Winterspaziergang 2/2

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"Du warst schon deutlich häufiger als ich im Verbotenen Wald, hab ich recht?", fragte Julia und grinste leicht.
"Ja, das ist wohl wahr", bestätigte Sirius schmunzelnd. "Für uns Rumtreiber war der Verbotene Wald fast schon ein zweites Zuhause."
"Rumtreiber! Natürlich!", rief Julia aufgeregt. "Daher kam mir dein Name so bekannt vor!"
"Ach, tat er das?", fragte Sirius grinsend.
"Ja, natürlich. Die Streiche der Rumtreiber sind ja legendär. Habt ihr nicht mal dafür gesorgt, dass alle Männer für einen Tag zu Frauen werden und umgekehrt?"


Jetzt lachte Sirius lauthals. "Ja, das war unser krönender Abschluss. Der Abschlussstreich an unserem letzten Schultag. Und das Beste war, dass McGonagall uns kein Nachsitzen aufbrummen konnte, weil wir danach ja keine Hogwartsschüler mehr waren. Sie sah aber auch zu lustig aus mit Vollbart in ihrem männlichen Gesicht." Er grinste versonnen bei dieser Erinnerung. "Unser Ruhm hat sich also bis heute gehalten?"

"Das hat er", bestätigte Julia. "Zumindest unter den Älteren. Es waren doch Sirius Black, James Potter, ähmmm ... Remus Lupin und ... da war doch auch noch ein vierter dabei, oder?"

Sirius Gesicht verdüsterte sich. "Pettigrew", knurrte er.
"Ja, richtig", erwiderte Julia. "Was ist mit ihm?", fragte sie irritiert, als sie Sirius düstere Stimme wahrnahm.
"Diese miese kleine Drecksratte ist ein Todesser geworden. Hat uns jahrelang ausspioniert und hat schließlich Lily und James an Voldemort verraten. Um ein Haar wären sie seinetwegen ermordet worden!"
"Oh Merlin!", flüsterte Julia erschüttert. "Wie kann man nur so seine Freunde verraten?"
"Pah", schnaubte Sirius verächtlich und schüttelte den Kopf. "Ich hab keine Ahnung! Er war ein Feigling und wollte sich daher mit beiden Seiten gutstellen."
"Und ähm ... ist er jetzt in Askaban?", hakte Julia nach.
"Nein, er ist tot", erwiderte Sirius knapp. "Nach seinem Auffliegen hat Voldemort ihn umgebracht, weil er als Spion nutzlos geworden war. Aber für mich ist er schon im Moment seines Verrats gestorben."

Eine Weile schwiegen beide in Gedanken versunken. Dann gingen sie zurück zum eigentlichen Rundweg um den See. Plötzlich hörten sie ein Rascheln und Fußgetrappel vor sich. Sie sahen auf und blickten direkt auf einen Pfeil, der auf sie beide gerichtet war. Julia griff instinktiv nach Sirius' Hand. Auch der war zunächst sehr erschrocken, entspannte sich aber etwas, als er sah, wer da vor ihm stand.

"Guten Tag, Firenze", sagte er und hob die Hände, um zu zeigen, dass er unbewaffnet war. "Wie geht es Ihnen? Sie wollen doch nicht auf uns schießen, hoffe ich."
Firenze senkte jetzt seine Armbrust. "Ah, der junge Black! Wie schön, Sie einmal wiederzusehen. Verzeiht bitte meine Vorsicht, aber in diesen Tagen kann man nicht achtsam genug sein. Es sind dunkle Zeiten." Er blickte nun neugierig zu Julia. "Darf ich fragen, wer diese reizende Lady ist, die Sie begleitet?"
Nun fand auch Julia ihre Stimme wieder. "Ju... chrmmm chrmmm ... Julia O'Malley, Sir", sagte sie leicht zitternder Stimme.
"O'Malley, hm?", erwiderte Firenze. "Ist es dann Ihr Bruder, der mir schon hin und wieder begegnet ist?"
"Das ... das ist gut möglich ", sagte Julia.
"Wie geht es Ihnen; Firenze?", fragte Sirius nun erneut.
"Es sind dunkle Zeiten", antwortete Firenze wie gewohnt nebulös. "Der Mars schien hell in den letzten Wochen. Besonders heute Nacht. Es ist Blut vergossen worden."

"Das ist wahr", bestätigte Sirius düster. "Sehr viel Blut. Aber es gibt auch Grund zur Freude. Voldemort ist in der letzten Nacht besiegt worden. Er ist tot."
Firenze war sehr verblüfft. "Er, dessen Namen nur so wenige auszusprechen wagen, ist besiegt worden? Nun, auch wenn wir Zentauren uns gewöhnlich nicht in Angelegenheiten der Zauberer einmischen, komme ich nicht umhin, darüber sehr erleichtert zu sein. Seine finsteren Armeen haben ihre Schatten auch bis tief in unseren Wald geworfen."

"Auf Wiedersehen, Firenze", sagte Sirius; auch Julia verabschiedete sich und sie wollten weiter gehen.
"Lebet wohl, Mr. Black und Lady O'Malley", erwiderte Firenze. "Ich möchte Ihnen raten, in nächster Zeit den Wald nicht zu betreten. Die anderen Zentauren sind zurzeit nicht gut auf Zauberer zu sprechen. Sie gestatten es nur Hagrid und Professor Dumbledore, den Wald zu betreten."
"Vielen Dank für die Warnung, Firenze", antwortete Sirius höflich. "Wir werden sie beherzigen." Damit verabschiedeten sie sich endgültig von dem Zentaur und gingen weiter. Von da an liefen sie immer möglichst dicht am Seeufer entlang.

Inzwischen war die Dunkelheit über den Wald hereingebrochen und sie konnten ihre Umgebung nur noch schemenhaft erkennen. Sirius beunruhigte das nicht, er war früher häufig im Dunkeln im Wald gewesen, doch er spürte, dass Julia recht angespannt war. Seit ihrer Begegnung mit Firenze hatte sie seine Hand nicht losgelassen, auch Sirius machte keine Anstalten, sie abzuschütteln.
Als sie dreiviertel des Weges durch den Wald hinter sich gebracht hatten, stoppte er auf einmal und zog Julia hinter einen sehr dicken Baum. Er sah, dass sie eine Frage stellen wollte, doch er schüttelte den Kopf und legte einen Finger auf seine Lippen. Langsam beugte er sich gemeinsam mit Julia zur Seite, sodass sie an dem Baum vorbeisehen konnten. Sie sahen auf eine kleine Lichtung. Der Wald wich ein paar Meter vom Ufer zurück und ein kleiner Bach schlängelte sich durch das Gras zum See. Zwei Einhörner standen am Bach und tranken.

Eines war ausgewachsen, das andere hatte ein silbriges Fell und nur den kurzen Ansatz eines Horns. "Oh, sind die schön!", hauchte Julia ergriffen.
"Das sind sie", bestätigte Sirius ebenfalls flüsternd. "Aber wir können nicht vorbei. Das ältere könnte uns angreifen. Besonders, wenn das kleine sein Fohlen ist."
"Das glaube ich nicht", widersprach Julia. "Das Horn wächst ihnen erst mit vier Jahren. Das ist kein Fohlen mehr."
In diesem Moment verlor Sirius das Gleichgewicht und kippte zur Seite weg. Julia schlang einen Arm um seine Schultern und konnte ihn gerade noch halten, doch durch die Gewichtsverlagerung brach ein Ast unter Sirius Schuh mit einem lauten Knacken durch. Augenblicklich schreckten die beiden Einhörner auf und jagten durch die Bäume davon. Ein paar Sekunden blieben Julia und Sirius wie erstarrt, dann richteten sie sich auf und liefen vorsichtig weiter.

Julia hatte ihren Arm noch immer um Sirius Taille gelegt. Er hatte überhaupt nichts dagegen und tat es ihr gleich. Arm in Arm verließen sie zehn Minuten später den Verbotenen Wald und gingen hinauf zum Schloss. "Das war ein sehr unterhaltsamer Spaziergang", bemerkte Julia.
"Hat er dir denn gefallen?", fragte Sirius.
"Auf jeden Fall", erwiderte Julia. "ich hab heute mehr über den Verbotenen Wald gelernt als in den sieben Jahren zuvor. Mit dir wird es sicher nie langweilig."
Sirius lachte. "Das Kompliment kann ich nur zurückgeben."
Sie sahen sich an. Er wollte sie küssen, doch aus irgendeinem Grund fühlte er sich gehemmt. So grinste er nur, legte ihr wieder einen Arm um ihre Taille und sie stapften die letzten Meter zum Schloss hoch. Einen Moment lang hatte er den Eindruck, einen Hauch von Enttäuschung in ihren Augen zu sehen. Innerlich schüttelte er über sich selbst den Kopf. Was war nur mit ihm los? Er hatte sich doch nie gescheut, ein Mädchen zu küssen, wenn sie ihm gefiel.

Vielleicht, so dachte er, lag es daran, dass er drei Jahre älter war als sie, sie nicht unter Druck setzten und sie den ersten Schritt machen lassen wollte. Er wollte sie auf nicht verschrecken, war er doch schon nach einem Tag von ihr so sehr fasziniert wie schon seit vielen Jahren von keinem anderen Mädchen. Alles in allem doch ganz zufrieden mit sich betraten sie die Eingangshalle, wo sie auf Hermine, Ron, Harry und Ginny trafen.

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