Der erste Abend

2.5K 97 2
                                    

Leise legte ich das Buch auf das Nachtkästchen und ging in mein Zimmer, wo ich mir erstmal ein warmes Bad einließ und eine halbe Stunde vor mich hinschrumpelte. Etwas entspannter stieg ich aus der Badewanne, föhnte schnell meine karamellbraunen Haare durch und zog eine graue Jogginghose und ein viel zu großes weißes NewYork T-Shirt an. In den gemütlichen Sachen warf ich mich aufs Bett, als meinem Körper auffiel, dass er doch noch ziemlichen Durst hatte, weshalb ich beschloss mich nach unten zu schleichen um mir etwas zu trinken zu holen. Auf leisen Sohlen ging ich nach unten und lugte in die Küche, die verlassen war, weshalb ich mir ein Glas suchte und mir etwas Wasser einschenkte, das ich gleich austrank. Ich füllte das Glas noch einmal an und wollte gerade trinken, als jemand hinter mir, „ Huh, entschuldige, ich dachte ich hätte vorhin das Licht nicht ausgeschaltet", sagte und mich damit so sehr erschreckte, dass ich das Glas fallen ließ, das mit einem lauten Scheppern am Boden zersprang. „Scheiße!", fluchte ich und begann die Scherben aufzusammeln, als sich eine Hand in mein Gesichtsfeld streckte und mir jemand half. „Danke, aber du musst mir nicht helfen.", meinte ich und dachte daran, wie abgefuckt ich hier herumrannte. „Doch klar. Ich bin schließlich Schuld gewesen. Tut mir übrigens Leid, ich hatte nicht damit gerechnet dass jemand in der Küche ist und da dachte ich, ich hätte das Licht angelassen.", lächelte er und schmiss die großen Scherben in den Mistkübel. „Kein Ding, ich dachte hald nicht dass noch jemand in der Küche ist. Wir sind offensichtlich beide große Denker.", antwortete ich und stand auf, um nach der Abstellkammer zu suchen, in der sicherlich ein Besen wäre. „Was suchst du?", fragte der Typ - der sich offensichtlich noch nicht vorgestellt hatte- und bemerkte dass ich mich umsah. „Die Abstellkammer.",murmelte ich und ging in Richtung einer Tür. „Das geht aber ganz schön schnell.Sollten wir uns nicht erst mal vorstellen?", scherzte er, wobei ich den Witz nicht kapierte und deshalb mit gerunzelter Stirn, „ Was?", murmelte. Da er jetzt laut lachte, drehte ich mich um und sah ihn an. Er hielt meinem Blick mit hochgezogenen Augenbrauen und einem süffisantem Lächeln stand, bis es Klick in meinem Kopf machte und ich erst rot anlief und dann selbst laut lachen musste, bevor ich sagte „ Achso meintest du das! Klar, ich bin Alex." „Nett dich kennenzulernen Alex, ich bin Nuri, ein Kollege von Mats.", stellte er sich vor und gab mir die Hand. „Dachte ich mir bereits, dass du einer der ‚Jungs' bist.", grinste ich und öffnete dann die Tür, hinter der ich die Abstellkammer vermutete. „Das ist übrigens die Speisekammer... Also falls du nicht etwas kochen willst oder so, bist du hier falsch.", lachte Nuri hinter mir, woraufhin ich mich mit verschränkten Armen umdrehte und gespielt genervt fragte, „ Toll Mr. Klugscheißer, dann können Sie mir sicherlich sagen wo die Abstellkammer ist?" „Aber natürlich, hübschen Nannys zeige ich am liebsten die Abstellkammer.", zwinkerte er und ging aus der Küche raus zur zweiten Türe links. „Das war gerade ziemlich zweideutig Nuri.", lachte ich und folgte ihm dann, um einen Besen zu holen. „Ein bisschen vielleicht.", erwiderte er und half mir dann dabei, die restliche Scherben wegzukehren. „Ey Sahin, was brauchst du denn so lange? Bist du ins Klo gefallen?", rief plötzlich eine Stimme aus dem Wohnzimmer. „Klappe Reus, es ist nicht jeder so ein Idiot wie du und fällt da rein.", schrie Nuri und zuckte dann in meine Richtung mit den Schultern. „Na die gehen ja nett miteinader um... Papa hat doch auch so einen Reus erwähnt, als ich ihm von meinem Job erzählt hatte. Reus, Reus, Reus....Achja das ist dieser Linksaußen von Dortmund... Ein Badboy wie Papa meinte.", dachte ich und schüttelte leicht den Kopf. Es interessierte mich eigentlich gar nicht wer oder was dieser Reus war. Ich meine ich war keine Fußballhaterin,aber eine Fanatikerin so wie meine Brüder war ich auch nicht, weshalb es mir auch völlig egal war, als mein Vater mir erklärte dass Mats ein Jahrhundertverteidiger des BVB's sei. Er verdiente sein Geld eben als Fußballer, ich meines als Kindermädchen, so spielte das Leben, es kann ja auch nicht jeder dasselbe machen. Da Nuri ein Kollege von Mats war, spielte er sicherlich auch für Dortmund, deswegn dachte ich nach ob mein Vater auch etwas über einen Nuri erzählt hatte. Doch da mein Vater die Spieler bei ihren Nachnamen nannte, war es beinahe unmöglich sich daran zu erinnern ob mein Vater Nuri erwähnt hatte. Daran dass dieser Reus vorhin irgendetwas anderes als Nuri geschrien hatte, dachte ich gar nicht. Lächelnd ging ich zum Kühlschrank und nahm mir eine Flasche Wasser raus, „ Ich will ja hier keinen Scherbenfriedhof eröffnen." „Kommst du noch mit ins Wohnzimmer? Wir spielen Fifa.", fragte Nuri und deutete mit dem Kopf in Richtung der anderen Tür „Ach nein, ich bin ziemlich müde, aber nettes Angebot, danke.", erwiderte ich und schüttelte den Kopf. „Vielleicht nächstes Mal. Man sieht sich Alex.", verabschiedete er sich dann und ging zurück zu den anderen, nachdem er mir ein strahlendes Lächeln zugeworfen hatte. Langsam ging ich nach oben, trank beinahe die Hälfte der Flasche aus und verkroch mich ins Bett, wo ich beschloss meine Eltern anzurufen, um ihnen zu sagen dass alles gut war hier. „Alexandra!Endlich rufst du an, wir hatten schon Angst weil du dich nicht gemeldet hast,nachdem du gelandet bist.", begrüßte mich meine Mutter am Telefon. „Mama, ich bin doch kein Kind mehr, beruhige dich.", lachte ich und streckte meine Beine im Bett durch. „Na und, deswegen machen wir uns trotzdem Sorgen, Kind.",erwiderte sie. „Ja ich verstehe schon, tut mir Leid, Mama", murmelte ich und hoffte dass sie das Thema jetzt fallen lassen würde. „Ach Maria, jetzt lass das Kind doch mal! Erzähl Kleine, wie ist es bei den Hummels?", hörte ich meinen Vater dann sagen. „Ach Papa die Beiden sind so nett, das kannst du dir nicht vorstellen. Und der Kleine ist so niedlich, man möchte ihn auffressen. Danke nochmal Mama, dass du Cathys Tante von mir erzählt hast.", meinte ich und grinste glücklich. „Schätzchen, ich freue mich für dich wenn es dir gefällt.Ich wünschte nur du wärst nicht so weit weg.", erwiderte meine Mama und es klang beinahe so als würde sie es bereuen, dass sie ihrer besten Freundin erzählt hatte, dass ich nach meiner Rückkehr aus Amerika wieder einen Job als Nanny suchte. „Mama, es ist wirklich toll hier und ich bin ja nicht aus der Welt! Stell dir vor ich wäre immer noch in New York, das wäre weit weg.", sagte ich und dachte an die letzten 6 Jahre in New York. „Trotzdem...", fing meine Mutter an. „Nichts trotzdem Mama, Dortmund ist nicht aus der Welt ok?",unterbrach ich sie. „Maria, mach ihr doch nicht jetzt schon ein schlechtes Gewissen, sie ist erst einen Tag weg.", sagte mein Vater im Hintergrund, bevor er fragte, „ Und? Wie ist Hummels so?" „Papa!", meinte ich gespielt empört,musste dann aber kurz lachen. „Sein Name ist Mats und er ist ziemlich nett. Gar nicht arrogant, wie man sich eigentlich einen Fußballprofi vorstellen würde.",erzählte ich und hörte meinen Vater, „ Wusste ich es doch, dass der am Boden geblieben ist!", rufen. „Ja da hattest du echt Recht. Aber die meisten derJungs sind sicher nett.", lächelte ich und wusste noch im selben Moment, dass ich einen Fehler gemacht hatte, als mein Vater schon knurrte, „ Was heißt hier ‚die meisten der Jungs'? Wieso nennst du sie schon ‚die Jungs' und wie viele kennst du denn schon und wie gut vor allem?" Ich musste leicht lachen, „ Papa beruhige dich! Ich meinte nur, dass wenn Mats so nett ist, die anderen bestimmt nicht unsympathisch sind. Und ‚die Jungs' werden sie von Cathy genannt, das habe ich wohl einfach übernommen. Bis jetzt kenne ich nur Mats... Und einen Nuri habe ich vorhin in der Küche getroffen." „Nuri? Etwa Nuri Sahin?" „Weiß ich nicht?Ich habe ihn nicht nach seinem Ausweis und polizeilichen Führungszeugnis gefragt.", murrte ich. „ Circa 1,80m groß? Dunkle Haare, dunkler Bart?", fragte mein Vater weiter. „Ja so könnte man ihn beschreiben.", stimmte ich zu und dachte kurz an unseren Unfall in der Küche. „Dann war es bestimmt Sahin. Guter Mann.", lobte ihn mein Vater. „Ok, werde ich mir merken. Naja also ich bin ziemlich müde, deswegen werde ich jetzt mal schlafen gehen, in Ordnung? Ich melde mich die Tage mal. Gute Nacht Mama, Schlaf gut Papa.", meinte ich dann,da ich jetzt keinen Bock auf den BVB Fanatismus meines Vaters hatte und eigentlich wirklich ziemlich müde war. „Gute Nacht Schätzchen.", wünschten sie mir und legten dann auf. Ich steckte das Ladekabel in mein Handy, machte es mir gemütlich und schlief dann sofort ein, weil ich einfach erschöpft von der Reise und dem Umzug war.

New possibilitiesWhere stories live. Discover now