"ÜBERRASCHUNG!"

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Im Gegensatz zu meinem Schützling, fand ich in dieser Nacht kaum bis gar keinen Schlaf. Nicht weil mein Fuß schmerzte, was er zwar tat, sondern wegen Mitch. Die gesamte Nacht lang, machte ich mir Gedanken. Über ihn, über mich, über uns. Hatte es Sinn dieser Beziehung noch eine Chance zu geben? Selbst wenn ich diese Frage mit ‚Ja' beantworten würde, müsste ich dennoch der Tatsache ins Auge blicken, dass wir eine Fernbeziehung führen würden. Gut, Stuttgart war nicht aus der Welt und wenn ich mich an den Geographie-Unterricht erinnerte, wären es mit dem Auto nicht mal 5 Stunden, aber wer würde denn nur um seinen Freund kurz umarmen zu können 5 Stunden fahren wollen? Jedes Mal wenn ich ihn sehen wollen würde, müsste ich mich ins Auto oder den Zug setzen und eine halbe Ewigkeit zu ihm fahren. Ein Wochenende mit ihm zu verbringen, wäre auch nicht immer möglich, wenn der Vfb es mit dem Training vor den Spielen ähnlich hielt wie der BVB. Während der Woche wäre es für mich schwierig zu ihm zu fahren, da ich für Finn da sein musste. Auch konnte ich mir nicht vorstellen, dass er sich so oft ins Auto setzen würde, um mich zu besuchen.

Und dann war da noch die ‚Fußballer-Komponente', wie ich sie nannte. Wenn er so viel Freiraum haben würde und es in Stuttgart auch nur 10% von den weiblichen Fans gibt, die es hier in Dortmund gab, dann würde er sich vor unmoralischen Angeboten kaum retten können. Natürlich ging ich nicht davon aus, dass Mitch mich sofort betrügen würde nur, weil er Fußballer war und es -Klischee hin oder her- dazu passen würde. Dennoch hatte er im Gegensatz zu ‚normalen' Freunden, mehr Angebote was diese Richtung anging und ich hatte Angst, dass eines Tages der Moment kommen würde, wo unsere Fernbeziehung ihn nervte, er sich einsam fühlte und er dem Drang nach menschlicher Nähe nachgeben würde. Diesen Schmerz konnte und wollte ich eigentlich nicht riskieren. Aber Mitch deswegen zu verlieren? Wollte ich das? Gerade im Moment war ich so wütend, dass ich die Antwort auf diese Frage im Affekt geben würde, weshalb ich kurz den Kopf schüttelte und mich wieder daran erinnerte, was ich eigentlich wissen wollte.

Wollte ich eine Fernbeziehung führen? Und vor allem, waren wir dazu fähig? Ich spielte jedes mögliche Szenario in meinem Kopf durch, doch egal welche Variable ich miteinrechnete, ich kam immer wieder zu dem Schluss, dass mein Leben nun hier in Dortmund stattfand. Ich liebte es hier, mein Job, die Leute, alles war perfekt und um nichts in der Welt konnte ich mir vorstellten, das hier aufzugeben. Ich war nicht bereit alles hier zurückzulassen und vor allem nicht... „Nur wegen ihm.", flüsterte ich und plötzlich traf mich die Erkenntnis wie ein Blitz. Ja, ich war verliebt in ihn, aber ich liebte ihn nicht genug, um mein Leben für ihn aufzugeben. Und mit dieser Einsicht wusste ich auch dass, selbst wenn ich anfangs am Boden zerstört sein würde, wenn die Beziehung beendet wäre, es für mich ein Leben danach geben würde. Ich wusste, es würden noch weitere Männer in mein Leben treten und einer von ihnen wäre dann vielleicht derjenige, für den ich mein Leben komplett auf den Kopf stellen würde, ohne auch nur mit der Wimper zu zucken. Derjenige, für den ich alles aufgeben und mich in ein neues Abenteuer stürzen würde, ohne Angst zu empfinden, da ich wissen würde, dass er hier wäre und uns nichts jemals trennen könnte. Derjenige, der mit mir die restlichen Kapitel meines Lebens schreiben würde.

Wer auch immer dieser Mann sein würde, ich wusste jetzt nur, dass es nicht Mitch war und je länger ich in dieser Nacht über uns nachdachte, um so mehr wurde mir bewusst, dass er es auch nie werden würde. Es war wunderschön mit ihm, aber unsere Beziehung hatte ein Ablaufdatum, das hatte es schon immer gehabt und dieses war jetzt gekommen, so traurig mich das auch stimmte.

Ich wartete ein paar Tage, dachte immer und immer wieder über meine Beziehung nach, dennoch kam ich immer zum selben Schluss: Das Ablaufdatum war erreicht. Da die Saison nicht mehr allzu lange dauern würde, wäre es auch das Beste das Ganze bald zu beenden. So schnell wie möglich einen Schlussstrich zu ziehen, wäre die fairste Lösung für uns beide. Aber wie beendete man eine Beziehung mit einer Person in die man verliebt war? Ich konnte meine Gefühle für ihn nicht leugnen, aber dennoch war mir klar, dass wir Beide keine Zukunft haben würden.

Ich seufzte, ballte meine Hand zur Faust, streckte sie, ballte sie erneut und griff dann nach meinem Handy. Um meinen rasenden Herzschlag zu beruhigen atmete ich tief durch. Danach suchte ich nach Mitchs Nummer und wollte ihm eine Nachricht schreiben. Wie sollte ich die richtigen Worte für eine Nachricht finden, die den Anfang des Endes meiner Beziehung bedeuten würde? Erneut atmete ich tief durch und begann zu tippen, löschte die Buchstaben aber sofort wieder, da sie mir zu banal erschienen. Ich wollte mit dieser Nachricht nicht Schluss machen, dennoch wollte ich, dass er verstand, dass das Gespräch um welches ich ihn damit bat, ernst war. Es war so schwer, die richtigen Worte zu finden, denn Hoffnungen wollte ich ihm ebenso keine machen, nur, weil ich mich bei ihm meldete.

Als ich erneut anfing zu tippen, krachte es im unteren Stock des Hauses laut und ich zuckte zusammen. Finn war bei einem Freund, Cathy arbeiten und Mats hatte Training. Was wenn es ein Einbrecher war? „Du Idiotin, wer würde denn am hellichten Tag in einer Wohngegend einbrechen?", redete ich mir ein und schwang meine Beine aus dem Bett. Ich griff nach meinen Krücken, als ich es laut poltern hörte. Es klang wie eine Horde Elefanten, die sich den Weg über die Treppe nach oben bahnten und schon im nächsten Moment, alle durch meine Tür polterten. „ÜBERRASCHUNG!", riefen sie und grinsten mich blöd an. „Jungs? Was macht ihr denn hier?", lachte ich und sah ihnen nach der Reihe ins Gesicht. Nuri, Auba, Mats und noch ein paar Andere standen fett grinsend in meinem Zimmer. „Wir dachten, dir ist bestimmt langweilig...", fing Nuri an. „... Und weil Kloppo uns heute, zur Überraschung von jedem Einzelnen der hier steht, früher gehen ließ...", setzte Mats fort. „... Dachten wir, wir machen eine kleine Fifa-Party bei Mats, damit du auf andere Gedanken kommst.", grinste Auba zum Schluss. „Ihr seid verrückt.", lachend schüttelte ich den Kopf. „Deswegen magst du uns doch so gern.", hörte ich da jemanden von ganz hinten sagen.

„Ach du auch hier?", meinte ich mit fragend hochgezogenen Augenbrauen. „Problem damit?", erwiderte er und zog ebenso eine Augenbraue hoch. „Was wäre, wenn es so ist?", fragte ich und fixierte seine Augen. „Dann wäre es mir egal.", sagte er und konnte sich das verschmitzte Grinsen nicht mehr verkneifen. „Ich dachte, ihr mögt euch jetzt?", warf ein verwirrter Mats ein. Marco und ich sahen uns an, dann lachten wir beide. „Alte Gewohnheiten sind eben schwer abzulegen, nicht wahr, Arschloch ?", kicherte ich. „Kannst du laut sagen, Putze.", zwinkerte Marco und wir brachten damit alle zum Lachen. „Ich komme gleich runter zu euch, aber vorher sollte ich mir vielleicht etwas Passenderes anziehen.", meinte ich dann und sah kurz an mir runter. Eine schwarze Jogginghose und ein uraltes Shirt, das bestimmt vor Jahren einmal einem meiner Brüder gehört hatte, hingen an meinem Körper. Ich sah dezent verwahrlost aus, mit meinem Haar zu einem unordentlichen Dutt zusammengebunden und dem Outfit. „Ne, das passt schon so.", lachten die Jungs und nach einem kurzen Augenverdrehen, nahm ich meine Krücken und folgte ihnen nach unten.

Die Playstation war kurz darauf spielbereit und die Jungs positionierten mich in ihrer Mitte, wobei sie mir vorsorglich ein Kissen unter den Fuß schoben, den ich auf dem Tisch ablagerte. Mats ging Getränke holen und wenige Minuten später wurde auch schon das erste Duell ausgefochten. Ich konnte mich ein paar Spiele lang drücken, aber dann hatte Marco die tolle Idee, dass sie mir ja beibringen konnten, wie das Spiel funktionierte. Blöd nur, dass ich mich anstellte wie der erste Mensch der dieses Spiel je gespielt hat, denn teilweise konnte ich die Knöpfe nicht mal voneinander unterscheiden, vor allem dann nicht, wenn der Eine, „Du musst X drücken! Na los Alex!", schrie, während der Andere ihn mit,„Nein!! Drück Kreis!", übertönte. Verwirrt warf ich die Hände über den Kopf und rief, „Haltet die Klappe! ALLE! Da kann sich doch kein normaler Mensch konzentrieren, wenn ihr einem in beide Ohren brüllt!" Marco sah mich an, „Nur weil Sahin dir gerade den größten Blödsinn geraten hat, den du in so einer Situation machen könntest." „Du brauchst nicht reden, Reus, dein Rat war um einiges schlechter. Außerdem sollte jemand, der so mies ist wie du, niemanden Tipps zum Spielen geben.", erwiderte Nuri und schnitt eine Grimasse. „Wenn du behauptest ich sei mies, was bist du dann? Unterirdisch schlecht?", provozierte Marco Nuri, sodass dieser eine Revanche zu ihrem vorigen Spiel forderte, das ein Untentschieden gewesen war, wenn ich mich richtig erinnerte. Ich fing Mats Blick auf und verdrehte kurz die Augen, „Und ich dachte ich sei Finns Nanny. Ich glaube wir müssen uns mal über mein Gehalt unterhalten, wenn die hier wieder öfter aufschlagen." Mats grinste, „Also wenn wir den Aufwand dieses Kindergartens beziffern... So viel könnte nicht mal Bill Gates bezahlen." Damit könnte er Recht haben.

Ich hoffe das neue Kapitel hat euch gefallen! Danke für die lieben Kommis und die Votes beim letzten Kapitel, ihr seid die Besten 😘💛
Eure Skat 💛

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