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Riven hatte nie eine Seite von Grayson kennengelernt, welche sie dazu gebracht hatte, dass sie ihn auch nur im Geringsten ausstehen konnte und da war sie nicht die Einzige

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Riven hatte nie eine Seite von Grayson kennengelernt, welche sie dazu gebracht hatte, dass sie ihn auch nur im Geringsten ausstehen konnte und da war sie nicht die Einzige. Würde sie deswegen nichts tun und ignorieren, dass er, wenn man Jaxons Worten Glauben schenkte, verschwunden war? Natürlich nicht. Aber sie würde lügen, würde sie behaupten, dass sie es für Grayson tat. Wenn Jugendliche anfingen zu verschwinden, dann bestand die Gefahr, dass all das, was ihr nun etwas bedeutete, in kürzester Zeit nicht mehr übrig sein würde. Vielleicht war es ein Einzelfall wie damals bei Thomas. Vielleicht verschwand bloss Grayson und ansonsten niemand, vielleicht irrte Jaxon sich auch und Grayson tauchte wieder auf, doch vielleicht war als nächster Katharina an der Reihe oder sogar Jaxon.

Jaxon und sie hatten gemeinsam alle Jugendlichen geweckt und sie an den Strand geschickt, ihnen geraten keine Umwege zu machen und die Meisten hatten dem Befehl sofort Folge geleistet, wenn auch manche dabei geflucht und darüber gemotzt hatten, dass man sie mitten in der Nacht weckte. Das hätte sie wahrscheinlich selbst auch getan, wenn nicht Jaxon derjenige gewesen wäre, der sie geweckt hatte. Und nun standen sie alle am Strand, sprachen verwirrt miteinander, stellten Riven Fragen, welche sie alle allerdings nicht beantwortete. Es war nicht ihre Aufgabe, die Jugendlichen aufzuklären. Sie konnte es nicht, denn sie war nicht diejenige, die Graysons Abwesenheit gespürt hatte, nicht diejenige, die den Vorfall mit Thomas erlebt hatte und auch nicht diejenige, die den Schrei gehört hatte. All das hatte Jaxon erlebt. Kopfschüttelnd stöhnte sie auf. Es war doch immer Jaxon. Wieso konnte nicht ein einziges Mal, ein Anderer als er derjenige sein, an dem alles hing und auf dem all der Druck lastete? Bloss ein einziges Mal.

Nach einigen Minuten der Anspannung, kamen Jaxon und Silas auf die Runde zu. Silas setzte sich neben Riven und warf ihr ein kleines Lächeln zu, was sie wahrscheinlich beruhigen sollte.

"Geht es dir gut?"

"Ich schätze schon.", murmelte sie und zwang ein Lächeln auf ihr Gesicht, "Aber kannst du mir sagen, wieso genau er immer derjenige ist, der alles regeln muss?"

"Weil er der Einzige ist, der es schafft, alles zu regeln und gleichzeitig die Runde beruhigen kann. Sieh ihn dir an. Er ist gestresst, hat Angst, fürchtet sich um dich, um alle und nimmt dazu noch die Furcht von allen Anderen wahr, aber siehst du es ihm an? Er schafft es, sein inneres Gefühlsleben von seiner äusseren Erscheinung abzutrennen. Und genau das muss ein Anführer können, glaubst du nicht?"

Das Gespräch war beendet, als sie beide ihre Aufmerksamkeit auf Jaxon richteten, der sich vor die Runde stellte und nach den richtigen Worten zu suchen schien.

Sie würde nicht an seiner Stelle stehen wollen.

Sich sicher, ob es ihm helfen würde, wusste sie nicht, als sie aufstand und sich neben ihn stellte, seine Hand mit ihrer umgriff und ihre Finger mit seinen verhakte.

"Vor vielen Jahren...", begann er, sodass ausnahmslos jeder der Runde in ein Schweigen verfiel. Sie alle konnten nicht abwarten, eine Antwort auf ihre vielen Fragen zu erhalten und wussten, dass nur Jaxon sie ihr geben konnte. ".., als wir noch zu dritt waren, Silas, Greer und ich, waren wir eigentlich zu viert. Thomas. Silas und ich haben euch nie von ihm erzählt, weil wir euch nicht verängstigen wollten, Greer hat nie etwas gesagt, weil ich ihr ihre Erinnerungen zu diesem Vorfall genommen habe."

Die Bombe war geplatzt. Und es verursachte lauten Protest. Die Grosszahl der Jugendlichen brach in Protestrufe aus, die Einzige, die es tatsächlich betraf, nämlich Greer, schwieg und starrte in Jaxons Richtung. Während jeder Andere darüber aufgebracht zu sein schien, dass Jaxon tatsächlich die Erinnerungen von jemandem gelöscht hatte, blickte sie in seine Richtung mit einer Mischung aus Verständnislosigkeit, Überraschung und Enttäuschung in ihren Augen.

Und Riven erkannte, dass er auch in ihre Richtung blickte, leicht verzweifelt und um Vergebung bittend oder zumindest um die Chance, alles erklären zu können, bevor diese ihn verurteilte.

"Haltet die Klappe!", rief Riven schliesslich laut, als sie das Geplapper der Anderen nicht mehr aushielt, "Er war noch nicht fertig, also seid still und hört gefälligst zu!"

Beeindruckt lachte Silas auf und Jaxon drehte seinen Kopf in ihre Richtung, mit seinen Lippen das Wort "Danke" formend, bevor er sich wieder zurückdrehte.

"Es tut mir Leid, Greer.", flüsterte er dann, "Ich habe es getan, weil du nicht damit umgehen konntest. Mit der Angst. Ich schwöre dir, ich hätte es sonst nicht getan."

Greer nickte langsam. Es war schwierig zu sagen, ob sie Jaxon vergab. Sie verstand ihn, aber jemanden verstehen und jemandem vergeben waren zwei ganz unterschiedliche Dinge.

"Ihr alle wisst von den Schatten. Ihr habt Geschichten gehört, habt Geräusche gehört, was ihr nicht wisst, ist, dass Thomas wegen ihnen verschwunden ist."

Für einen Moment blieb alles still.

"Was meinst du mit verschwunden?", rief jemand, den Riven in der Dunkelheit nicht genau erkannte. Weitere Fragen wurden gerufen.

"Er ist nicht mehr hier, nicht? Ich konnte ihn nicht mehr auf der Insel spüren, er verschwand. Und genauso fühlt es sich heute bei Grayson an. Ich kann seine Anwesenheit auf dieser Insel nicht mehr spürten. Das bedeutet, dass wir ihn finden müssen, wir werden diese verdammte Insel durchsuchen, bis wir ihn gefunden haben."

Zustimmendes Gemurmelt erklang, doch unter all der Zustimmung gab es auch Zweifel. Etwas, womit Riven gerechnet hatte, wo sie doch zu Beginn ebenfalls Zweifel gehabt hatte. Wieso ihre eigenen Leben in Gefahr bringen, um jemanden zu suchen, der wahrscheinlich verloren war? Wer wusste schon, was draussen in der Dunkelheit noch lauerte?

"Das, was wir tun sollten, ist hier zu bleiben. Am Strand. Wir alle. Nur so können wir uns schützen!", rief Nathaniel laut. Er hatte Angst. Angst um sich selbst, Angst um Blake und absolut jeder der Runde konnte es nachvollziehen. Auch Jaxon, was allerdings nicht bedeutete, dass er ihm Recht gab. Und dass er es Nathaniel nicht übel nahm, dass er seine Entscheidung in Frage stellte.

Wütend nahm Jaxon seine Hand aus Rivens und überbrückte die wenigen Meter zu Nathaniel.

"Wer teilt seine Meinung?", rief er laut in die Runde, "Ich frage bloss, weil ich euch die Wahl lasse. Ihr könnt hier bleiben und warten, während ich und diejenigen, die mir folgen, uns auf die Suche nach Grayson begeben. Aber ich verspreche euch, dass ich bei jedem, der darauf verzichtet mitzuhelfen, das Verschwinden ebenfalls ignorieren werde, sollte es dazu kommen. Und wenn ich spüren sollte, dass jemand von denjenigen in Gefahr ist, welche nicht mitgeholfen haben, werde ich über dieses Gefühl in meinem Körper hinwegsehen, die Hilfeschreie in meinem Kopf ignorieren, so, wie sie Graysons Verschwinden ignoriert haben. Entscheidet euch!", knurrte er bedrohlich. Blitze schienen in seinen Augen zu zucken, doch dann, als jedermann damit rechnete, er würde noch etwas hinzufügen, drehte er sich schweigend um und nahm wieder Abstand zu den Jugendlichen.

"In zehn Minuten bilden wir Gruppen. Und jeder, der sich gegen das Suchen entscheidet, ist herzlich dazu aufgefordert, die Runde zu verlassen, denn die Runde steht nicht dafür, dass wir jemanden von uns im Stich lassen."

Harte Worte, eine strenge Regel, doch genau das, was nötig war. Riven stellte sich neben ihn und warf ihm ein bekräftigendes Lächeln zu. Sie wusste, dass es niemanden mehr schmerzen würde als Jaxon, sollte er jemanden aus der Runde ausschliessen müssen. Sie wusste auch, dass sollte irgendjemand in Gefahr sein, Jaxon sofort, ob die Person nun in der Runde war oder nicht, zu Hilfe eilen würde. Wieso? Weil absolut jeder der Jugendlichen zu seiner Familie gehörte. Manche davon waren ihm näher, manche davon waren ihm wichtiger, doch letztendlich gehörte jeder zu seiner Familie. Diese würde er versuchen zu beschützen. Und das war genau das, was sie fürchtete. Seine tiefe Loyalität war eine Gefahr. Vielleicht die grösste Gefahr von allen. Ein Faktor, der dazu führen konnte, dass er von ihr genommen wurde.

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