Winterspaziergang 1/2

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Nachdem Ginny, Ron und Remus zusammen mit Teddy und Klein-Hermine zurück zum Schloss gegangen waren, herrschte ein paar Sekunden eine etwas peinliche Stille, die Julia schließlich unterbrach.

"Wollten wir nicht eigentlich um den See herumgehen? So weit sind wir ja noch nicht gekommen." Sirius stimmte dem Vorschlag freudig zu und so gingen sie nebeneinander am Ufer entlang.
Sirius fiel kein Thema ein, mit dem er eine Unterhaltung beginnen konnte; Julia machte ihn irgendwie nervös. "Was ist nur mit mir los", dachte er sich. "Normalerweise hab ich doch nie Schwierigkeiten, mit hübschen Frauen zu reden und zu flirten und jetzt trau ich mich nicht mal, mit ihr zu reden?" Allerdings hatte ihn auch schon seit Jahren kein Mädchen mehr so fasziniert wie diese hübsche Ravenclaw mit dunkelbraunen Haaren, auch wenn er sie eigentlich kaum kannte.

Wieder war es Julia, die die Stille durchbrach. "Was machst du eigentlich beruflich, Sirius? Ich meine abgesehen davon, dass du gegen V-Voldemort kämpfst?
Sirius lachte auf. "Naja, in den letzten Jahren war das quasi mein Beruf. Nach meinem Abschluss hier vor dreieinhalb Jahren hab ich eine Ausbildung zum Auror angefangen. Die dauert normalerweise drei Jahre. Aber vor zwei Jahren hab ich sie dann abgebrochen, um mich auf den Kampf gegen Voldemort und seine Todesser zu konzentrieren."

"Und was machst du jetzt, wo er besiegt ist?"
"Puhhh... Darüber hab ich noch gar nicht nachgedacht. Vielleicht steige ich wieder in die Aurorenausbildung ein. Da werden sicher viele gesucht, weil auch viele den Todessern zum Opfer gefallen sind. Wie sieht's bei dir aus? Hast du schon eine Vorstellung, was du nach Hogwarts machen willst?"
"Das gleiche wie du", sagte Julia lächelnd. "Ich will Aurorin werden."
"Pah, denk dir was eigenes aus!", lachte Sirius und bekam dafür einen Hieb in die Rippen. "Hast du einen besonderen Grund für diesen Berufswunsch?"
Julia nickte. "Meine Familie. Mein Vater war auch Auror, ebenso mein Onkel und seine Frau."
"War?", hakte Sirius vorsichtig nach. "Ja, war. Letzten Sommer waren die drei zusammen bei einem Einsatz und wurden von Todessern überfallen. Mein Onkel und seine Frau wurden getötet und mein Vater wurde so schwer verletzt, dass er zwei Monate im St. Mungo lag und nie wieder als Auror arbeiten kann. Seitdem hoffe ich, irgendwann einmal die Mörder meines Onkels und meiner Tante in die Finger zu kriegen."

"Das ist wirklich bewundernswert", sagte Sirius. "Viele andere hätten sich davon abschrecken lassen."
Julia schnaubte. "Niemals! Mein Vater ist zwar nicht glücklich darüber, aber er akzeptiert meinen Wunsch." Sie blickte wieder Sirius an. "Was war bei dir der Grund dafür, dass du Auror werden wolltest? Auch deine Familie?"
Sirius schnaubte belustigt. "Kann man so sagen. Aber in genau entgegengesetzter Hinsicht wie bei dir."
"Was meinst du damit?", fragte Julia verdutzt. Sirius zögerte und rang mit sich. Normalerweise redete er nicht sehr gerne über seine Familie, besonders nicht mit Menschen, denen er nicht zu hundert Prozent vertraute. Andererseits hatte er das Gefühl, Julia vertrauen zu können, ohne dass er sich erklären konnte, warum genau. Er fühlte sich in ihrer Nähe einfach wohl. Also begann er zu reden.

"Na schön, ich erzähl dir von meiner Familie. Wenn du am Ende nicht schreiend weggelaufen bist, dann kann dich nichts erschrecken." Er grinste leicht und sprach weiter. 

"Also, der Vergleich ist zwar ziemlich ausgelutscht, aber er stimmt trotzdem: Die Familie Black ist genauso dunkel wie ihr Name. Seit Generationen waren alle aus meiner Familie im Haus Slytherin. Meine Eltern sind dem Wahn vom reinen Blut verfallen und haben ein Faible für schwarze Magie. Sie haben mir immer eingebläut, dass nur reinblütige Zauberer es wert sind, zaubern zu dürfen. Muggelstämmige gehören ihrer Meinung nach ausgelöscht oder eingesperrt und Muggel sind sowieso Abschaum. Dies ging so weit, dass sie sogar jahrelang Voldemort finanziell unterstützt haben. Mir waren diese Gedanken schon immer zuwider. Ich konnte und wollte nicht verstehen, was an unseren Muggelnachbarn so schlimm sein soll. Als ich dann nach Hogwarts kam, war ich der erste Black seit Jahrhunderten, der nicht nach Slytherin kam, sondern nach Gryffindor. Eine Schande in den Augen meiner Eltern, zumal ich mich bei meinen Freunden in keinster Weise um den Blutstatus scherte. Als ich sechzehn war, bin ich dann abgehauen, zu meinem besten Freund, woraufhin meine Eltern mich aus der Familie ausgestoßen haben. Ich war für sie quasi nicht mehr existent. Die anderen Mitglieder meiner Familie sind dagegen fast alle auf der dunklen Seite geblieben. Eine meiner Cousinen zum Beispiel war die engste Vertraute und treueste Anhängerin Voldemorts. Ich bedauere es nicht wirklich, dass sie gestern Nacht umgekommen ist. Eine andere Cousine war mit einem Todesser verheiratet. Selbst mein Bruder – nun das ist etwas komplizierter. Er war wohl verblendet von den Ansichten meiner Eltern und hat sich den Todessern angeschlossen. Später aber hat er sich von ihnen abgewandt und hat sich selbst aufgeopfert, um Voldemort zu stürzen, wie ich erst vor einigen Wochen herausgefunden habe. Nun, das sind die Gründe, warum ich Auror werden wollte. Ich verabscheue meine Familie – zumindest den größten Teil davon – und wollte immer gegen ihr Weltbild ankämpfen."

Damit schloss er seinen Bericht. Die ganze Zeit über hatte er Julia nicht angesehen. Er wollte keine Abscheu in ihren Augen sehen. Jetzt aber sah er ihr zögernd ins Gesicht. Abscheu war nicht darin zu lesen, eher Mitgefühl, Bewunderung und noch etwas viel Sanfteres, Zärtlicheres.

"Nun, wie du siehst, bin ich nicht schreiend weggerannt", sagte sie lächelnd. "Im Gegenteil. Ich finde es bewundernswert, dass du trotz dieser ... nun ja, schlechten Voraussetzungen so ein mutiger und loyaler Mensch geworden bist. Deine Freunde können sich wirklich glücklich schätzen!"
Sirius grinste. "Ist es nicht Ironie, dass ich, der einzige Black, der sich gegen die dunklen Künste gestellt hat, das schwarze Schaf der Familie Black sein soll? Ich sage immer, ich bin das einzige weiße in einer Herde von schwarzen Schafen."
"Och, da bist du mir als schwarzes Schaf lieber. Die Haarfarbe steht dir", sagte Julia und grinste verschmitzt. "Ich hatte mal zwei Katzen, eine schwarze und eine weiße. Und die schwarze war mir deutlich lieber. Die weiße hat mich immer gekratzt und angefaucht."

Sirius blieb stehen und verschränkte die Arme. "Willst du mich etwa mit einer Katze vergleichen? Pah!", fragte er mit gespielter Empörung.
"Was? Nein!", rief Julia erschrocken, die den Schalk in seinen Augen übersah. "Nein, Sirius, tut mir leid. So war das nicht gemeint." Angesichts ihrer Entschuldigungsversuche konnte Sirius seine beleidigte Miene nicht lange aufrechterhalten und lachte los. Julia erkannte erst jetzt, dass er sie auf den Arm genommen hatte und boxte ihm in die Seite.
"Aber im Ernst, ich bin doch keine Katze", sagte Sirius, als er sich beruhigt hatte. "Wenn schon ein Tier, dann lieber ein Hund."
"Was meinst du damit?", fragte Julia irritiert.
Sirius zuckte mit den Schultern. "Ich mag Hunde."
"Hast du denn welche?"
"Von Zeit zu Zeit kommt einer zu mir, der bei mir in der Gegend herumläuft", sagte Sirius nach kurzem Zögern. "Und du? Magst du Hunde?"
"Ich mag eigentlich fast alle Tiere", erwiderte Julia.

Inzwischen hatten sie den See zu zwei Dritteln umrundet. Dort endete der reguläre Weg. Das letzte Drittel der Strecke mussten sie durch den Verbotenen Wald laufen, der direkt an den See grenzte. "Außer in Pflege magischer Geschöpfe und einmal bei einer Strafarbeit war ich noch nie tiefer als ein paar Meter im Verbotenen Wald", gestand Julia. "Also immer zusammen mit einem Lehrer."
Sirius lachte. "Tja, ich bin zwar kein Lehrer, aber ich glaube nicht, dass uns was passiert. Zumindest, wenn wir in der Nähe des Sees bleiben."
Nach etwa zehn Minuten bog Sirius allerdings nach links ab und bedeutete Julia, ihm zu folgen. "Wollten wir nicht in der Nähe des Sees bleiben?", fragte sie irritiert.
"Ich will dir was zeigen", erklärte Sirius. "Keine Angst, hier lauern keine besonderen Gefahren. Vertrau mir!"

Nach einigen Minuten erreichten sie ihr Ziel. Es war eine Lichtung; fast kreisrund mit einem Durchmesser von etwa fünfzig Metern. In der Mitte erhob sich ein leichter Hügel. Die Schneefläche war vollkommen unberührt und leuchtete aus der schon dämmrigen Umgebung heraus. Sowohl Julia als auch Sirius waren hingerissen von der Schönheit.
"Das ist wunderschön", flüsterte sie.
"Im Sommer kann man hier herrlich in der Sonne liegen und entspannen", flüsterte Sirius zurück. Auch er wollte die absolute Stille des Waldes nicht stören.

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