Drei Steine

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Entschlossenen Schrittes und doch vorsichtig, um nicht auf den nassen Stufen auszurutschen, geht Alex zum Portal. Schritt für Schritt. Die Verzweiflung der beiden ist spürbar. Zumindest die, von Pater Anderson. Sie hat aus dem Augenwinkel die Reaktionen der beiden gesehen und es tut ihr leid. Ja. Aber sie muss es tun. Es gibt keinen anderen Weg daran vorbei. Die blauhaarige stellt sich vor das Portal auf das Plateau und sieht in den Strudel aus Erinnerungen. Woher auch immer die Dinger diese Erinnerungen haben, sie stimmen. Sie sieht ihre Eltern. Ihre Brüder. Ihre Schwägerin. Ihren Neffen. Ihre Freunde. Ihre Wohnung. Ihre Arbeit. Ihr gesamtes Leben. Alles davon ist wahr. Alles davon stimmt. Nichts ist irgendwie falsch.

Aber jetzt kommt das, was Alex spontan in den Kopf gekommen ist. Sie weiß nicht, wohin das Portal wirklich führt. Sie hat keinen Beweis, dass es in ihre Dimension führt. Zwar ist sie erst aufgewacht, aber ihr Hirn läuft schon auf Hochtouren. Als sie ihre Hände in der Erde vergraben hat, konnte sie mehrere relativ große Steine in ihrer Hand verbergen. Und wenn dieses Portal wirklich in eine andere Dimension führen sollte, dürften die Steine weder zurück kehren, noch irgendwie abgewiesen werden. Sie sieht auf ihre Faust, dreht diese nach oben und macht die Hand auf. Drei Steine liegen darin. Sie nimmt diese und wirft die Erde einfach in das Wasser, ehe sie die Steine durch das Portal schmeißt.

Mit einem Mal ist es still. Und Alex zuckt zusammen, als sie drei Mal das Aufkommen von etwas hartem auf Metall hört. Sie dreht ihren Kopf in die Richtung, aus der es gekommen ist und kann gerade noch sehen, dass sich ein Portal in einem der leeren Käfige schließt. In welchem auch die drei Steine liegen. Ihre Augen werden groß. Das hätte sowas von schief gehen können! Sie hätte einfach in diesem Käfig landen können. Wie Alucard und Anderson. Schnell schüttelt sie den Kopf, weicht einen Schritt zurück, dreht sich um und läuft zur Gabelung, ehe sie den Weg zu den beiden Figuren aus dem Anime nimmt und diesen entlang läuft. Ein Schrei wird laut. Der Gesang wandelt sich zu einem schrillen Chor, welcher sich nicht mehr schön anhört. Grauenhaft. Furchterregend.

Einmal rutscht sie fast aus, kann sich aber noch fangen und läuft weiter. Unruhe macht sich breit und das türkise Licht wandelt sich. Die alte weibliche Stimme schreit laut vor sich hin. "Nein! NEIN! NEIN!" Es klingelt in den Ohren Alexandras, doch sie läuft weiter. Immer weiter auf die beiden Männer zu. Das Wasser beginnt zu brodeln. Gestalten kommen aus der Tiefe des Sees an die Oberfläche. Stimmen entweder in den Gesang mit ein oder kommen an das Ufer. Dort machen sie sich platschend und triefend auf dem Weg, um die Treppe zu erklimmen. Alex einziger Gedanke ist, zu Anderson und Alucard zu gelangen. Und dann wird ihr schon irgendwas einfallen. Irgendetwas fällt ihr immer ein! Kurz vor dem Plateau mit den Käfigen, rutscht die blauhaarige aus und kann gerade noch verhindern, in das brodelnde Wasser mit den Schattengestalten aus der Tiefe zu fallen. Sie rappelt sich auf und greift nach den Gitterstäben der beiden Käfige, die nicht weit voneinander entfernt sind.

Plötzlich ist alles vorbei. Als wäre nie etwas gewesen, erlischt das Licht. Alles löst sich auf. Die Treppen. Die Käfige mit den Gefangenen. Der schrille Chor wird leiser und verstummt. Die Kreaturen aus dem See verblassen. Keuchend sieht Alex zu, wie alles irgendwie verschwindet, als wäre es ein schlechter Traum. Im nächsten Augenblick befindet sie sich im freien Fall und landet im Wasser. Ein Moment des Schocks. Das kalte Wasser umhüllt die drei und Anderson taucht als erstes wieder auf. Er ist ein guter Schwimmer und holt prustend Luft, ehe er sich umsieht. Alles wieder so dunkel und friedlich, wie es sein sollte. Wo sind die anderen beiden? Wo ist Alexandra? "Alex? Alex!", ruft er und sieht sich mit langsam aufkommender Panik um. Keine Sekunde später durchbricht auch die blauhaarige die Wasseroberfläche und holt keuchend Luft. Sie ist weißer als jede Wand, die er je in seinem Leben gesehen hat.

Sofort schwimmt er zu ihr rüber. "Alex! Alles in Ordnung? Geht es dir gut? Bist du verletzt?!" Überaus besorgt sieht er sie an. Die junge Frau hingegen starrt nur zurück und fängt kurz das Lachen an. "Alter... was war das?" Offensichtlich geschockt. Doch dann sieht sie sich um. "Wo ist Alucard?" Stille. Auch der Pater sieht sich um, während er sich an der Wasseroberfläche hält. "Der kann nicht schwimmen! Der ist ein Vampir!", ruft Alex und bevor der Pater reagieren kann, ist sie schon wieder untergetaucht. Ist sie von allen guten Geistern verlassen? Sie weiß, was da im See lauert! Wieso taucht sie nach einem gottlosen Vampir? Anderson weiß nicht, ob das jetzt am Schock liegt, oder ob sie immer so drauf ist. Aber letzteres könnte durchaus interessant werden.

Während der blondhaarige noch über Wasser ist, sucht Alex im dunklen See nach etwas, das auch nur schemenhaft an Alucard erinnert. Er ist doch gleich neben ihnen ins Wasser gefallen. Weit kann er nicht sein! Ein Glück hat Alex einen langen Atem. Nicht zuletzt dem Fakt zu verdanken, dass sie Schwimmen liebt. Und noch mehr das Tauchen. Sie kann bis zu fünf Minuten die Luft anhalten. Dann wird es selbst bei ihr ein wenig schwer. Luftblasen kommen ihr entgegen. Rote Punkte blitzen auf. Das könnte er sein! Mit kräftigen Bewegungen schwimmt sie immer weiter hinab in die Dunkelheit. Kommt den roten Punkten immer näher und kann dank dem Leuchten erkennen, dass es sich um Alucard handelt. Er steht auf dem Grund, soweit die blauhaarige das beurteilen kann.

Sie streckt ihm eine Hand entgegen und muss gegen den Auftrieb ein wenig ankämpfen. Schafft es aber. Alucard schmunzelt, nimmt aber ihre Hand und lässt sich nach oben tragen. Das ist schwerer als es aussieht! Der Druck in ihren Ohren ist unausgeglichen, weswegen sie weh tun. Ihr Körper verlangt jetzt schon nach Luft. Die Oberfläche ist aber noch ein wenig entfernt. Und sie kann jetzt nicht einfach so aufgeben! Alex stoppt, bringt Alucard dazu, sich an ihren Knöcheln fest zu halten und nutzt rein ihre Arme, um nach oben zu gelangen. Da. Die Oberfläche ist erkennbar! Es wird heller! Leichte Panik durch die Luftnot macht sich breit und sie merkt, dass sie zwar die Luft fünf Minuten anhalten kann. Aber nur, wenn sie selbst keine Arbeit hat! Alex kämpft gegen den Zug nach unten und ihre eigene Panik an und bricht mit einem lauten Keuchen und dem tiefen Luft einziehen wieder durch die Oberfläche. Süße, süße Luft!

Die Insel der DimensionenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt