Spannungsabfall

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"Wieso zu Petunia?", fragte Lily entsetzt. "Wir haben in unserem Testament festgelegt, dass du bei Sirius aufwachsen sollst, wenn uns etwas geschieht." Harry zögerte. Er wollte heute Nacht nicht die ganze Geschichte von Sirius' schwerem Schicksal ausbreiten.
"Das hatte verschiedene Gründe. Dumbledore war trotz Voldemorts Sturz sehr um meine Sicherheit besorgt. Er sah die Möglichkeit, den Schutz, der durch Lilys Opfer in meinem Blut lag, umfassend auszuweiten. Diese Erweiterung war aber nur dort möglich, wo das Blut meiner Mutter fließt. Und da Petunia ihre einzige lebende Blutsverwandte war, hat er entschieden, dass es das Beste sei, wenn ich bei ihr aufwachse."

Lily schien immer noch unglücklich. "Hat sie dich denn gut behandelt?" Eine unglaubliche Wärme breitete sich in Harry aus, als er die Sorge in der Stimme seiner Mutter hörte, eine Sorge, die ihm galt. Er antwortete diplomatisch.
"Ihre Erziehung hat mich gut auf das vorbereitet, was mich in Hogwarts erwartete." Dies war nicht gelogen. Wäre er ähnlich verwöhnt worden wie Dudley, dann hätte er sich niemals mit Ron und Hermine angefreundet. Und ohne die beiden hätte er im Kampf gegen Voldemort niemals bestehen können. Da Lily nichts über sein weiteres Schicksal wusste, fasste sie die Antwort positiv auf und war erleichtert.

Ganz plötzlich wurde Harry von seinen Gefühlen überwältigt. Er saß hier und sah zum ersten Mal seinen Eltern ins Gesicht und ihnen ging es gut. Mit ein wenig Glück würden sie den Krieg überstehen und er, Harry, würde eine glückliche Kindheit bei ihnen verleben. Das alles wurde ihm mit einem Mal bewusst und ohne dass er es verhindern konnte strömten ihm Tränen über die Wangen. Er sprang auf und warf sich seiner perplexen Mutter um den Hals und weinte hemmungslos.
"Endlich!", stammelte er. "Endlich kann ich euch sehen und mit euch reden. Zum ersten Mal in meinem Leben! Ihr habt mir so gefehlt! Ich hab euch lieb, Mum, Dad!" Leicht verwirrt tätschelte Lily seinen Rücken und versuchte, ihn zu beruhigen. Als sich Harry nach ein paar Minuten von Lily löste, schloss er auch seinen Vater in die Arme, der die Umarmung verdutzt erwiderte.

Nach einigen Minuten beruhigte sich Harry wieder und setzte sich wieder auf seinen Platz. Ginny legte beruhigend eine Hand auf sein Bein, wofür er sehr dankbar war. Jetzt im Nachhinein war ihm sein Gefühlsausbruch etwas unangenehm und so wollte er rasch fortfahren. Er sammelte sich kurz, dann sprach er weiter.
"Aber um auf eure ursprüngliche Frage nach den Visionen zurück zu kommen: Durch Voldemorts Angriff auf mich ist eine gewisse ... Verbindung zwischen uns entstanden. So konnte ich wie er Parsel sprechen. Außerdem kann ich eben spüren, wenn er in der Nähe ist, oder wenn er gerade von besonders starken Gefühlen durchströmt wird. Ich sehe dann, was er in dem Moment gerade tut. Eben habe ich gesehen, wie er in eurer Eingangshalle stand und Peter gefoltert und getötet hat. Und offenbar auch die Katze, die lag neben Peter. Das ist eine ziemlich unangenehme Erfahrung, aber ich habe inzwischen gelernt, sie zu meinem Vorteil zu nutzen. Denn durch diese Einblicke in seine Gedanken kann ich manchmal erkennen, was er plant. Und es ist immer hilfreich zu wissen, was der Feind plant", schloss er grimmig.

Lily und die Rumtreiber waren erschüttert, doch Remus hakte irritiert nach. "Sagtest du nicht, Voldemort sei gestorben, als der Fluch auf ihn zurückprallte? Wie kannst du dann diese Erfahrung schon häufiger gemacht haben?"
Harry schüttelte den Kopf. "Er ist nicht gestorben, er ist lediglich für viele Jahre von der Bildfläche verschwunden. Im Moment kann er nicht getötet werden oder sterben." Harry sah, dass sowohl Remus als auch James genauer nachfragen wollten. Er schüttelte aber den Kopf. "Warum er zur Zeit nicht sterben kann, ist eine sehr lange und komplizierte Angelegenheit. Ich verspreche euch, dass ich sie euch erzähle, aber nicht heute Abend, dafür bin ich jetzt zu müde und ihr wahrscheinlich auch."

James nickte und auch Remus ließ es dabei bewenden. Harry merkte, wie die Wirkung des Stärkungstranks langsam nachließ und fuhr schnell fort. "Zum Ende meines vierten Schuljahres ist Voldemort zurückgekehrt. Seitdem habe ich des Öfteren Visionen von ihm erlebt. Aber genug davon! Ich für meinen Teil bin jetzt ziemlich erledigt und sehne mich nach einem weichen Bett. Hast du was dagegen, wenn wir schlafen gehen, Sirius? Gibt es hier genug Betten? Ich würde sonst auch auf dem Sofa pennen."
"Das ist nicht nötig", antwortete der Hausherr. "Das ist das alte Haus meines Onkel Alphard. Ich hab hier genug Schlafzimmer für alle. Und auch das Kinderbett kann ich verdoppeln." Ginny schloss den Mund wieder, da Sirius ihre Frage schon beantwortet hatte. Er wollte gerade aufstehen, um ihnen die verschiedenen Zimmer zu zeigen, als ein silberner Phönix durch die Wand brach. Er flog zu Remus, öffnete den Schnabel und sprach mit Dumbledores Stimme.

"Lieber Remus, ich muss dir leider eine grauenhafte Nachricht überbringen. Voldemort ist es gelungen, in das Haus der Potters einzudringen. Er hat sie offenbar alle getötet und ihre Leichen verschwinden lassen. Nimm dich in Acht, Remus! Sirius hat seine Freunde kaltblütig an Voldemort verraten und wird nicht davor zurückschrecken, auch dich zu beseitigen, jetzt, da seine Tarnung aufgeflogen ist. Tue bitte nichts Unüberlegtes! Ich werde morgen zu dir kommen. Du hast mein tiefes Mitgefühl! Albus"

Einige Sekunden herrschte dröhnende Stille. Dann fing James an zu kichern und steckte damit zuerst Sirius und dann auch alle anderen an. Schließlich hallte dröhnendes Gelächter durch den Raum. Alle Anspannung, die sich in den vergangenen 2 Stunden angestaut hatte, entlud sich in diesem Moment. Sie lachten und lachten und konnten erst aufhören, als ihnen Tränen die Wangen herunterliefen und ihre Bäuche wehtaten.
"Der war gut!", keuchte James und wandte sich grinsend an Remus. "Du hast es gehört, Moony! Nimm dich vor Tatze in Acht, sonst wird dich beim nächsten Vollmond ein großer schwarzer Hund ins Bein beißen!"
Remus antwortete ebenso grinsend. "Dann wird dieser Hund danach mit seinem Flohhalsband an den nächsten Baum angebunden. Und jetzt ab ins Körbchen, Schnuffel, sonst gibt es kein Leckerli!" Sirius wandte mit empörtem Gesicht ab, was die anderen wiederum zum Lachen brachte.

Dann wurde Remus wieder ernst. "Aber jetzt mal Spaß beiseite: Wir sollten Albus über dieses Missverständnis aufklären; so ein Gerücht hält sich hartnäckiger, als einem lieb ist, wenn es sich erst einmal festgesetzt hat." Die Zeitreisenden nickten bestätigend und Remus hob seinen Zauberstab und beschwor seinen Patronus herauf. Als der silberne Wolf vor ihm stand, gab er ihm die Nachricht für Dumbledore mit.

"Lieber Albus, danke für die Warnung. Jedoch bist du einem Irrtum erlegen. Zum Einen sind Lily, James und Harry nicht tot, zum Anderen war nicht Sirius, sondern Peter ihr Geheimniswahrer; sie haben in letzter Minute getauscht. Ich sitze hier mit Sirius, Lily und James am Kamin und allen geht es gut. Sie sind Voldemort entkommen. Ich melde mich morgen wieder. Remus"

Als Remus seine Nachricht gesprochen hatte, verschwand der Wolf mit schnellen Sprüngen durch ein Fenster. Nun erhoben sie sich nacheinander und Sirius führte sie die Treppe nach oben. "Ich hab hier fünf Gästezimmer, drei mit einem Doppelbett und zwei Einzelzimmer. Teilt euch auf, wie ihr wollt." Remus nahm das Einzelzimmer in Beschlag, Lily und James gingen zur nächsten Tür.
"Du hast hier doch ein Kinderbett rumstehen, oder?", fragte Lily.
"Oh, richtig", fiel Ginny ein, "Teddy braucht ja auch eins."

Sirius ging zu einer Abstellkammer, zog ein Kinderbett hervor und richtete seinen Zauberstab darauf. "Geminio!", sagte er und einen Augenblick später standen zwei identische Kinderbetten vor ihm. James ließ das eine vor sich her in das Zimmer schweben, dass er mit Lily belegt hatte. Ginny ließ das andere in ein weiteres Zimmer schweben, in das ihr Harry folgte. Hermine und Ron nahmen den vierten angebotenen Raum. Harry legte den schlafenden Teddy in das Kinderbett und verwandelte seine Kleidung in einen leichten Strampelanzug gab ihm einen Kuss auf die Stirn. Anschließend zog er sich aus und legte sich mit T-Shirt und Boxershorts zu Ginny ins Bett. Er drehte sich zu ihr um und wollte ihr eine gute Nacht wünschen, doch sie war bereits eingeschlafen. Auch er konnte die Augen nicht mehr lange offen halten und war nur wenige Momente später mit Ginny im Arm eingeschlafen.

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