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Ein letztes mal überlegte ich, ob ich das wirklich tun sollte. Doch ich entschied mich dafür und schlich leise die Treppen nach unten. Die Jungs meinten, ich kann immer zu ihnen kommen. So oft habe ich dass ja noch nicht getan, aber ich glaube jetzt ist der richtige Moment dafür. Allem Anschein nach waren sie gerade fertig mit essen, denn man konnte hören, wie sie den Tisch abräumten. Eine kurze Zeit lang stand ich im Türrahmen, bis ich den Mut hatte um überhaupt etwas zu sagen. "Alex?", murmelte ich leise. Sofort richtete sich die Aufmerksamkeit der Leute auf mich. Ich sah zu Boden. Ich ertrag diese Blicke nicht. Alex schob mich sanft ins Wohnzimmer und wir setzten uns aufs Sofa. Ich glaub er hat bemerkt, dass ich mich bei denen ganzen Blicken unwohl fühlte. Ich wollte irgendwas sagen. Ihm sagen wie scheiße es mir ging, doch ich brachte keinen Ton raus. Ich spürte, wie er mich musterte. "Was ist los, hmm?", fragte er ruhig. "I-Ich will es wieder tun", stotterte ich leise und die ersten Tränen liefen meine Wange herunter. Ich bin mir nicht sicher ob er versteht, was ich meine. "Dich selbstverletzen?", versicherte er sich vorsichtig. Ich nickte. "Dieser Druck. Ich halte das nicht aus.", meine Stimme wurde lauter. Diese ganzen Gefühle, die sich in den letzten Tagen und Wochen angesammelt hatten mussten raus. Alle. "Ich will sterben.", schluchzte ich laut und damit meinte ich mindestens so laut, dass die in der Küche das bestimmt auch gehört haben. Aber das war mir gerade ziemlich egal. Ich stand auf und lief in den Garten. Ich brauche frische Luft. Zumindest jetzt. Alex ging mir zügig hinterher. Als er mich eingeholt hatte, zog er mich in eine feste Umarmung. Ich ließ meinen Tränen nun freien Lauf. Ich kann nicht genau sagen, wie lange das ging, aber ich war unglaublich froh, ihm es gesagt zu haben. Die Gedanken waren zwar immernoch da, aber ich fühlte mich sicher und irgendwie auch verstanden. "Lass es raus, alles wird gut", meinte der Notarzt ruhig und strich mir beruhigend über den Rücken. So hatte ich mir immer eine perfekte Familie vorgestellt. Einen Vater, der mich nicht Schlägt, der mich einfach akzeptiert und immer hinter mir steht, egal was passiert. So wie Alex eben. Nach einer Weile konnte ich mich wieder einigermaßen beruhigen. Ich will nicht wissen, wie das ausgegangen wäre, hätte ich mich ihm nicht anvertraut. "Sollen wir uns Mal hinsetzen?", Fragte er in die Stille und deutete auf die Terrassenmöbel hin. Schwach nickte ich. Also setzten wir uns hin. Sein arm lag um meine Schulter und ich lag weinend auf seiner Brust.
"Willst du mir erzählen wieso?", ich frag mich, ob er schonmal solche Fälle hatte, so Leute sich umbringen wollten. Denn er blieb so professionell und ruhig. Wahrscheinlich wurde er darauf nur geschult.
"Ich komm mir so nutzlos vor. Wie eine Last. Für jeden in meinem Umfeld. Ich fühle mich überall so unerwünscht, obwohl ich weiß, dass das nicht so ist. Die ganze Zeit passiert mir nur scheiße und ich falle euch allen zur Last. Und wenn ich mir vorstelle, wie das Leben ohne mich wäre, ist alles besser. Ich wünschte ich wäre nie geboren", murmelte ich mit viel Überwindung. Dann war wieder eine Weile lang Ruhe. Anscheinend musste er da sich erst drüber nachdenken. "Kira, du bist keine Last für uns, das musst du mir glauben. Und du bist schon garnicht unerwünscht, im Gegenteil. Wir freuen uns immer wenn du da bist. Du weißt ja garnicht, wie leer das Haus sich angefühlt, als du die Woche im Krankenhaus warst. Zu den ganzen Ereignissen, klar war es jetzt ein bisschen viel in der letzten Zeit, aber da kannst du doch nichts dafür. Dinge passieren eben. Es liegt nur an dir, was du daraus machst.", er machte eine Pause und atmete tief durch, "Weißt du was? Ich bin unglaublich stolz auf dich, dass du den Mut gefunden hast zu mir zu kommen und mir das zu erzählen. Nicht alle können das. Deswegen sag ich's auch nochmal. Du kannst immer zu uns kommen, wenn was ist. Außerdem sind die Sachen Abends meistens immer viel schlimmer, als den Tag darauf. Aber wenn's dir morgen immernoch schlecht geht, dann rede mit mir. Ich bin für dich da, okay?"
Es war so beruhigend ihm zuzuhören. Vielleicht hatte er auch Recht. Wie oft ging's mir abends scheiße und am nächsten Morgen wieder gut.
"Danke. Für alles.", flüsterte ich ihm leise zu. Es tut wirklich gut darüber zu sprechen.  Hätte das früher jemand zu mir gesagt, hätte ich das nie im Leben geglaubt. Damals hatte ich ja noch nicht die Personen, mit denen ich über sowas reden konnte. Aber jetzt halt schon. Mein Leben war schon scheiße. Und ist es zum Teil noch. Aber ich darf nicht aufgeben. Es gibt zurzeit so viele Personen, für die es sich lohnt zu kämpfen. Und Alex ist eine davon.
In einer gewissen Weise erleichtert, ging ich wieder nach oben. Ich hörte wie Alex mir folgte und sich auf meinen Schreibtischstuhl setzte, während ich mich schon zudeckte. Fragend sah ich ihn an:"Was wird das jetzt?" Er lächelte leicht.
"Ich will nur sichergehen, dass du gut einschläfst", argumentierte er. Ich weiß das klingt komisch, aber seine Anwesenheit beruhigte mich. Es fühlte sich an, wie ein Stück meiner Kindheit, das ich nie hatte. "Gut' Nacht", murmelte ich noch, bevor ich dann ruhig einschlief.

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Meine Psyche bei diesem
Teil be like: 🙂🔫
Man liest sich im nächsten Teil<3

ASDS//Problemkind Where stories live. Discover now