Imperiusfluch

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Am folgenden Sonntag war Ostern. Harry, Hermine, Ginny und Ron verbrachten die Feiertage in Hogwarts, ebenso wie die meisten ihrer Klassenkameraden. Da in nur zwei Monaten die UTZ-Prüfungen anstanden, wollten sie die Zeit so gut wie möglich zum Lernen nutzen. Bald darauf waren die Osterferien auch schon wieder vorbei und alle Schüler, die nach Hause gefahren waren, kehrten ins Schloss zurück.
Der vorgesehene Stoff in den einzelnen Fächern war weitgehend abgearbeitet und so bestand der Unterricht zum großen Teil aus Wiederholung. Remus dagegen plante noch eine letzte Themeneinheit, die auch schon Professor Mellow geplant hatte. In der ersten Stunde nach den Osterferien hatten sie die Patronuskommunikation endgültig abgeschlossen. Etwa der Hälfte des Kurses war es gelungen, einen Patronus zu erschaffen, der ihre Nachricht fehlerlos überbrachte. Bei den meisten anderen war Remus zuversichtlich, dass sie es schaffen würden, wenn sie es weiterhin trainierten.

Als letzten Schwerpunkt hatte Remus den Widerstand gegen den Imperiusfluch vorgesehen. Als er dies dem Kurs ankündigte, entstand ein aufgeregtes, aber auch argwöhnisches Gemurmel im Klassenraum, daher erklärte Remus die Sache näher.
"Wie ihr alle wisst, gehört der Imperiusfluch zu den unverzeihlichen Flüchen, deren Ausübung strengstens untersagt ist. In der Vergangenheit hat insbesondere Lord Voldemort, aber auch zahlreiche seiner Anhänger mithilfe dieses Fluchs sehr viele Hexen und Zauberer unterworfen und sie zum Teil zu schrecklichen Taten gezwungen.
Aus diesem Grund hat das Zaubereiministerium einem Vorschlag von Professor Dumbledore zugestimmt, den Schülern der Abschlussklasse beizubringen, sich gegen den Fluch zur Wehr zu setzen. Der Fluch kann nicht durch übliche Verteidigungsmittel abgeblockt werden, ein Widerstand ist nur durch äußerste mentale Anstrengung möglich. Das Zaubereiministerium hat mir eine Ausnahmegenehmigung erteilt, im Rahmen dieses Unterrichts und die Schüler dieses Kurses mit dem Imperiusfluch zu belegen, damit diese Schüler lernen, sich gegen ihn zur Wehr zu setzen.

Mir selbst ist nicht ganz wohl bei der Vorstellung, diesen Fluch einzusetzen, aber ich habe mich dazu bereiterklärt, damit Sie vorbereitet sind, sollten Sie jemals mit ihm konfrontiert werden. Ich werde nun jeden einzelnen von Ihnen mit diesem Fluch belegen und Ihnen einige Anweisungen geben. Sie werden versuchen, gegen den Fluch anzukämpfen und ihn abzuschütteln. Dies alles geschieht freiwillig, keiner von Ihnen wird dazu gezwungen. Sie können jederzeit auf diese Übung verzichten."

Keiner der Schüler verließ den Raum. Remus rief sie nun in alphabetischer Reihenfolge nach vorn und belegte sie mit dem Imperiusfluch. Dabei war ihm deutlich anzusehen, dass er nur sehr widerwillig den erforderlichen Willen zur Unterwerfung aufbrachte. Dennoch folgte der erste Schüler, ein Slytherin, scheinbar willenlos seinen Befehlen, auf einem Bein im Kreis zu hüpfen. Der dritte Schüler, auch ein Slytherin, sollte laut ein Gedicht aufsagen, hielt sich dabei aber immer eine Hand vor den Mund. Der vierte, ein Hufflepuff namens Luke Flemming, schaffte es mit größter Mühe, sich an einem Tisch festzuhalten und daran zu hindern, durch die Klasse zu hüpfen.
Schließlich kam Hermine dran. Ihr befahl Remus, ein Weihnachtslied laut vorzusingen. Hermine war die erste, die dem Befehl vollständig widerstehen konnte. Sie gab keinen Laut von sich, auch wenn sie ein sehr verkniffenes Gesicht zeigte und sich auf die Lippen beißen musste. Sam direkt nach ihr sollte auf einen Tisch springen, krachte aber, wie Harry in der vierten Klasse, mit den Knien dagegen. Auch einige andere schafften es mit größter Anstrengung, sich den Befehlen des Lehrers zu widersetzen, darunter beide Schulsprecher und auch Julia.

Dann war Harry an der Reihe. "Imperio!", sagte Remus und zielte auf Harry. Das ihm schon bekannte Gefühl der wohligen Leere und Sorglosigkeit entstand in seinem Kopf, allerdings nicht in der gleichen Intensität wie es bei Voldemorts Fluch der Fall gewesen war. Er merkte, dass Remus nicht mit seinem ganzen Willen hinter dem Fluch stand und dass es ihm eigentlich widerstrebte. "Mach einen Handstand!", befahl ihm Remus, doch Harrys innere Stimme war deutlich stärker.
"Nein!", widersprach Harry und blieb ruhig stehen. "Das werde ich nicht tun." Das Gefühl der Leere verschwand, Remus warf ihm einen anerkennenden Blick zu und rief dann auch schon den nächsten Schüler auf. Harry war das sehr recht, er wollte nicht, dass viel Aufhebens darum gemacht wurde, dass er den Fluch locker abschütteln konnte.

Auch Ginny schaffte es, dem Fluch mit einem einfachen "Nein!" zu widerstehen, Oliver und Ron konnten sich mit größter Mühe davon abhalten, den Befehlen nachzukommen. Schließlich waren sie bei der letzten Schülerin angelangt und anschließend beendete Remus die Stunde. Als Hausaufgabe sollten sie einen zwei Fuß langen Aufsatz über den Widerstand gegen den Imperiusfluch schreiben.

In den nächsten drei Wochen trainierte Remus immer wieder mit ihnen den Widerstand gegen den Imperiusfluch, bis jeder Schüler zumindest unter größter Anstrengung sich davon abhalten konnte, seinen Befehlen nachzukommen. In den übrigen Fächern, in Verwandlung, Kräuterkunde und Zauberkunst, wiederholten sie inzwischen täglich, was sie in den letzten Jahren gelernt hatten bzw. haben sollten. Wie immer hatte Hermine am wenigsten Probleme mit dem Lehrstoff, dafür aber die größte Angst vor den Prüfungen.
In Zaubertränke zeigte Harry schwankende Leistungen. Immer wenn ein ihm bekannter Zaubertrank drankam, versuchte er, soweit er sich erinnern konnte, die Anweisungen des Halbblutprinzen zu befolgen. Bei unbekannten Tränken musste er sich jedoch an die übliche Rezeptur halten. Andererseits lernte er von Snape deutlich mehr als in seiner Vergangenheit, was hauptsächlich daran lag, dass dieser ihn zwar streng, aber weitgehend neutral behandelte, manchmal sogar ein knappes Wort der Anerkennung für einen besonders gelungenen Trank fallen ließ.

So verging der April und der Mai brach an. Am Abend des ersten Mai saßen Harry, Hermine, Ron und Ginny allein vor dem Kamin im Gemeinschaftsraum. Sie dachten an die Schlacht von Hogwarts, die für sie heute genau ein Jahr zuvor stattgefunden hatte, in der jetzt veränderten Zukunft aber niemals stattfinden würde.

Eine Woche später fand das vorletzte Quidditchspiel der Saison statt, Ravenclaw gegen Hufflepuff. Ravenclaw gewann recht deutlich und führte nun die Tabelle an. Wieder eine Woche später ging es dann um die Meisterschaft, als Gryffindor gegen Slytherin antrat. Mit einem Sieg von Slytherin würde dieses Haus den Pokal gewinnen. Gewann Gryffindor mit mindestens 210 Punkten Vorsprung, würden sie den Pokal gewinnen. Gewann Gryffindor mit weniger als 210 Punkten Vorsprung, würde das Team von Ravenclaw seinen Vorsprung ins Ziel retten und Gryffindor würde Zweiter.

Das Spiel fand unter besten Bedingungen statt. Sonnenschein, einige Schönwetterwolken und um die 20 Grad lockten die Lehrer und Schüler zu Hunderten auf die Tribünen. Auch Harry, Ron und Hermine gingen mit Gryffindor-Bannern geschmückt zum Stadion, während Ginny schon mit dem Team in den Umkleidekabinen verschwunden war. Die Mannschaften betraten das Spielfeld, die Kapitäne gaben sich mit finsteren Mienen die Hand und das Spiel begann.
Schon nach gut zehn Sekunden warf Ginny nach einem guten Pass von Sophie das erste Tor. Es entwickelte sich ein lebhaftes Spiel mit Chancen und Toren auf beiden Seiten. Langsam aber sicher konnten die Gryffindors eine sichere Führung herausspielen. Nach einer Stunde stand es 130:80.

Ginny flog mit dem Quaffel unter dem Arm auf die Torringe der Slytherins zu. Die drei gegnerischen Jäger flogen in ihre Flugbahn und wollten sie abblocken. Kurz bevor sie scharf abbremste, um einen Zusammenstoß zu vermeiden, ließ sie den Quaffel fallen. Sophie, die unter ihr flog, fing den roten Ball auf und tauchte unter den Slytherin-Jägern hindurch. Nun flog sie allein die Ringe zu. Der Hüter kam ihr entgegen und wollte sie vom Besen stoßen, doch im letzten Moment passte sie den Quaffel zu ihrem Bruder, der ohne Mühe treffen konnte.
Nun stand es 140:80. Sollte Allie jetzt den Schnatz fangen, hätte Gryffindor den Pokal. In den nächsten Minuten trafen beide Teams je zweimal. Auf einmal schossen Allie und der gegnerische Sucher zugleich in die Tiefe. Harry sah kurz über dem Boden etwas Goldenes funkeln. Allie hatte einen kleinen Vorsprung und schaffte es auch, diesen Vorsprung zu verteidigen. Sie flog weiterhin in die Tiefe, mit dem Slytherin-Sucher auf den Fersen.

Zugleich waren die Slytherins in Quaffelbesitz und flogen mit ihrer Jägerreihe auf den Hüter der Gryffindors zu. Zwei der drei Gryffindor-Jäger hatten sie schon hinter sich gelassen und auch den dritten, Kevin Steward, konnten sie zu dritt locker ausspielen. Jonathan, der Hüter, flog dem Jäger mit dem Quaffel ein bisschen entgegen, doch als dieser einen Doppelpass mit seinem Mitspieler spielte, war auch Jonathan machtlos. Er konnte dem Quaffel nur hinterher sehen, wie er durch den linken der drei Ringe flog.
Genau eine Sekunde später schloss sich Allies Hand um den kleinen geflügelten Schnatz. Sie stieß jubelnd die Faust in die Höhe, bemerkte dann aber, was soeben geschehen war. Endstand des Spiels war 310:110.

Gryffindor fehlte genau ein Tor zur Meisterschaft, der Pokal ging daher an die Ravenclaws. Als die das begriffen, brach auf der Tribüne der Ravenclaws frenetischer Jubel aus. Wenige Augenblicke später strömte das Team der Ravenclaws jubelnd auf den Rasen, während sich die Gryffindors nicht so recht über ihren Sieg freuen konnten.
Mit ziemlich verdrießlicher Miene schüttelte Joe dem Kapitän des Ravenclawteams, Matthew Parker die Hand. Einige Minuten später stieg Albus von der Tribüne und überreichte ihm den mit gelben und bronzefarbenen Bändern geschmückten Quidditchpokal. Nach ein paar Minuten hatte sich auch bei Ginny und ihren Teamkameraden die erste Enttäuschung gelegt und sie gratulierte Julia und Oliver fair zum Gewinn des Pokals. "Es ist mir deutlich lieber, dass ihr gewinnt als wenn die Slytherins gewonnen hätten", kommentierte sie das Ergebnis. Julia lud sie sowie Harry, Ron und Hermine im Gegenzug zur Siegesfeier in den Ravenclawturm ein, was sie gerne annahmen.

Die Feier dauerte fast bis zwei Uhr morgens. Dann endlich kam Professor Flitwick in den Gemeinschaftsraum und schickte die Schüler zu Bett. Er war sehr gut gelaunt aufgrund des Pokalsiegs seines Hauses und daher beließ er es auch bei den Schülern aus Gryffindor und Hufflepuff bei einer strengen Ermahnung anstatt einer Bestrafung und so machten sich die vier schleunigst auf den Weg zum Gryffindor-Gemeinschaftsraum.
Die nächsten zwei Wochen blickten die Schüler immer wieder sehnsüchtig auf die Ländereien, auf denen man sich herrlich hätte sonnen können, wenn nicht die Abschlussprüfungen vor der Tür gestanden hätten. Tag für Tag saßen sie nun nach dem Unterricht entweder in der Bibliothek oder im Gemeinschaftsraum und büffelten für die Prüfungen.

Am letzten Freitag im Mai, dem 28., saßen sie vormittags allesamt im Zauberkunstunterricht, als sich die Tür des Klassenzimmers öffnete und Professor McGonagall eintrat.
"Entschuldigen Sie die Störung, Filius, aber Professor Dumbledore möchte Mr. Potter und Miss Granger unverzüglich in seinem Büro sprechen." Flitwick nickte und Harry und Hermine packten schnell ihre Sachen und folgten ihrer Hauslehrerin zum Büro des Schulleiters.
Den ganzen Weg über hatte Harry dunkle Vorahnungen. War etwas passiert? Hatten seine Eltern einen Unfall gehabt? Oder sein oder Hermines jüngeres Selbst? Stimmte etwas mit den Zwillingen nicht? Beinahe geistesabwesend ließen er und Hermine sich die Wendeltreppe hinauftragen, während Professor McGonagall sie nicht ins Büro begleitete. Mit beklommenem Herzen schloss Harry die Tür hinter sich und wandte sich an den Schulleiter.
"Was ist passiert, Albus?"

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