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Irgendwann war ich wohl eingeschlafen, denn  als ich das nächste mal meine Augen öffnete, war Alex bereits gegangen und das Mädchen hatte anstatt ihrem Handy ein Buch in der Hand. Langsam setzte ich mich auf und atmete erstmal tief durch. Mein Kopf hatte ja vorhin schon wehgetan, doch jetzt war es wieder ein bisschen schlimmer geworden.
"Ich soll dir von dem Notarzt sagen, dass er heute Abend nochmal vorbeikommt. Ich bin übrigens Charlotte aber alle nennen mich Lotte und du?", begann das Mädchen neben mir auf einmal zu sagen. Sie sah wirklich sehr freundlich aus und das leichte grinsen verstärkte das nur.
"Ich bin Kira, schön dich kennenzulernen", stellte ich mich höflich vor. Musste jedoch dann lachen, weil ich mich wie in einem Film fühlte. "Das Vergnügen ist ganz meinerseits", säuselte sie ebenfalls lachend zurück. Vielleicht wird der Aufenthalt hier doch garnicht so schlimm. Nach und nach kamen wir beide ins Gespräch und ich fand heraus, dass sie sogar schon 16 ist, obwohl sie viel jünger aussieht. Außerdem hat sie zwei kleine Geschwister, wohnt bei ihrer Oma, da ihre Eltern abgehauen sind und ist wegen einem Moped Unfall für ungefähr eine Woche hier. Ich berichtete ihr von dem Chemie Unfall, welchen ich auch ein bisschen als Grund für meinen Aufenthalt sah und gemeinsam spekulierten wir, was dort schief gegangen sein könnte. Durch unsere lange Konversation, verging die Zeit wie im Fluge und schon bald kam eine Schwester mit dem Abendessen. Während sie Lotte das Tablett stumm mit einem Lächeln hinstellte, bat sie mich wenigstens ein bisschen davon zu essen. Spätestens jetzt müsste es dem Mädchen klar sein, was los ist. Vorsichtig hob ich den Deckel und betrachtete skeptisch die Nudeln mit Tomatensoße die sich vor mir befanden. Dabei blieb es dann auch vorerst.
"Erzähl Mal, wieso möchtest du nichts essen?", Unterbrach mich Lotte und blickte mich fragend an. Ich zuckte lediglich mit den Schultern.
"Allein der Anblick löst bei mir Übelkeit aus. Ich hab einfach keinen Hunger", nuschelte ich und ließ mich mit verschränkten Armen in das Bett fallen.
"Ich kenn das, eine Freundin von mir hat auch sehr lange mit ner Essstörung gekämpft. Du musst aber auch kämpfen, ich glaube nämlich nicht dass du in der Psychiatrie landen möchtest oder?", Ihre Stimme war ruhig und einfühlsam. Nein, auf Klapse habe ich wirklich keinen Bock.
Vorsichtig schüttelte ich den Kopf.
"Wie wäre es, wenn du jetzt zwei Gabeln isst und morgen dann drei? Der Anfang ist schwer, aber sobald du dich wenigstens wieder an Nahrung gewöhnt hast, wird es einfacher, glaub mir", sie klang so klug. Ich glaube sie hat Recht, der Anfang wird am schwersten sein. In ihrer Stimme schwang so viel Überzeugung und Mut mit, dass ich mich geschlagen gab und mit leicht zittriger Hand zur Gabel Griff und die Nudeln aufrollte. Wie in Zeitlupe bewegte sich das Essen auf meinen Mund zu, bis ich mich endlich überwand einfach zu machen. Ich zerkaute es eine gefühlte Ewigkeit. Am liebsten würde ich es wieder ausspucken. Aber ich riss mich zusammen. Nach einer Ewigkeit hatte ich es dann auch Mal runtergeschluckt.
Sie hatte zwar zwei Gabeln gesagt, aber ich war vorerst zufrieden und da es sich jetzt schon so anfühlt, als würde direkt alles wieder hochkommen, belasse ich es Mal lieber dabei. Sonst wäre es alles für die Katz gewesen.
"Ist doch schonmal ein Anfang", kaum hatte Lotte lächelnd dieses Lob ausgesprochen, klopfte es an der Tür, die kurz danach aufging. Es war die Schwester von vorhin, gefolgt von Alex, der sich inzwischen schon umgezogen hatte. Kommentarlos nahm die Pflegerin unser Essen beziehungsweise das Tablett und verschwand damit wieder.
"Na? Hast dich wieder beruhigt?", begrüßte mich Alex leicht schmunzelnd. Ich setzte eine überlegene Miene auf, um ihn zu ärgern. Denn wirklich sauer war ich nicht mehr. Bringen tut's ja nichts. Jetzt war ich sowieso hier.
"Sie hat sogar was gegessen", legte das Mädchen neben mir ein gutes Wort für mich ein. Sie ist echt korrekt. Und so perfekt. Der Notarzt schaute erst sie und dann mich mit hochgezogenen Augenbrauen an. Als würde er fragen ob das wirklich stimmt.
"Kleines bisschen", murmelte ich. Sonderlich viel war das ja nicht und ausreichend eigentlich auch nicht, aber immerhin etwas. Und das Ziel morgen mehr zu essen stand ja.
"Wenigstens etwas. Ich bin stolz auf dich", meinte er und setzte sich auf den Stuhl neben meinem Bett. Dann redeten wir noch ein bisschen. Aber da ich ja mit Lotte schon meinen Redebedarf gestillt hatte, war das nicht sonderlich lange. Froh, dass er aufgetaucht ist war ich trotzdem.
"Ich geh dann Mal wieder, muss morgen früh raus. Die anderen kommen bestimmt auch Mal noch vorbei. Bis morgen ihr zwei", verabschiedete er sich nach einer Weile und ein paar Augenblicke später, war er auch wieder weg. Charlotte, die in der Zwischenzeit wieder ihr Buch zur hand genommen hatte legte dieses weg und schaute mich erwartungsvoll an. Was hat sie jetzt vor?
"Ist was?", Fragte ich sie woraufhin sie nur grinste. "Was machen wir jetzt?", stellte sie mir die Gegenfrage. Irgendwie erinnerte sie mich an ein kleines Kind, dass immer irgendwas zu tun haben möchte. Ich zuckte nur mit den Schultern. "Hier rumsitzen oder liegen?", Die Antwort die ich gab klang eher wie eine Frage. Aber kein Wunder, immerhin verstand ich immernoch nicht woraufhin sie hinaus wollte. "Wie wär's mit einem nächtlichen Ausflug?", Sprach sie dann endlich ihr Vorhaben aus. Skeptisch musterte ich ihr immernoch grinsendes Gesicht. Außer der Tatsache, dass wir beide wahrscheinlich strengste Bettruhe hatten, bezweifel ich das. Wenn eine von uns zusammenbrichtt sind wir nämlich dezent am Arsch. Doch wer kann denn schon so einem süßen Hundeblick widerstehen?

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*Dieses Kapitel wurde in einem Wald fertigstellt lol*
Herzlich willkommen zur spontanen Lesenacht. Bis ca. 22 Uhr kommt alle halbe Stunde ein Kapitel (so fern es klappt)
Man liest sich im nächsten Teil<3

ASDS//Problemkind Where stories live. Discover now