Butterbier

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Julia legte ihren Kopf an seine Schulter und Sirius legte einen Arm um sie. Eine Weile schwiegen sie beide und schauten auf Hogsmeade und die Heulende Hütte hinab.
"Das ist auch ein Ort, wo ich noch nie war", sagte Julia unvermittelt. "Die Heulende Hütte. Man kommt ja nicht rein."
"Würdest du denn gerne da rein?", fragte Sirius überrascht.
"Ja, schon", erwiderte Julia. "Es wird ja immer erzählt, dass es da spukt oder so, aber ich habe noch nie etwas von dort gehört. Und überhaupt, was sollten einem Geister schon groß anhaben?"
Sirius kicherte belustigt. "Du gefällst mir immer mehr", sagte er. "Wärst du in unserem Jahrgang gewesen, hätten wir dich auf der Stelle bei den Rumtreibern aufgenommen. Du möchtest also in die Heulende Hütte. Na schön! Dein Wunsch sei mir Befehl!"
Julia sah ihn überrascht an. "Du weißt, wie man reinkommt? Warst du etwa schon mal da drin? Aber die Türen und Fenster sind doch mit Flüchen versiegelt."
"Es gibt einen Geheimgang", erwiderte Sirius schmunzelnd.

"Na dann los!", sagte Julia und wollte aufstehen, doch Sirius schüttelte den Kopf.

"Nicht heute, das würde zu lange dauern. Wir müssten erst ganz bis nach Hogwarts zurück."
"Wieso nach Hogwarts?" "Dort liegt der Eingang zu dem Geheimgang. Er liegt versteckt unter der Peitschenden Weide. Aber jetzt ist es schon viertel nach zwei. Und um drei wollten wir uns ja mit den anderen in den drei Besen treffen."
"Gehen wir dann morgen dahin?"
"Gerne", antwortete Sirius und lachte. "Das wird dann schon fast 'ne Tradition. Jeden Tag ein lebensgefährlicher Ausflug."
"Wenn wir uns immer gegenseitig das Leben retten", erwiderte Julia lächelnd.
"Ah, du meinst, damit wir uns dann immer gegenseitig bedanken können?", grinste Sirius und küsste sie wieder. "Aber im Ernst: Die Heulende Hütte ist nicht gefährlich. Zumindest nicht, wenn sie sich nicht verändert hat in den letzten vier Jahren."

Wieder schwiegen sie eine Weile. "Sag mal, Sirius", fragte Julia auf einmal, "Harry, Ron, Hermine und Ginny sind ja nicht in Hogwarts zur Schule gegangen, haben sie gesagt. Und ich hab sie zuvor auch noch nie gesehen. Aber wieso kennen sie sich dann so gut im Schloss aus? Besser als fast jeder andere? Gestern haben sie einen Geheimgang benutzt, den ich in sieben Jahren noch nie entdeckt hatte. Wie ist das möglich?"
Sirius blies die Backen auf und ließ die Luft geräuschvoll wieder entweichen. "Das ist eine ... sehr lange, komplizierte und im wahrsten Sinne des Wortes fast unglaubliche Geschichte", sagte er schließlich. "Und es ist ihre Geschichte. Ich habe nicht das Recht, sie zu erzählen, das sollen sie selber tun." Er blickte Julia entschuldigend an. "Frag sie einfach. Ich könnte mir vorstellen, dass sie es dir erzählen, aber ich kann es nicht, tut mir leid."

Julia lächelte ihn an. "Das macht doch nichts. Und du meinst wirklich, sie erzählen mir die Geschichte?"
Sirius nickte. "Ich denk schon. Sie sind sehr ... vorsichtig aufgrund ihrer Erfahrungen im Kampf gegen Voldemort. Aber sie mögen dich und ich denke, sie halten dich für vertrauenswürdig. Abgesehen davon ist Voldemort jetzt sowieso Geschichte." Julia grinste und lehnte sich wieder an Sirius Schulter. 15 Minuten später machten sie sich auf den Weg zu den drei Besen. Inzwischen war ihnen die Kälte trotz der warmen Umhänge ganz schön in die Glieder gefahren und sie freuten sich auf ein wärmendes Butterbier.

Dort warteten bereits Hermine, Ron, Harry und Ginny auf sie. Sie hatten einen Tisch in der Nähe der Theke reserviert und Julia und Sirius setzten sich dazu. Gleich darauf kam Madam Rosmerta an ihren Tisch und nahm die Bestellungen auf. Sie alle bestellten sich erst einmal ein Butterbier. Madam Rosmerta sah jünger aus als Harry sie je gesehen hatte. Er schätzte sie auf Mitte Zwanzig und sie hatte wohlgeformte Rundungen an den richtigen Stellen. Insgesamt sah sie sehr attraktiv aus, war aber einfach nicht Harrys Typ. Ron dagegen schien das anders zu sehen. Er starrte ihr hinterher, als sie hinter die Theke verschwand. Hermine bemerkte es und versetzte ihm einem Schlag auf den Hinterkopf. Harry, Sirius und Ginny kicherten über sein einerseits verärgertes, andererseits schuldbewusstes Gesicht.

"Wie war euer Tag?", fragte Harry an Julia und Sirius gerichtet und rettete damit Ron aus seiner Verlegenheit.
"Gut", sagte Sirius knapp.
"Ich würde sagen, er war eines Rumtreibers würdig", ergänzte Julia trocken. Sie und Sirius sahen sich an und prusteten los.
"Was meinst du damit?", fragte Ginny verwirrt.
"Soll heißen, dass wir einem Graphorn begegnet sind", erklärte Julia. "Und um ein Haar hätten wir als sein Mittagessen geendet."
Sie sah in vier geschockte Augenpaare und Sirius führte die Erklärung fort. "Wir wollten uns die Höhle oben in den Bergen ansehen. Und - naja, wir haben sie auch gefunden. Blöderweise war sie schon besetzt und das Graphorn hat uns sofort angegriffen."
"Was habt ihr gemacht?", fragte Hermine atemlos und Julia erzählte von ihren Verteidigungsversuchen.
"Warum hat das Schwein eigentlich gebrüllt wie ein Löwe und nicht gequiekt?", fragte Sirius, als sie geendet hatte.
Julia zuckte die Schultern. "Keine Ahnung, ich war vielleicht ein bisschen abgelenkt. Ich weiß auch nicht, wovon."

Madam Rosmerta kam mit den dampfenden Butterbieren an ihren Tisch und sie alle tranken einen großen Zug. "Ahhh, herrlich!", seufzte Ron. "Das wärmt richtig durch!" Eine Weile unterhielten sie sich über dies und das und Julia wurde ins Gespräch eingebunden, als ob sie schon lange dazugehörte. Sie fühlte sich absolut willkommen bei Sirus' Freunden. Schließlich fasste sie sich ein Herz und stellte erneut die Frage, die ihr nicht aus dem Kopf ging.
"Sagt mal, ihr vier: Ihr habt ja gesagt, dass ihr nie in Hogwarts wart und ich hab euch auch noch nie da gesehen. Aber trotzdem kennt ihr euch im Schloss besser aus als die meisten Schüler. Wie kommt das?"
Sie hörte, wie Hermine zischend Luft einsog und sah, wie die Gesichter der anderen ausdruckslos geworden waren. "Sirius meinte, es sei eine lange und komplizierte Geschichte. Könnt ihr sie mir erzählen?"

Julia sah, wie Harry, Ron, Hermine und Ginny stumme Blicke tauschten und wie Harry auch Sirius mit den Augen fixierte. In dessen Augen lag eine stumme Bitte. Harry biss sich auf die Lippen.
"Nicht hier!", zischte er schließlich. "Wir erzählen es dir, aber nicht hier. Heute Abend im Schloss. Wenn wir ungestört sind." Julia war sehr neugierig, sie wollte aber Harry und seine Freunde nicht gegen sich aufbringen, also gab sie sich damit zufrieden.
Sie saßen noch fast eine Stunde in den drei Besen und tranken weitere Butterbiere, dann wollten sie sich auf den Weg zurück zum Schloss machen. Als sie ihre Getränke bezahlen wollten, wühlte Sirius erschrocken in seinen Umhangtaschen.
"Ach, verdammt!", stieß er hervor. "Ich hab mein Portemonnaie vergessen!" Er wandte sich an Harry, Ron, Hermine und Ginny. "Kann mir einer von euch das Geld auslegen?"

"Ich lad' dich ein", sagte Julia mit einem Lächeln, bevor irgendjemand anderes antworten konnte.
"Aber ...", hob Sirius an.
"Nix aber!", unterbrach ihn Julia. "Wer sagte denn dass immer nur der Mann die Frau einladen darf?"
Sirius schloss seinen Mund und grinste sie an. "Du willst doch nur, dass ich mich wieder bei dir bedanke, oder?"
"Ich weiß gar nicht, was du meinst", antwortete Julia unschuldig und ließ sich gerne von Sirius küssen.
"Herzlichen Glückwunsch!", rief Hermine erfreut, als sie das sah; auch die anderen beglückwünschten sie mit einem anerkennenden Grinsen. Zu sechst traten sie schließlich wieder nach draußen. Inzwischen hatte nicht nur der Wind zugenommen, es hatte auch angefangen zu schneien und der Schnee blies ihnen in ihre Gesichter. Bald schon brannten ihre Gesichter bald vor Kälte und an Sirius' Dreitagebart bildete sich eine Eiskruste. Sie waren wieder ziemlich durchgefroren, als sie gegen halb sechs das Schloss erreichten und wünschten sich, sie könnten noch ein heißes Butterbier trinken.

Julia verabschiedete sich und ging zu ihren Freunden in den Ravenclawturm. Die anderen fünf gingen in den Krankenflügel, wo sie schon erwartet wurden. Lily war guter Stimmung; Madam Pomfrey hatte sie gerade noch einmal untersucht und ihr erlaubt, für das Abendessen und den restlichen Abend den Krankenflügel zu verlassen. Die Nacht sollte sie aber sicherheitshalber doch wieder unter ihrer Obhut verbringen. Obwohl weder Sirius noch die anderen ein Wort darüber erwähnten, sah James am Funkeln in den Augen seines besten Freundes, dass er und Julia sich nähergekommen waren. Auch er klopfte ihm anerkennend auf die Schulter und gratulierte ihm.

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