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Es war ein Tag wie jeder andere gewesen, doch die dazugehörige Nacht hatte etwas mit sich gebracht, was Rivens Leben auf der Insel für immer verändern würde

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Es war ein Tag wie jeder andere gewesen, doch die dazugehörige Nacht hatte etwas mit sich gebracht, was Rivens Leben auf der Insel für immer verändern würde. Das, worauf Jaxon gewartet hatte, worauf sie selbst gewartet hatte, worauf jeder auf der Insel gewartet hatte. Hätte sie gewusst, dass es so schmerzhaft sein würde, hätte sie nie versucht zu glauben.

Als sie also auf ihrem Bett in ihrem Baumhaus lag, die Augen weit geöffnet, ihr Herz so stark hämmernd, dass sie fürchtete, es würde in nächster Sekunde vollkommen stillstehen und ihr ganzer Körper zitternd wie Espenlaub, versuchte sie sich auf irgendetwas anderes zu konzentrieren, ihre letzten Tage in Erinnerung zu rufen und den Traum, welcher sie in dieses Gefühlschaos gebracht hatte, in die hintersten Ecken ihrer Gedanken zu drängen und ihn dort gefangen zu halten. In der Hoffnung, es könnte dazu führen, dass sie sich ein wenig beruhigte. Eine schnell schwindende Hoffnung.

Das Kissen, welches sie fest an sich gedrückt hatte, um den Halt zu bekommen, welchen ihr ihre Gedanken nicht liefern konnte, presste sie schliesslich auf ihr Gesicht und begann zu schreien. So laut wie sie nur konnte, doch mit dem Resultat, dass er bloss gedämpft durch das Kissen hindurchdrang. Dies tat sie mehrere Male, bevor sie es wieder sinken liess. Mit tiefen Atemzüge schloss sie ihre Augen und rief sich die Ereignisse der letzten Tage in Erinnerung. Die schönen Ereignisse wie vor drei Tagen, als Jaxon ihr das Baumhaus gezeigt hatte und verkündet hatte, dass dieses Baumhaus für sie bestimmt war. Jeder Jugendliche besass eines, sie verstand nicht, wie es möglich gewesen war, es so schnell zu bauen, doch wieso etwas hinterfragen, wenn es doch so wunderschön war? Wieso etwas hinterfragen, wenn es doch keine physikalischen Regeln und Gesetze gab, noch menschliche Grenzen existierten? Alles war möglich. Und dieses eine Mal hatte Jaxon ihr etwas gegeben, wofür sie ihm dankbar war und immer dankbar sein würde. Ein Zufluchtsort.

Es war ein kleines Häuschen hoch oben auf einem Baumwipfel, sodass sie fast eine genauso bemerkenswerte Aussicht auf die Insel hatte wie Jaxon.
Äusserlich war das Häuschen wohl alles andere als gut getarnt. Es war ein farbiger Punkt inmitten von moosbewachsenen, alten Ästen und hellgrünen und dunkelgrünen Blättern. Verschiedenste Blüten zierten die Häuserwände und stopften jede Rille aus, durch die der Wind hätte dringen können. Eine Ansammlung aus blauen, roten, pinken und violetten Punkten, die zusammen mehr ein Kunstwerk als ein Gebäude bildeten. Das Dach bestand aus dünnen Lianen, die man so zusammengewoben hatte, dass sie einen grossen, grünen Teppich bildeten und sie im Schlaf vor Regen schützen würde. Aber so wunderschön wie das Häuschen von aussen war, so unglaublich war es in seinem Innern.

Ein breites Bett, welches aus einem einzelnen, dicken Ast des Baumes geschnitzt worden war, der Boden mit sauberem Moos beschichtet, sodass es sich bei jedem Schritt so anfühlte, als würde sie auf Wolken gehen. In einem Ecken stand ein kleiner Tisch, in einem anderen ein Gestell, welches sie versucht hatte mit Blumen und Pflanzen aufzufüllen, da sie sonst keine materiellen Gegenstände besass. Ein Kleiderschrank, den man tatsächlich mit Kleidung in ihrer Grösse gefüllt hatte. Doch das, was Riven am besten gefiel, waren die einzelnen Worte, welche man in die Wände eingeritzt hatte. Einzelne Worte, keine Sätze, Worte, die sie inspirierten, Worte, die Macht besassen. Worte, die sie anstarrte, wenn sie in der Nacht nicht einschlafen konnte. Sie hatte den ganzen Tag in ihrem Baumhaus verbracht, als Jaxon es ihr das erste Mal gezeigt hatte. Es hatte keine Ähnlichkeiten mit ihrem Zimmer von Zuhause, ihr Zimmer von Zuhause war eine Mischung aus unterschiedlichen Möbeln, Wandfarben und sonstigen Dingen, die einzeln vielleicht wunderschön waren, allerdings nicht zusammenpassten. Im Verlauf ihrer Jugend hatte sie hunderte Male ihre Meinung und ihren Geschmack geändert, grüne Wände waren mit einem hellen Blau überstrichen worden. Rosafarbene Bettwäsche, ein grüner Bücherschrank , von dem sie sich nicht hatte trennen können und das Blau der Wände, waren keine Farbmischung, die zusammenpasste. Aber das hier, dieses kleine Baumhaus, ein Schlafzimmer und ein Badezimmer, war absolut fehlerlos. Und sie fühlte sich darin... wohl, sodass sie glauben konnte, dass sie sich vielleicht irgendwann zuhause fühlen würde.

CopperyWhere stories live. Discover now