Am Durchdrehen

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Verstehe einer diese verdammte Frau. Im ersten Augenblick noch sauer und beleidigt und im nächsten bittet sie ihn darum, einen Wendigokopf behalten zu dürfen! Oh, Herr. So gebe er ihm die Kraft, die Reise mit diesen zwei Personen hinter sich zu bringen. Und wenigstens Alexandra und er könnten unbeschadet davon kommen. Was mit dem Vampir geschieht, ist ihm relativ gleich. Misstrauisch beobachtet Anderson wie die blauhaarige den Kopf streichelt als wäre dieser eine Katze. Aber eines muss man ihr lassen. Der Wendigo versucht nichts mehr, was beißen angeht. Und auch keine Bewegungen des Körpers sind zu sehen, welcher in einiger Entfernung auf der Seite liegt. Scheinbar hat der Urvampir die beiden Vorderbeine wieder zurück zu dem Körper geschmissen. Aber keine Bewegung, die auf eine Gefahr hindeuten würde. Sein Blick geht wieder zurück zu Alexandra, die ihn erneut ignoriert.

Die kleine, blauhaarige Frau steht komplett durchnässt in diesem Dschungel. Hält den Kopf weiterhin fest. Die Haare kleben am Kopf, die Kleidung am Körper. Durch die tropische Lage der Insel ist es nicht kalt, aber trotzdem sehr unangenehm. Immerhin müssen sie nicht mehr duschen! Das ist wenigstens etwas. Ein kleiner Vorteil, was das alles angeht. Mehr jedoch findet selbst sie nicht. Was sie am liebsten hätte, wäre ihre eigene Dimension. Weg von allem und nur in ihrer Wohnung. In ihrem Bett. In ihrem eigenen Leben! Nicht hier. Wo sie eh anscheinend zu nichts nutze ist, außer Blutfabrik zu spielen. Oder der Pater versucht sie mal wieder zu bekehren. Das geht ihr auch gehörig gegen den Strich! Immer wieder dieser verdammte Gott. Wenn er existieren würde, hätte er sie überhaupt hier in diese Misere gebracht? Wären sie überhaupt hier? Sicherlich nicht! Aber die Gläubigen, in dem Fall Anderson, würden behaupten, dass es ja nur eine Prüfung Gottes ist. Prüfung am Arsch! Punkt.

Seufzend legt der geistliche den Kopf schief. "Alexandra. Ich verstehe ja, wenn du die wandelnde Leiche aka Alucard ignorierst. Aber warum mich? Was habe ich dir getan? Er hat sicherlich nicht recht, dass ich dich nur mitgezogen hätte." Erst lächelt sie, was ihn beruhigt! Doch dann wird ihre Ausstrahlung kalt. Die Mundwinkel gehen nach unten. "Das ist alles, was Ihr zu sagen habt?", fragt sie und er hat das Gefühl, einen Schritt zurückweichen zu wollen. "J-Ja. Aber was meinst du?" Er versteht nicht, wieso sie jetzt sogar noch wütender ist, als eh schon. Hat er jetzt einen Denkfehler, oder reagiert sie wirklich komplett über? Alex presst den Kopf ein wenig an sich. Die braunen Augen werden schmal. "Gut zu wissen.", erwidert sie und dreht sich um. Vollkommen vor den Kopf gestoßen, betrachtet der Pater die Rückseite der Frau. Was hat er jetzt schon wieder angestellt? Was hat er jetzt schon wieder falsch gesagt, dass sie so drauf ist? Kann ihm das mal einer erklären?

"Anfängerfehler.", ertönt eine höhnende Stimme und beide sehen zu Alucard, der wieder zurückgekehrt ist. Ohne Feuer. Aber seine Wunden sind zumindest verheilt. "Pater.... Ihr habt einen Anfängerfehler begangen, der Euch nun das Vertrauen unseres herzallerliebsten Menschen hier kostet." Alexandra verdreht nur die Augen. "Den Sarkasmus kannst du dir neben der Ananas in den Arsch schieben.", zischt sie leise und sieht dann auf den Schädel. Dieser öffnet und schließt nur leicht die Kiefer, ehe er wieder still ist. Doch der schwarzhaarige winkt nur ab. "Stimmungsschwankungen. Sicher, dass du nicht schwanger bist?" Sofort ertönt ein stinksaures: "VON WAS DENN?!", ehe die blauhaarige sich wieder dem Schädel zuwendet. Der Pater sieht sie mit einer Mischung aus Sorge und Tadel an. "Du solltest wirklich beten, Alexandra.", meint er und beide Männer merken, wie ihr etwas auf Stimmbänderhöhe liegt. Sie sehen sich an. Dann sie. "Alexandra. Ich rede mit dir. Hast du mich verstanden? Ich weiß, dass du nicht wirklich religiös bist, aber-" "Stopp."

Die leise Stimme des Menschen lässt ihn verstummen. Alucard kann sich denken, dass jetzt etwas durchaus Interessantes kommen wird und verschränkt nur die Arme. Wartet auf die Show, die sich entfalten wird. "Es gibt keinen Gott. Und wenn du stirbst, bist du einfach nur tot. Der Himmel ist auch nur ein verdammtes Märchen, um Kinder abends ins Bett zu bringen!" Sie dreht sich komplett zum Pater, der sie irritiert beobachtet. "Manchmal frage ich mich wirklich, ob ich falsch liege. Aber dann schließe ich meine Augen und denke mal logisch nach. Niemand wacht über uns, weil es niemanden interessiert! Am Ende werden wir eh alle sterben. Sogar Alucard irgendwann! Und wir werden alle allein sterben." Ein leicht verächtliches Schnauben des Urvampirs ist zu hören. Er und sterben? Ganz sicherlich nicht. Auch, wenn er es sich wünschen würde. Eines Tages nicht mehr auf dieser Erde zu wandeln ist ein Wunsch, den er tief in sich hegt und pflegt.

Alex dreht sich nun auch zu ihm. "Wenn ich für immer leben könnte, würde ich es tun. Wirklich! Alles einfach hinter mich lassen. Alles, was ich je in meinem Leben angestellt habe. Aber es ist nicht so und jeder Tag ist der gleiche Scheiß." Kopfschüttelnd presst sie die Lippen aufeinander, ehe sie lächelt. "Und selbst wenn ich eine Gläubige wäre... und der 'Herr' würde es wissen, dass ich es probiert habe daran zu glauben! Ich könnte wahrscheinlich friedlich die Augen schließen und an dem Tag, an dem ich sterbe, in den Himmel gehen!" Die Mundwinkel gehen nach unten. Der Blick auf den leicht überforderten Pater. "Aber es gibt keinen GOTT!" Ein Moment der Stille herrscht, ehe Alucard in schallendes Gelächter ausbricht. Der Geistliche weiß nicht, was er darauf antworten soll und ist im Augenblick besser still, als es sich irgendwie mit ihr zu verscherzen. Und er weiß immer noch nicht, was er vorher Falsches gesagt hat, dass zu diesem Ausbruch geführt hat.

Nach einer Weile schafft es der Vampir, sich ein wenig zu beruhigen. "Ich wusste nicht, dass du doch noch ganz unterhaltsam sein kannst!", ruft er und grinst breit. "Stimme ihr nicht auch noch zu, du wandelnder Tod! Und jetzt erklär mir mal lieber, was du mit Anfängerfehler meintest!" Pater Anderson bekommt aber keine Antwort. Nur ein weiteres Grinsen. Da kommt ihm doch glatt die Faust aus. Leicht geschwächt durch die Attacke des Wendigos und dem fehlenden Blut, kann der Vampir dem Schlag nicht ganz ausweichen. Auch deswegen nicht, weil er wieder anfangen musste zu lachen. Alucard weicht sofort zurück, spürt die Schmerzen aber auf der linken Wange und verzieht das Gesicht. "Soll ich Euch töten, Pater?", fragt er drohend, während dieser auf ihn zugeht. "Beim Töten bin ich dabei. Ist nur die Frage, wer von uns beiden dem Tod entgegenstehen wird.", erwidert der Geistliche ruhig und schlägt noch einmal zu. Doch diesmal kann Alucard ausweichen und schlägt zurück. Ohne Waffen bleiben ihnen nur noch die Hände. Alex zieht eine Augenbraue hoch und sieht auf den Schädel runter, ehe sie die kämpfenden beobachtet. "Jap... jetzt sind wir alle am Durchdrehen.", murmelt sie und nickt.

Die Insel der DimensionenWhere stories live. Discover now