "Werwölfe sind Menschen. Menschen mit einer grausamen Krankheit. Ich glaube, es gibt kaum einen Werwolf, der gerne unter dieser Krankheit leidet. Sie sind in der Gesellschaft ausgeschlossen, weil sich viele vor ihnen fürchten, auch wenn es an 29 Tagen im Monat keinen Anlass dazu gibt."

Halloween Time TravelWhere stories live. Discover now