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Tage vergingen, wahrscheinlich sogar Wochen, ganz genau konnte Riven die Zeit nicht sagen, wie auch, wenn keine Uhr auf Neverland existierte und wenn die Tage noch nicht einmal gleich lang wie die Nächte waren

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Tage vergingen, wahrscheinlich sogar Wochen, ganz genau konnte Riven die Zeit nicht sagen, wie auch, wenn keine Uhr auf Neverland existierte und wenn die Tage noch nicht einmal gleich lang wie die Nächte waren.
Jaxons und Rivens Beziehung hatte sich von Hass zu Freundschaft und von Freundschaft zu etwas, dass niemand von beiden definieren konnte, entwickelt. Die Art und Weise, wie sie miteinander sprachen, absolut liebevoll, fürsorglich, manchmal auch neckend, geradezu flirtend oder die Tatsache, dass sie die meisten Tage gemeinsam verbrachten oder zumindest den Grossteil davon, verursachte nicht bloss bei ihnen beiden Verwirrung, sondern bei der ganzen Runde.
Die einzelnen Jugendlichen hatten angefangen darauf Wetten abzuschliessen, was die beiden nun genau waren, was genau sie füreinander empfanden.
Riven war auch bereits einige Male danach gefragt worden und sie hatte immer damit geantwortet, dass ihr keine Bezeichnung für ihre Beziehung einfallen würde. Es war nicht gelogen, sie hatte es wirklich versucht einen zu finden. Nächte lag sie wach in ihrem Bett und starrte an die Wände ihres Baumhauses, auf die leuchtenden Worte, welche darauf geschrieben standen. Ihre Augen vom Wort "Freundschaft" zu "Liebe" hüpfend und schliesslich auf dem Wort "Neverland" ruhend. Hatten nicht auch Peter Pan und Wendy Probleme gehabt, ihre Gefühle zu definieren? War sie Wendy Darling? 

Und jedes Mal, wenn sie sich diese Frage stellte, begann sie ihren Kopf zu schütteln, bevor sie diesen in ihrem Kissen vergrub oder zwischen ihren Handflächen versteckte.

Bei all ihren Gesprächen war nie das Wort "Liebe", "Beziehung" oder irgendetwas ähnliches gefallen. Aber vielleicht musste auch nicht alles definiert werden. Bezeichnungen, Begriffe und Labels hatten in ihrer Beziehung keine Notwendigkeit, obwohl diese die Macht hatten, einiges zu vereinfachen.

"Wir sind bloss zwei Menschen, die es geniessen, ein wenig Zeit miteinander zu verbringen.", gab sie schulterzuckend von sich.

"Ein wenig Zeit miteinander zu verbringen? Riven, ihr verbringt fast jeden Tag zusammen. Denk nicht, dass mir nicht aufgefallen ist, wie ihr immer gemeinsam zum Frühstück kommt und wieder gemeinsam geht.", lachte Katharina auf, "Er führt dich sogar auf der Insel herum, zeigt dir jede Kleinigkeit und aus unbestimmten Gründen scheint ihm jeden Tag etwas Neues einzufallen, was er dir zeigen könnte, obwohl Neverland noch nicht einmal so gross ist. Er müsste dir schon längst alles gezeigt haben."

Rot anlaufend wünschte Riven sich, Katharina würde ihren Lautstärke etwas senken, sodass nicht absolut jeder Anwesende ihr Gespräch mitbekam. Aber Katharina besass eine Stimme, welche selbst flüsternd lauter war, als diejenige von vielen anderen.

"Und manchmal verschwindet ihr und niemand hat eine Ahnung, wo ihr beiden steckt und was ihr tut..."

"Wir wissen alle, was sie tun.", warf ein Junge ein, mit dem Riven noch nie ein Wort gewechselt hatte. Natürlich, ein Gespräch hatte er noch nie mit ihr geführt, doch er konnte über sie urteilen und sich über ihre und Jaxons Beziehung eine Meinung bilden, ohne überhaupt irgendetwas davon zu wissen. Das taten doch alle und es war auch genau das, was sie dazu brachte, sich unwohl zu fühlen. Sie konnten Fragen stellen, das war ihr egal, aber die Jugendlichen verstanden nicht oder es kümmerte sie nicht, wie sehr es Riven durcheinander brachte, wenn sie hinter ihrem Rücken über sie und Jaxon sprachen oder zu flüstern begannen, sobald sie und Jaxon vorbei liefen. Für Riven fühlte es sich an, als wäre das, was sie und Jaxon taten, verboten. Als wäre es falsch. Und so bevorzugte sie es auch, wenn Jaxon und sie sich irgendwo trafen, wo es relativ verlassen war.
Nicht bloss Neuigkeiten verbreiteten sich auf dieser Insel wie ein Lauffeuer. Genauso schnell verbreiteten sich Gerüchte.

"Es ist nicht wirklich schwierig zu erraten, was sie tun."

Zustimmendes Gejohle erklang, genauso einige Lacher. Riven begann sich von Sekunde zu Sekunde an unwohler zu fühlen. Betrunkene waren letztendlich nicht viel reifer, als Kinder es waren. Es beruhigte sie auch nicht, dass Katharina ihre Finger unterstützend mit ihren verschränkte und sie von der Seite her aufmunternd anlächelte. Leise flüsterte sie ihr eine Entschuldigung zu, welche Riven mit einem kurzen Nicken annahm. Es war kaum Katharinas Schuld. Diese hatte vielleicht etwas laut gesprochen, doch letztendlich war es das kindische Benehmen einiger Jugendlichen, welches Riven verunsicherte. Wie sollte sie bloss die Ewigkeit mit ihnen allen verbringen können? Vielleicht hatte Byron Recht gehabt, als er gesagt hatte, dass die Anzahl der Jugendlichen ausreichte, um den Verstand zu verlieren.

"Vielleicht sollten wir dich fragen, wo Jaxon heute Abend ist, wenn irgendjemand etwas über ihn weiss, dann ist es bestimmt seine kleine Freundin.", gab der selbe Junge von sich und wieder stimmten einige mit ihren Lachern ein. Genervt stand sie auf. Es würde niemandem etwas bringen, wenn sie zu dem Jungen hinübergehen würde und ihm sein Grinsen vom Gesicht wischen würde, auch nicht ihr selbst und so drehte sie sich und machte einige Schritte von der Runde weg.

"Das solltest du dir nochmals überlegen, Neue. Ich kann Helena auch nicht entdecken. Wenn man nun eins und eins zusammenzählt... vielleicht solltest du es also unterlassen, ihn aufzusuchen und ihn erneut dabei zu unterbrechen, wenn sie..."

"Vielleicht solltest du Riven zufrieden lassen und dir ein eigenes Leben suchen, Grayson. Was hältst du davon?", warf eine weitere Stimme ein. Robbie. Er war einer der wenigen, die sie über die letzten Wochen hinweg kennengelernt hatte und wirklich zu mögen gelernt hatte. Der Junge mit den blondbraunen Haaren und den haselnussbraunen Augen zwinkerte ihr zu, doch noch nicht einmal das beruhigte sie. Sie wollte weg und sie würde weggehen.

"Seit wann so gereizt, Robbie? Hast du deine Tage oder hat Riven vielleicht einen weiteren Verehrer? Ich habe mich doch nur gefragt, wo Helena und Jaxon sind. Wenn beide fehlen, was denkst du, was sie tun..."

"Ich kann nicht sagen, was Jaxon im Moment macht, aber was mich betrifft: Ich lausche gerade den Worten eines betrunkenen Vollidioten."

Riven konnte förmlich spüren, wie ein Felsbrocken von ihrem Herzen fiel, als Helena aus der Dunkelheit trat und sich neben Grayson auf den Boden setzte. Ihm zuvor noch einen Schlag auf den Hinterkopf verpasste. Dann wandte sie sich an Riven, als könnte sie fühlen, wie unsicher das rothaarige Mädchen in diesem Moment gerade war. Helena schüttelte ihren Kopf, ein kleines Lächeln auf ihren Lippen. Ein wahres Lächeln, kein falsches. Und es war das Einzige, was sie tun musste, damit Riven verstand, was tatsächlich zwischen Helena und Jaxon abgelaufen war. Nichts. Überhaupt nichts. Und das nicht mehr, seit sie die beiden vor einigen Wochen unterbrochen hatte.

"Du bist ein verfluchter Idiot.", zischte Helena Grayson zu und obwohl es bemüht leise war, hörte Riven es und wahrscheinlich auch der Rest der Runde.

"Es war eine berechtigte Frage, jeder hier weiss, dass ihr beiden vögelt, sobald man euch für zwei Sekunden aus den Augen lässt. Die Neue wäre dumm, würde sie etwas anderes denk..."

"Jetzt halt gefälligst deine Klappe!", knurrte Silas wütend und stand abrupt auf, "Ein weiteres Wort aus deinem Mund über Riven, welches in meinen Ohren nicht nach einem verfluchten Kompliment kling und du wünscht dir, dass du niemals den Mund geöffnet hättest.", sprach er um einiges ruhiger als erwartet, doch seine Körperhaltung machte deutlich, dass er nicht mehr entspannt war. Er stand kurz davor, Grayson in den salzigen Wellen des Meeres zu ertränken.

"Wenn du etwas an Riven oder Jaxon auszusetzen hast, solltest du es ihm ins Gesicht sagen. Letztemdlich wissen wir alle, dass du zu feige dazu bist, also tu uns doch alle den Gefallen und halt den Mund!"
Nach wenigen Sekunden drehte Silas sich um und lief weg. Und Riven wäre ihm gefolgt, hätte sie nicht gesehen, dass dies bereits Yena übernahm.

"Was ist gerade passiert?", wisperte Riven verwirrt. Sie war sich nicht ganz sicher, ob sie es sich nur eingebildet hatte. Silas war immer freundlich gewesen, zumindest meistens. Und sie hatte auch schon einige Male mit ihm gesprochen, doch sie wäre nie so weit gegangen und hätte ihn und sich als Freunde bezeichnet. Wieso also hatte er sie verteidigt?

"Du verstehst ihn und Jaxon noch immer nicht, was? Silas hat dich verteidigt, nicht um deinetwillen, sondern weil er weiss, dass Jaxon es getan hätte, wäre er anwesend gewesen. Die beiden kämpfen nicht einfach bloss für einander, sie kämpfen für die Ziele des Anderen, sie kämpfen für das, was dem Anderen wichtig ist und sie stehen für den Anderen ein. Das ist das, was Silas eben getan hat. Er hat verteidigt, was Jaxon etwas bedeutet. Dich. Er hat getan, was Jaxon getan hätte."

CopperyWhere stories live. Discover now