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Sie spürte Wärme

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Sie spürte Wärme. Wärme an ihren beiden Wangen und ihrem Oberkörper. Sie spürte Atemzüge in ihrem Gesicht, welche nicht ihr gehörten und letztendlich hörte sie auch einzelne Worte, die Hälfte dieser Worte waren ihr Name. Und als ihre Augenlieder zu flattern begannen und sie sich schliesslich öffneten, sie einige Male blinzelte, erkannte sie ihn vor sich. Rotes und gelbes Licht spielte in seinem Gesicht, Schatten sprangen darüber und erzeugten ein Schattenspiel, welches sie für eine Weile bewunderte, als würde sie davon hypnotisiert werden, bis seine Stimme erklang. Er konnte nicht real sein. Wahrscheinlich ein weiterer Traum, aber das interessierte sie nicht. Wenn sie ihn in der Realität nicht haben konnte, dann zumindest im Traum.

"Riven!"

Sie blinzelte, als von seinen Haaren eine unbekannte Flüssigkeit auf sie hinunter tropfte, sein Gesicht war mit so viel Schmutz überzogen, dass beinahe kein Fleck in seinem Gesicht noch die natürliche Farbe seiner Haut besass. An seiner Stirn und seiner Wange erkannte sie Schnitte und Schürfwunden, welche nicht mehr bluteten, allerdings einmal geblutet hatten. Ein kleiner Umkreis um seine Augen war die einzige Stelle ohne Schmutz, als hätten die Tränen, die er vergossen hatte, den Schmutz mit sich fortgezogen, als sie von seinem Gesicht auf die Erde gefallen waren. Gebrochen, aber immer noch wunderschön.

"Jaxon.", wisperte sie leise, viel leiser, als sie beabsichtigt hatte, doch ihre Stimme funktionierte nicht mehr so, wie sie es gerne wollte. Sie war rau, sie war erschöpft und ausgepowert. Langsam hob sie ihre Hand, um sie auf seine Wange zu legen und zu überprüfen, ob sie seine Haut spüren konnte und das tat sie. Warm, weich und voller Leben unter ihren Fingerspitzen. Und dann hörte sie ihn, wie er ihren Namen flüsterte. 

"Riven."

Er lebte. Er lebte und hatte sie gefunden. Sie schluchzte auf, nicht wissend, ob es vor Erleichterung, vor Erschöpfung oder doch vor Trauer war. Ein kleines Lächeln bildete sich auf seinem Gesicht, als seine Hände über ihr Gesicht fuhren, all die frischen Tränen entfernten, genauso die Spuren von alten Tränen, bevor er selbst aufschluchzte, ihren Oberkörper vorsichtig vom Boden hochzog und sie an sich drückte, sein Gesicht in ihren nassen, kupferfarbenen Haaren vergrub. Er roch nach Zimt, nach Zimt und Hoffnung. 

Ihr Körper zitterte in seinen Armen. 

"Es tut mir so Leid...", wimmerte sie nahe an seinem Ort, "... so Leid. Es tut mir so Leid. Ich hätte nicht gehen sollen."

"Ich hätte dich nicht gehen lassen sollen.", erwiderte er leise und strich beruhigend über ihren Rücken, welcher dadurch, dass ihr weinrotes Shirt an manchen Stellen zerrissen war, vollkommen freigelegt war. Ihre Haut brannte heiss unter seinen Fingern.

"Ich habe gedacht, du wärst tot."

"Er wäre es. Er weiss einfach nicht, wann er es unterlassen soll, jemandem zu helfen.", gab eine bekannte Stimme von sich, wenige Sekunden später trat Silas ins Licht des Feuers einige Meter weiter hinter Jaxon, "Auch wenn ich dir für die letzte Rettung wirklich dankbar bin, Jax."

Jaxon liess langsam von Riven ab, behielt allerdings ihre Hände in seinen, als er sich zu Silas drehte.

"Du hast mir zweimal das Leben gerettet, Silas. Denkst du wirklich, ich würde zögern, um deines zu retten?", sprach er ernst, bevor er zögerlich zu lächeln begann. "Du beschützt mich, ich beschütze dich. So funktioniert unsere Freundschaft, nicht?"

Aber sein Lächeln fiel in sich zusammen, als Riven ihre Hände aus seinen nahm und langsam aufstand, dabei leise vor Schmerzen aufstöhnte. Ihr Körper war schwer, schwer und er brannte vor Schmerzen. Sie setzte sich dennoch nicht wieder auf den Boden, sondern blieb stehen und wandte sich dem Wald vor ihnen zu. Jaxon fuhr hoch.

"Was ist los?", gab er besorgt von sich und überbrückte den Abstand zu ihr. Automatisch legte er seine Hände an ihre Hüfte. Er brauchte diesen Körperkontakt mehr als alles andere, in Fakt, er fürchtete so sehr, dass er sie innerhalb von Sekunden wieder verlieren würde, dass er beinahe erstarrt war, als sie ihre Hände aus seinen genommen hatte.

"Nichts... es ist nur..." Ihre Stimme versagte. Sie starrte noch immer in die Richtung des Waldes, bevor sie die wenigen frischen Tränen wegwischte und sich räusperte. "Wir sollten nicht hier sein, nicht so nahe am Wald, wir sollten nicht hier... wir...", sprach sie hektisch und drehte sich in seinen Händen um, "... es wird kommen. Und wir werden nichts tun können, wir müssen gehen, wir müssen irgendwo... zum Strand! Dort werden wir sicher..."

"Shhhh, Riven!", wisperte er und versuchte Augenkontakt mit ihr herzustellen, was um einiges schwieriger war als erwartet, da ihre Pupillen hin und her, von links nach rechts schossen. Doch er schaffte es. "Ich weiss nicht, was du im Wald erlebt hast, aber der Strand und das Wasser ist nicht sicher, wir müssen so weit weg davon, wie nur möglich..."

"Nein! Nicht in den Wald, nicht in den Wald! Irgendetwas ist dort drin und es... wie viele Jugendliche leben noch? Im Wald, sie... es müssen so viele tot sein, sie haben geschrien, sie...!", rief sie verzweifelt und fuhr sich mit zitternden Fingern durch ihre nassen Haare. Sie würde keinen einzigen Schritt in den Wald setzen. Nicht, nach all dem, was passiert war. "Jaxon, ich habe Angst. Eine so grosse Angst, dass ich kaum atmen kann."

"Hey Riven, sieh mich an! Alles ist okay. Alles ist gut. Ich werde nicht zulassen, dass dir etwas passiert, ich werde nicht zulassen, dass Silas etwas passiert, ich werde euch beide mit meinem Leben beschützen, das verspreche ich dir."

Schluchzend legte sie ihre Hände über die seinen. 

"Das ist wahrscheinlich das, was mir am meisten Angst einjagt, Jaxon. Gib mir dieses Versprechen nicht, gib mir das Versprechen, dass du alles tust, um dich selbst zu retten."

"Ich kann nicht.", sprach er leise. Er konnte sie kaum ansehen, er wollte es nicht sehen. Wie sie zitterte und weinte. Dennoch tat er es und versuchte sie so zu halten, dass sie seinem Griff nicht entkam, zum Einen, weil er sie bei sich haben wollte, zum Anderen, weil er befürchtete, dass sie aus einer Reaktion heraus in die Nähe des Wassers rennen könnte. Und das musste er befürchten, weil er ihre Gedanken nicht mehr lesen konnte. Auch nicht diejenigen von Silas. Selbst die Gefühle der Anderen waren schwach, kaum wahrnehmbar. Diese Veränderung hatte er gespürt, nach dem Vorfall am Strand. Irgendwann, als Silas und er schweigend über den Strand gelaufen waren, hatte er gemerkt, dass er Silas Gedanken nicht mehr hörte, seine Gefühle nicht mehr wirklich spürte, als hätte der Vorfall zuvor, welcher ausgelöst hatte, dass eine Welle aus Gefühlen ihn überschwemmt hatte, seine Gabe zum Platzen gebracht. Obwohl es neu für ihn war, er sich deswegen hilflos fühlte, so war er grösstenteils darüber erleichtert. Mit der Dunkelheit und dem Chaos war eine Zeit angebrochen, in der er die Gedanken und Gefühle der Anderen nicht mehr hören wollte. Sie waren zu schmerzhaft.

"Sie sind nicht mehr hier, Jaxon. Katharina, Robbie und Yena. Und wahrscheinlich noch so viele mehr."

Aus den Augenwinkeln heraus sahen sie beide, wie Silas bei Yenas Namen zusammenzuckte. Und sofort bereute Riven ihre Worte. 

"Silas, es tut mir so Leid.", wisperte sie und auch Jaxon wandte sich ihm zu. 

"Silas..."

"Es ist in Ordnung. Ich habe bereits damit gerechnet.", murmelte er leise, liess sich gleichzeitig allerdings auf den Boden fallen. Jaxon zog Riven mit sich zu seinem Freund und legte ihm so eine Hand auf die Schulter, er wusste, dass Silas keine Umarmung wollte und auch keine Worte des Mitleids, einfach bloss eine kleine Geste des Mitgefühls. Eine Stille legte sich über die Drei.

Dann erklang ein hoher Schrei, den alle von ihnen zusammenzucken liess. Er stammte von einem Mädchen.

"Gwen.", wisperte Jaxon, der die Stimme erkannt hatte und schluckte. 

Riven sank zu Boden und zog ihre Beine an ihren Körper, um dahinter ihr Gesicht zu verbergen. Sie bekam mit, wie Jaxon sich umdrehte, seine Hand von Silas Schulter nahm, einige Schritte von ihnen beiden weg machte und sich wütend und gestresst durch seine Locken fuhr. Dann begann er zu schreien. Wütend und verzweifelt und so lange, dass Riven in den herzzerreissenden Schrei mit ihren Schluchzern einstieg. 

CopperyOù les histoires vivent. Découvrez maintenant