"Ach Mädel..."

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Am nächsten Morgen wachte ich ziemlich benommen auf, mein Fuß brannte wie Hölle. "Was zur...", fing ich an zu fluchen, bis mir der ganze Abend wieder einfiel, "Fuck..." Wie gerädert setzte ich mich auf und griff zu meinem Fuß, der dick einbandagiert war. Gerade als ich anfing, den Verband abzuwickeln, klopfte es an der Türe. "Ja?", rief ich und wandte meine Aufmerksamkeit der Person mit Tablett zu, die gerade reinkam. "Guten Morgen.", strahlte mich ein ekelhaft gut gelaunter Mats an. "Wahnsinnig gut.", brummte ich und wollte meine Füße aus dem Bett schwingen. "Stop! Du bleibst schön im Bett.", widersprach er und kam zu mir. "Nein? Ich muss Finn in den Kindergarten bringen.", erwiderte ich und wollte erneut aufstehen.

Er fing an zu lachen, was ich eher genervt aufnahm. "Du weißt wohl nicht wie spät es ist? Finn ist bereits seit ein paar Stunden im Kindergarten und fährt danach zu einem Freund spielen. Du musst gar nichts tun heute. Cathy holt ihn später ab, wenn sie von der Arbeit nach Hause fährt.", erklärte er mir, stellte das Tablett auf meinem Nachttisch ab und setzte sich zu mir aufs Bett. "Frühstück ans Bett?", fragte ich misstrauisch und zuckte mit dem Fuß, als er danach griff. "Tut mir leid habe ich dir wehgetan?", überging er meine Frage. "Nein, keine Sorge...", murmelte ich und beobachtete jeden seiner Handgriffe, als er mir den Verband abnahm. "Marco meinte, der Verband müsste morgens und abends gewechselt werden... Ich werde das mal tun während du frühstückst, in Ordnung?", meinte er und wartete meine Zustimmung ab, bevor er weiterarbeitete. Ich riss mir ein Stück des Croissants ab und sah ihm still zu.

Eine Weile sagte keiner von uns beiden etwas, bis Mats sich räusperte, "Was war denn gestern los?" "Alles.", erwiderte ich und seufzte laut. Wir blieben beide wieder still. Mats wusste, wenn ich etwas erzählen wollen würde, dann würde es von mir kommen. Gerade deshalb fing ich an zu sprechen, "Mitch hat mich in ein sauteures Restaurant eingeladen und mir dann eröffnet, dass er zu Stuttgart wechselt. Er wollte meine Meinung hören und ich teilte ihm mit dass, wenn ihn diese wirklich interessieren würde, er mich gefragt hätte bevor er sich mit den Vereinen geeinigt hatte. Er meinte dann, er fragt mich doch jetzt und wollte wissen ob ich mitkomme nach Stuttgart, da bin ich dann total ausgerastet. Wir hatten einen recht großen Streit und ich habe dann das Restaurant verlassen... Und weil ich in Cathys Schuhen keinen Meter gehen kann, habe ich sie ausgezogen und dann habe ich eben die Glasscherben übersehen..." "Ach Mädel...", seufzte er und bandagierte meinen Fuß ein.

"Ja ich weiß, ganz schön kindisch.", gab ich zu und fühlte mich irgendwie blöd wegen gestern. "Das finde ich nicht. Wenn Mitch wirklich etwas an deiner Meinung liegen würde, hätte er das Ganze nicht über deinen Kopf entschieden... Eine solche Entscheidung ist schon etwas Großes, ich würde das lange und ausführlich mit Cathy besprechen, bevor ich zum Verein gehe und ihm den Wechselwunsch mitteile. Ich kann verstehen, dass du sauer bist.", meinte er. "Danke, nett von dir. Er hat es leider nicht verstanden.", murmelte ich und sah traurig auf meine Hände. "Das wird er schon noch.", munterte mich Mats auf. "Ja und dann? Dann vertragen wir uns. Und dann? Soll ich dann nach Stuttgart gehen oder was?", regte ich mich auf und raufte meine Haare dabei. "Nein. Natürlich nicht!", rief er etwas lauter als beabsichtigt, was mir ein Grinsen ins Gesicht trieb. "Du willst nur die Nanny nicht verlieren.", lachte ich. Er zuckte mit den Schultern, "Vielleicht. Aber nicht nur ich sehe dich wie ein Familienmitglied. Was macht Finn denn ohne seine große Schwester?" "Weiß ich nicht, aber ich kann dir versichern, dass ich nicht vorhabe Dortmund zu verlassen, daher müssen wir die Frage auch nicht beantworten.", flüsterte ich und zuckte mit den Schultern. "Gut zu hören, aber niemand würde es dir Übel nehmen...", erwiderte er.

"Doch. Ich würde es mir Übel nehmen. Ich mag Mitch. Mehr als das sogar, aber ich könnte mir nie verzeihen einfach alles hier aufzugeben, nur wegen einem Mann. Wir kennen uns auch noch nicht mal ein Jahr und zusammen sind wir auch erst ein paar Monate... Ich fühle mich nicht bereit jetzt schon mit ihm zusammenzuziehen und ein Leben aufzubauen. Wir sind doch noch in der rosarote-Brille-Phase...", widersprach ich ihm. Er nickte zustimmend, da fiel mir etwas Anderes ein, „Kannst du mir kurz ins Bad helfen?" "Klar!", lachte er und half mir beim aufstehen. Zunächst humpelten wir in meinen Kleiderschrank wo ich mir etwas Gemütliches zum Anziehen holte, eine graue Jogginghose und ein gelbes Shirt, danach ich ins Bad, wo ich schnell Zähne putzte und meine Haare kämmte, die ich dann zu einem unordentlichen Dutt band. Frisch angezogen und gewaschen, hüpfte ich auf einem Bein nach draußen, wo Mats mir wieder zum Bett half und mich dann alleine ließ, damit ich in Ruhe frühstücken konnte. Ich rechnete ihm hoch an, dass er mir Zeit für mich gab, um über den Abend gestern nachzudenken und mich etwas zu sammeln.

Nach wenigen Minuten fiel mir aber auf, dass ich nicht mal wusste wie spät es war. Schnell griff ich zum Nachttisch, wo mein Handy eigentlich immer lag. Ich dachte kurz nach und kam zu dem Schluss, dass es wohl in meiner Tasche von gestern sein musste. Nur wo war die? Ich hatte sie doch nicht in Marcos Auto vergessen, oder? Nach meinem komatösen Auftritt gestern und der Tatsache dass ich sie dort das letzte Mal gesehen hatte, war es mehr als warscheinlich, dass sie noch im Auto lag. Was wäre, wenn Mitch mich erreichen wollen würde? "MATS?", schrie ich laut und hörte ihn sofort nach oben poltern. "Ist etwas passiert?!", hechelte er, sobald er durch meine Türe gekracht war. "Nein.", lachte ich und musterte seine sich schnell hebende und senkende Brust, "Solltest du als Fußballer nicht etwas mehr Kondition haben? Ich meine sogar ich kann die Treppe hochrennen ohne zu atmen als wäre ich einen Marathon gerannt." Er streckte mir die Zunge raus, "Ich hatte nur Angst, dass du dir vielleicht die Wunde aufgerissen hast, weil du aufgestanden bist."

Ich lächelte, es war so lieb von ihm sich so um mich zu kümmern, "Danke, das ist echt süß. Aber jetzt zu meinem Rufen: Habt ihr meine Tasche von gestern weggeräumt? Da waren mein Handy und meine Geldtasche drinnen." Die Frage schien ihn einen Moment stutzig zu machen. "Ich rufe Marco an, vielleicht ist die Tasche noch in seinem Auto, wir hatten gestern andere Dinge im Kopf als das.", meinte er und ich bedankte mich, während er schon sein Handy zückte und den Stürmer anrief. "Hebt nicht ab, aber er ruft bestimmt gleich zurück.", sagte Mats und zuckte mit den Schultern. Ich musterte ihn, er trug Sportkleidung, "Oh, wolltest du joggen gehen? Keine Sorge, es reicht vollkommen, wenn Marco sich irgendwann im Laufe des Tages meldet. Geh du nur joggen!" Er schüttelte den Kopf, "Nein, nein. Ich habe nur ein kleines Workout gemacht, kein Ding." Ich zog die Augenbrauen hoch, "Mats bitte. Geh laufen. Ich kann für zwei Stunden alleine bleiben, ich bin kein kleines Kind." Er zögerte und wollte etwas erwidern, da klingelte sein Handy.

Es war Marco, der sich ohnehin schon wegen der Tasche und den Schuhen melden wollte und diese auch gleich vorbeibringen würde. In Erwartung seines Kumpels ging Mats nach unten, um Marco in Empfang zu nehmen. Kurze Zeit später fiel unten schon wieder die Türe zu, daher dachte ich dass Marco nur kurz das Zeug vorbeigebracht hatte und rief sofort, "Komm rein!", als es an der Türe klopfte, weil ich dachte dass es Mats wäre. "Und bist du schon wieder zu Atem gekommen?", lachte ich dann, ohne den Blick vom Fernseher zu nehmen, da gerade Daenerys von ihrem Bruder angegriffen wurde. Es blieb zunächst still, bis sich jemand räusperte, "Wie bitte?" Ich erkannte die Stimme sofort, drehte meinen Kopf und meinte, "Ups, ich dachte du wärst Mats, der ist vorhin hochgerannt und hat gehechelt wie ein Hund, so fertig war er." "Dann ist es ja gut dass er jetzt laufen gegangen ist.", grinste Marco und legte mir die Tasche aufs Bett. "Ist er? Gott sei Dank. Er wollte mich einfach nicht alleine lassen, obwohl ich ihm gesagt habe, dass es schon ok ist, wenn er für 'ne Weile laufen geht.", meinte ich und verdrehte kurz die Augen. Marco lief rot an.

"Was?", fragte ich und musterte den Stürmer. "Nichts.", murmelte er und fuhr sich nervös durch die Haare. "Sicher?" Er nickte und ich schüttelte kurz verwirrt den Kopf, bevor ich in die Tasche griff und mein Handy herausholte, das natürlich tot war, weshalb ich nach dem Stecker griff und es ansteckte. "Danke fürs Vorbeibringen, war echt nett von dir... Das gestern auch.", lächelte ich und erwartete, dass er sich jetzt verziehen würde, damit ich weiter fernsehen konnte. Er aber stand neben meinem Bett herum, die Hände in den Hosentaschen und stieg von einem Bein aufs andere. "Ist noch was?", fragte ich dann und sah ihn neugierig an. "Äh nein, nicht wirklich...", murmelte er und schien recht nervös zu sein. Plötzlich fiel der Groschen bei mir, "NEIN!? Er hat dich angestiftet hier zu bleiben, oder?" "Nein, nein hat er nicht! Er...", stotterte Marco, schien aber keinen Plan zu haben, wie sich seine Anwesenheit hier sonst erklären ließe. "Na klar hat er das! Ich brauche keinen Aufpasser...", knurrte ich und warf genervt den Kopf in den Nacken. Er blieb still.

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