Zwei Minuten Pause

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Um nicht entdeckt zu werden, verziehen sich die vier wieder durch den Hintereingang. Natürlich hat Alucard seine Handschuhe gewechselt, bevor er in das Zimmer gegangen ist. Mit solch dreckigen Händen würde er Alexandra nie anfassen. Wie schnell sich das aber geändert hat! Anfangs war sie für ihn nicht mehr als ein Blutbeutel. Sie war ein nervender Zusatz auf der Insel. Nichts mehr und nichts weniger. Zwar hatte er ihr zugehört, aber interessiert war er nicht wirklich. Doch in den letzten Tagen hat er abrupt umgeschlagen. Wurde immer beschützerischer. Hat ihr immer mehr durchgehen lassen und hat auch ihre Bemühungen anerkannt, die sie sich gegeben hat. Sie hat ihm ihr Blut gegeben, obwohl sie es erst regenerieren muss. Nur, damit ihm ein Shake schmeckt! Triviale Dinge haben ihre Bedeutung gefunden. Ihre kleinen Konter. Die manchmal dummen Sprüche. Ihre Sorglosigkeit, die sehr schnell ernst werden kann. Selbst wenn sie sich nicht für ihn entscheiden sollte, wird es nie wieder wie früher. 

Dem Pater geht es aber auch nicht anders. Das Leben wird, egal wie es in Zukunft ablaufen wird, nie wieder das gleiche sein. Die zwei Tage waren schon schwierig genug ohne sie. Immer wieder hatte er sich Gedanken darum gemacht, wie es ihr ginge. Wollte schon öfters anrufen, hatte sich aber zurückgehalten. Und jetzt? Sie ist mutig, aber auch durchaus mal dumm. Hat Ideen, die sie entweder nach oben schießen, oder nach unten fallen lassen. Er hat mit ihr viel durchgemacht und es war nicht immer positiv. Er ist ihr verdammt noch eins verfallen und Anderson weiß nicht, wie er damit umgehen soll. Natürlich gab es ein Leben vor der Kirche und eine Jungfrau ist er jetzt nicht mehr unbedingt. Auf freiwilliger Basis! Dann hat er sich der Kirche verschrieben und ist bis jetzt ganz gut auf dieser Schiene gefahren. Und jetzt? Jetzt ist er in dieser Situation gelandet und möchte hier nicht mehr weg. 

Bei Alex ist es ja schon länger so. Sie hatte schon immer einen kleinen crush, was Alucard angeht. Jetzt ist noch der Pater dazu gekommen. Einerseits ist Alucard einfach der fordernde von beiden. Der, der mit ihr die zweideutigen Witze macht. Der auch einfach mal so offen über seine Vorlieben sprechen würde, wenn er es nicht schon getan hätte. Er ist der aggressivere, der aber auch seine verletzliche Seite hat und bei dem man bei gewissen Dingen aufpassen muss. Seine Vergangenheit hat ihn gezeichnet. Ob er will, oder nicht. Alucard ist derjenige, der vor dir grinst und hinter dir weint. Der Pater hingegen ist der gefühlvollere. Der, der sich auch zurückhält und solche Dinge wie sexuelle Vorlieben erst vorbringen würde, wenn man kurz davor wäre. Er ist derjenige, der lieber kuschelt, als groß zu reden. Der, der dich abends auf der Couch in den Arm nimmt, sich neben dich legt und einfach nur geduldig wartet, bis du runter kommst. Wenn er dich reden lässt, hört er dir wirklich zu und gibt Ratschläge. Anders als die von Alucard. Er versucht das ganze irgendwie friedlich zu lösen. Alex braucht beides. Nicht ein einzelnes.

Im Wagen ist es still. Jeder hängt irgendwie seinen eigenen Gedanken nach und selbst Jeremej hat nichts, was er zu bereden hätte. Sie werden erst einmal zurückfahren, dort etwas essen, ein wenig ausruhen, alles besprechen und dann geht es zum nächsten Stützpunkt. Hoffentlich ist es bei den beiden geblieben und es gibt nicht noch mehr! Denn das wäre echt scheiße. Die gesamte Fahrt über ist es still und als der Russe am Haus anhält, steigen alle aus. Alex wartet an der Tür auf die drei und geht als letztes rein, nachdem sie den Pater auffordernd angesehen hat, sodass dieser vor ihr das Haus betritt. Mit einem lächeln tut er dies und sie macht die Tür zu. Zieht die Schuhe aus, geht in das Wohnzimmer und setzt sich vor den brennenden Ofen. Anderson sieht ihr kurz hinterher und blickt dann den schwarzhaarigen an. "Sie braucht echt eine Jacke. Haben die hier so etwas?" Vielleicht kann der Vampir ja danach fragen, immerhin kann er ihre Sprache. Alucard nickt, zieht sich selbst seinen Mantel und die Schuhe aus, ehe er zu Jeremej geht. "Habt ihr eine Jacke für sie übrig? Sie hat keine." Einkaufen wollen sie nicht unbedingt hier. 

Kurz denkt er nach, ehe er den Kopf schüttelt. "In ihrer Größe haben wir echt nichts da, tut mir leid. Aber..." Der Russe schmunzelt. "Wir können einkaufen gehen! Es gibt ein paar Läden, die hier gute Dinge verkaufen. Geht auf mich als... kleine Entschuldigung für mein Verhalten.", meint er und Alucard sieht ihn mit schmalen Augen an. Er hat überhaupt keine Lust zum Einkaufen. Aber sie braucht eine beschissene Jacke! Aber er hat keine Lust. Aber die Jacke! Seufzend dreht er seinen Kopf zu Alex, die sich mit ihren Händen und irgendwelchen Gestiken mit einem der hier sitzenden Männer unterhält. "Hey, Zecke. Wir gehen einkaufen. Du brauchst eine Jacke und vielleicht findest du noch was anderes. Unser... Bekannter hier kommt dafür auf. Kommst du?" Anderson, der ein Glas Wasser zum trinken bekommen hat, kippt das Wasser runter, schenkt nach und hält der jungen Frau seines hin, die gerade aufsteht. "Aber erst trinkst du was!"

Also sitzen sie ungefähr zwei Minuten nach der Ankunft wieder im Auto und fahren los. Wenigstens ist es noch von der vorherigen Fahrt warm. "Du, Alucard?" Der schwarzhaarige dreht seinen Kopf und sieht zu ihr nach hinten. "Hast du was rausbekommen, was irgendwelche Infos angeht? Irgendwelche Stützpunkte?" Die Kleine will wohl immer alles wissen, nicht wahr? Alucard dreht sich wieder nach vorn und nickt. "Es gibt noch zwei weitere Stützpunkte zu dem, den wir ausgeräumt haben. Einer ist in einem alten Steinbruch und der zweite soll irgendwo in den U-Bahntunneln sein. Willst du aussuchen, wo wir als erstes hingehen?" Alex sieht nachdenklich auf die Seite. "Einerseits wäre der abgelegene Ort was praktisches! Aber andererseits werden wahrscheinlich mehr in der U-Bahn produziert, weil man leichter da hin kommt und mehr Leute dazu Zugang haben." "Wie spät haben wir es?", fragt der schwarzhaarige und Anderson sieht aus dem Fenster, ehe er eine Kirchturmuhr entdeckt. "Kurz nach 11 Uhr. Wieso?" Die Urvampir nickt. "Wir nehmen den Steinbruch." Der Pater versteht schnell. Niemand will in den Tunneln sein, wenn viel los ist. Und Mittagszeit ist nun einmal nicht gerade wenig los, was die Menschen angeht. "Steinbruch?" Alex sieht die beiden erwartungsvoll an und Alucard nickt. "Steinbruch."

Die Insel der DimensionenWhere stories live. Discover now