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Nach weiteren Sekunden, in denen ich nur auf die Unfallstelle schauen konnte, atmete ich tief durch und riss mich zusammen. Im Vollsprint rannte ich auf die beiden Autos, die miteinander kollidiert sind, zu. Die genaue Unfallursache konnte ich mir in der kurzen Zeit noch nicht wirklich erschließen, zumal ich es ja auch nicht gesehen hatte. Trotz der Aufregung probierte ich ruhig zu bleiben und keine Panik zu schieben, das würde nämlich zu diesem Zeitpunkt niemandem weiterhelfen. Während ich am ersten Auto nach den Insassen sah, griff ich mit meiner Hand in die Hosentasche, um den Notruf zu wählen. Doch ich fand mein Handy nicht. Mit leichtem Entsetzen musste ich feststellen, dass es ja noch in der Küche lag. Auch nicht sonderlich praktisch in diesem Moment. Irgendjemand wird ja den Notruf gewählt haben. Hoffe ich mal. Als ich festgestellt hatte, dass die Personen in dem einen Auto, lediglich ein paar Schürfwunden hatten und nur etwas neben der Spur standen, schaute ich kurz zum anderen Auto. Augenscheinlich war ich hier wirklich die einzige, die irgendwas tat, denn obwohl der Fahrer bewusstlos war, standen alle nur am Rand und glotzten. Ich könnte Aggressionen bekommen. "Bleiben Sie bitte sitzen, Hilfe ist unterwegs", beruhigte ich die Dame, die sehr unruhig war. Das Kind auf dem Rücksitz, sowie der Vater verhielten sich ruhig. Ich hoffe, das bleibt wenigstens noch so.
"Hat jemand schon den Notruf gerufen?", schrie ich Richtung Passanten, während ich nach der bewusstlosen Person sah. Ein kleiner Stein fiel mir von Herzen, als dies bestätigt wurde. Dieser kam aber innerhalb Sekunden wieder, als ich bei dem älteren Herren keinen Puls mehr fühlte. Verdammt. "Hilf mir mal ihn rauszuholen, er hat kein Puls", wendete ich mich an einen Mann, höchstens 20, der sowieso gerade auf mich zu gekommen ist. Mit seiner Hilfe legte ich den Fahrer auf dem Boden ab. "Ich wiederbeleb' den aber nicht, da mach ich bloß mehr kaputt", und schon war der Typ schon wieder weg. Augenverdrehend sah ich ihn an und begann mit der Herzdruckmassage. Das war das erste Mal, dass ich sowas überhaupt machen musste, aber mein Gefühl sagt mir, dass ich es richtig machte. Aus der Ferne hörte ich schon die Sirenen, dennoch fühlte es sich wie eine Ewigkeit an, die Reanimation durchzuführen. Deutliche Anzeichen von Erschöpfung zeigten sich bei mir, doch ich gab nicht auf, immerhin stand ein Menschenleben auf dem Spiel. Neben dem Unfallsort kamen die Rettungswägen zum stehen. Genau in dem Moment, als ich endlich wieder einen leichten Herzschlag fühlen konnte. Völlig außer Atmung sah ich zu Paula, ein bekanntes Gesicht zu sehen, war in diesem Augenblick garnichts so schlecht. "Er hatte einen Herzstillstand, wir haben ihn rausgezogen und reanimiert. Irgendwas hat geknackst.", Schilderte ich ihr schnell und immernoch schwer atmend. Vorsichtig stand ich auf, taumelte zurück und lehnte mich an den Unfallwagen. Eigentlich wollte ich nicht weiter zusehen, wie sie den Patienten versorgen, aber mein Blick blieb trotzdem dort. "Kira? Warst du in den Unfall verwickelt?", erschreckte mich plötzlich die Stimme von Stephan. Ich drehte meinem Kopf zu ihm und schüttelte den Kopf.
"Zeuge. Mehr oder weniger", murmelte ich. Als Zeuge würde ich ja noch nichtmal durchgehen, gesehen hab ich ja nichts.
"Geht's dir gut? Du bist so blass", wollte er besorgt wissen. Eher abwesend nickte ich. Mein Blick streifte über die Kreuzung. Ein weiteres Rettungsteam war am zweiten Auto und ein zweiter Polizist stand bei den Leuten, die die ganze Zeit nur zugeschaut hatten. "Hast du gesehen, was hier passiert ist?", fragte er weiter. Ich sah wieder zu ihm. "Ne, ich war eigentlich wieder auf dem Weg zur WG und dann hat es geknallt. Ich hab nach den Insassen geschaut und ihn reanimiert. Die haben alle bloß zugeschaut.", erklärte ich und zeigte mit einem minimalen Kopfschütteln zu den Schaulustigen. Der Polizist notierte das Gesagte in seinem Notizbuch. Aus dem Augenwinkel sah ich, dass der Mann wohl kurz bei Bewusstsein war und Paula irgendwas sagte. Ich schaute zu ihr und beobachtete sie dabei, wie sie näher kam. "Der Mann sagte eben etwas, von einem Blonden machen, welches ihm vor das Fahrzeug gelaufen ist. Ob er sie angefahren hat, weiß er aber nicht mehr", informierte sie Stephan und widmete sich dann mir mit einem besorgten Blick:"Bei dir alles okay?" Erneut nickte ich. Diesmal stimmte es ja sogar. Zwar war das ganze mehr als anstrengend und ich schätze, dass es mir noch ziemlich lange im Gedächtnis bleiben wird, aber mein Kreislauf hatte sich vorerst davon erholt.
"Jacky", flüstertr ich leise, als sie mir wieder einfiel. Die Wahrscheinlichkeit war vorhanden, dass sie das blonde Mädchen war von dem der Fahrer sprach. Aufmerksam schaute ich mich um. Wenn sie ihm wirklich vor das Auto gelaufen ist, dann kann sie ja nicht weit gekommen sein. "Was ist mit Jacky.", Kam es von Stephan, der mich skeptisch musterte.
"Sie ist vorhin weinend rausgerannt, deswegen bin ich ja auch hier. Hier hab ich sie das letzte mal gesehen. Was ist wenn sie angefahren wurde?", meine Stimme wurde deutlich aufgeregt. Die Sorgen um Jackys Zustand nahmen überhand und ich wurde nervös. Paula reagierte dahingehend sofort und legte mir ihre Hände auf die Schulter. Fragend sah ich sie an. "Ganz ruhig, Kira. Wir werden sie finden", sprach sie besänftigend und warf einen auffordernden Blick zu Stephan, der zu seinem Kollegen ging. Ich selber konnte es, aber nicht lassen weiter in der Gegend herumzuschauen. "Da ist sie!", mein Finger schnellte in die Richtung, in der ich die zusammengekauerte Frau entdeckt hatte. Mein Versuch loszurennen wurde sofort von der Notärztin unterbunden, die es daraufhin selber tat. "Stephan, sie ist da hinten", informierte ich die Polizisten lautstark und wies wieder in die besagte Richtung. Auch die zwei Beamten machten sich nun auf dem Weg zu Paula. Bitte lass es Jacky gut gehen.

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Man liest sich im nächsten Teil<3

ASDS//Problemkind Where stories live. Discover now