Vielleicht war ich ja doch nicht alleine hier.

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„DU HAST WAS?!", rief er verdammt laut. „Oh ja, du hast richtig gehört. Ich habe meine Lippen auf die deines tollen Kollegen gedrückt.", wenn ich es laut aussprach, konnte ich beinahe den Moment erneut durchleben. Diese Verzweiflung, die Zurückweisung, die Peinlichkeit. Ich spürte wie mein Bett sich senkte, als Mats sich darauf niederließ. Er streckte die Hand aus und zog die Decke etwas von mir runter, um mein Gesicht sehen zu können. „Kannst du mir das langsam erzählen? Was ist passiert?", bat er und ich konnte die Sorge in seinen braunen Augen erkennen.

Ich verzog das Gesicht. Wollte ich ihm wirklich davon erzählen? Nein, ich wollte niemanden jemals davon erzählen, aber ich vertraute Mats und eine Meinung zu meinem Dilemma mit Marco zu hören, schien mir nicht die schlechteste Möglichkeit zu sein. „Nach unserem Streit, da habe ich mir viele Gedanken gemacht... über Mitch und mich... Über unsere Beziehung, einfach über alles eben und irgendwann kam ich zu dem Schluss, dass unsere Zeit abgelaufen war. Ich habe keine so tiefgehende Liebe für ihn empfunden, wie du sie für Cathy empfindest. Natürlich war ich verliebt in ihn, aber es war eben nicht genug und ich konnte und wollte so nicht weitermachen, vor allem nicht, wenn daraus nun eine Fernbeziehung werden würde. Also habe ich die Notbremse gezogen und Schluss gemacht. Aber er hat schrecklich reagiert, mich beschimpft und mich einer Affäre mit Marco bezichtigt. Da wurde es mir dann zu bunt und ich bin weggelaufen. Damit ich meine Gedanken wieder ordnen würde können, fuhr ich an den See und hab dort auf einer Bank gesessen. Ich war traurig und hab eben ein bisschen Dampf abgelassen indem ich den Tränen freien Lauf gelassen hatte. Marco war wohl gerade unterwegs oder so, auf jeden Fall hat er mich gesehen und hat mich getröstet... Und dann ist es einfach passiert. Ich habe mich so geborgen gefühlt in seiner Umarmung und ich wollte nicht dass diese Geborgenheit wieder weggeht und dann hat wohl mein Körper die Kontrolle übernommen... Und schwuuuupps, haben wir uns geküsst. Oder ich ihn, denn er hat mich gestoppt und zurückgewiesen. Als wäre der Kuss nicht peinlich genug, hat er mich auch noch zurückgewiesen! Er hat es dann als Ausrutscher abgetan, aber ich... Ich kann ihm doch nie wieder unter die Augen treten?!", erzählte ich. Gegen Ende meiner Erzählung raufte ich mir die Haare. Wie dumm war ich denn nun wirklich?

„Ich komme mir so blöd vor.", jammerte ich und bemerkte nicht, dass Mats kein Wort sagte. Er saß nur da und schob seinen Kiefer vor und zurück. „Mitch hat dich vor allen Leuten beschimpft?", fragte er nach einer Weile. „Er meinte, dass ich eben doch nur eine Putze sei und Marco von Anfang an Recht hatte.", präzisierte ich meine Erzählung. Dass Mats so ruhig blieb, beunruhigte mich, ich hatte erwartet, dass er zumindest irgendeine Reaktion zeigen würde, außer seine Zähne zusammen zu beißen. Wir saßen still da, bis ich es nicht mehr aushielt, „Mats? Würdest du bitte etwas sagen? Irgendetwas? Oder zumindest grunzen oder etwas Ähnliches?" „Ich weiß gerade nicht wie... Ich hätte Mitch nie so eingeschätzt.", murmelte er. „Ja, das dachte ich mir auch...", erwiderte ich. „Tut mir leid, eigentlich sollte ich dich trösten, aber gerade war oder eher bin ich wirklich schockiert.", er schüttelte den Kopf, „Du bist viel mehr als nur eine Putze, das weißt du auch Alex. Wir zählen auf dich, wie man das in einer Familie eben so macht... Und dass Mitch so ein Arschloch ist, dafür kannst du nichts. Er hat sich diese Trennung selbst eingebrockt mit seinem Verhalten wegen Stuttgart, vielleicht wusste er das und konnte deshalb nicht damit umgehen. Ich will ihn natürlich nicht verteidigen, nur bin ich mir sicher, dass es einen Grund hinter seinem Verhalten gab. Du bist ein tolles Mädchen Alex und wir alle haben dich schon so sehr ins Herz geschlossen, dass wir ihn doch irgendwie verstehen können, denn dich zu verlieren wäre wirklich scheiße." Er sagte nicht viel, aber es war genug um meine Tränendrüsen wieder in Betrieb zu setzen.

Mit feuchten Augen und einigen kleinen Tränchen die mir über die Wangen ronnen, lehnte ich mich nach vor und umarmte den Verteidiger. „Danke Mats. Das bedeutet mir wirklich viel. Ich zähle euch mittlerweile auch zu meiner Familie.", flüsterte ich, wobei meine Stimme leicht brach. Ich konnte an meiner Schulter spüren wie sich sein Gesicht zu einem Lächeln verzog. Langsam ließ ich mich wieder ins Bett zurücksinken und starrte an die Decke. Vielleicht war ich ja doch nicht alleine hier.

New possibilitiesWhere stories live. Discover now