Boom

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Heilige Maria Mutter Gottes. So einen Empfang hatten sie noch nie! Die vier Räder des Wagens stehen zwei Sekunden still und schon wird auf sie geschossen. Es ist Tag, deswegen wird nicht persönlich aufgetreten. Alucard reißt Alex seitlich nach unten und lässt sich selbst von den Kugeln durchlöchern. "Getroffen?", ruft er durch den Kugelhagel. Sieht auf die blauhaarige runter. Seine Augen werden schmal. Ein Streifschuss am linken Oberarm. "Wir sollten los, Vampir.", brummt Anderson und schnallt sich ab. Mit einer Warnung, dass sie gefälligst hier unten bleiben soll bis sie sagen, dass alles wieder geht, steigt auch Alucard aus, während er sich regeneriert. Auf seinem Gesicht breitet sich ein irres Grinsen aus, ehe er seine Pistolen zieht. Seine Augen registrieren die Positionen der Schützen. Ihn interessiert es im Augenblick nicht, dass auf ihn geschossen wird. Er an sich nur noch zur Hälfte da ist. Alles was er sieht sind die Leute, die seiner Prinzessin weh getan haben.

Als erstes läuft Anderson los. Tritt eine der Haustüren auf und fängt mit der Säuberung an. Die Vampire in ihren schattigen Verstecken werden entweder überrascht, oder sehen ihrem Tod ins Auge. Ein schwarzer Schatten zischt an dem Pater vorbei. Zerfetzt die zwei Vampire vor ihm und ist schon wieder verschwunden. Ein wenig perplex bleibt er stehen und sieht sich um. Was war das? Egal. Er hat eine andere Aufgabe. Was auch immer die Vampire getötet hatte sollte ihn erst interessieren, wenn es gegen ihn geht. Bis dahin ist es beschlossene Sache, dass es auf seiner Seite ist. Der Geistliche läuft in den ersten Stock, aber auch hier wurde jeder Vampir in seine staubigen Bestandteile zerlegt. Irritiert geht er zum Fenster als er merkt, dass die Schüsse immer weniger werden. Schreie werden laut, die aber meist abrupt wieder verstummen. Fenster zerspringen. Was ist das und was geht hier vor? Und wo ist Alucard?

Der letzte Schuss verstummt. Das letzte Schrei hallt durch diesen Teil des Ortes. Eine gespenstische Stille breitet sich aus. Vorsichtig und ohne einen Laut zu machen, geht Anderson die Treppe wieder runter, durch den Hausflur und tritt durch die eingetretene Tür auf die Straße. Der Wagen steht durchlöchert auf der staubigen Straße. Er kann einen Teil von Alexandras Top sehen. Sie liegt immer noch brav im Wagen. Alucard taucht neben ihm auf. Seine Handschuhe vor Blut nur triefend. Seine Augen immer noch leicht glimmend. "Ihr solltet schneller werden, Pater. Ihr habt verdammt lang für Eure mickrigen Vampire gebraucht. Da war ich schneller." Irritiert runzelt Anderson die Stirn, ehe es ihm klar wird. ER war der Schatten, der diese gottlosen Kreaturen vor ihm zerfetzt hat. ER hat die ganze Straße innerhalb einer Minute, höchstens zwei, komplett ausgeräumt. 

"Angeber mag niemand, Vampir.", entgegnet der Pater genervt und verdreht die Augen. Hätten sie eine Wette abgeschlossen, wäre er am Arsch gewesen. "Wir sollten Alex jetzt mal holen und uns umsehen. Vielleicht-" "PRINZESSIN!" Alucard hat panisch seine Augen aufgerissen. Rast sofort zum Wagen, von dem er verdächtige Geräusche vernommen hat. Aber zu spät. Der Wagen explodiert vor seinen Augen und zerfetzt ebenfalls den Urvampir, der sich aber in der Rauchwolke wieder regeneriert. Fassungslos starrt er auf die müden Überreste des Wagens, in welchem sie hatte bleiben sollen. Der Motor hat die Kugeln wohl nicht ganz so gut vertragen. Er ist hochgegangen. Die Motorhaube landet knapp neben dem Urvampir auf dem Boden und scheppert ziemlich laut. Alles in seinem Kopf ist still. Keine Gedanken. Keine Seelen, die teils zu ihm sprechen. Nichts. Er... Er wollte sie in Sicherheit wissen. Er wollte, dass ihr nichts passiert! Jetzt steht der schwarzhaarige vor dem noch leicht brennenden Wagen und weiß nicht, was er tun soll.

Sofort läuft Anderson zu ihm, als er ihn in dem Rauch, der sich langsam verzieht, erkennen kann. "Vampir! Was ist-" Der Pater zählt eins und eins zusammen. Alexandra war noch in dem Wagen, als er hochgegangen ist. Keine Chance, dass sie das überlebt hat. Keine Chance, dass man ihre Leiche finden und sie wandeln könnte. Jedes Glas und jeder Spiegel ist bei dem Auto zerborsten. Die Sitze sind nicht mehr vorhanden. Das Lenkrad lenkt sich gerade wahrscheinlich selbst in den Himmel und- Nope. Es ist gerade fast auf den Kopf des Paters gefallen. Da ist es ja. Alles ist schwarz. Verrußt. Ein dumpfes Aufkommen. Anderson sieht auf die Seite und schluckt. Alucard ist auf die Knie gefallen und starrt den Wagen immer noch fassungslos an. Kein dummer Kommentar, nur das leise Knacken des Motors, wenn die Flammen etwas übernehmen. Das gibt es nicht. Das kann nicht sein, oder?

Der Pater steckt die Bajonette weg, legt sich eine Hand auf den Mund, presst seine Lippen aufeinander und sieht auf die Seite. Sie ist weg. Die Frau, die er verdammt noch eins mehr liebt als die Kirche und sogar das Waisenhaus ist einfach weg! Sie wird nie wieder da sein. Nie wieder seine Hand nehmen. Es gibt keine Kuscheleinheiten mehr. Ja, hin und wieder hat sie genervt. Aber das tut jeder einmal! Sie war das Herz dieses Dreiergespanns. Diejenige, die die drei zusammenhielt. Selbst ihm kommen die Tränen als er feststellt, dass sein Herz auseinandergerissen wurde wie der Wagen. Zitternd atmet er ein. Kann es nicht glauben. Warme Tränen laufen über seine Wangen. In seinen Gedanken manifestiert etwas, dass sie einmal gesagt hatte. Sie waren in Deutschland, auf dem Weg zum Flughafen. 'Wusstet ihr, dass man an einem gebrochenem Herzen tatsächlich sterben kann?'. Anderson hofft wirklich, dass es stimmt.

Nicht schon wieder. Er hat schon wieder jemanden verloren, der ihm mehr als nur wichtig war. Er ist schuld daran. Er ist schuld daran, dass sie nicht mehr hier ist. Hätte er ihr nur nicht gesagt, dass sie im Wagen bleiben soll! Alucard hätte wissen müssen, dass Motoren explodieren. Vielleicht hätte er ihr ein sicheres Versteck zeigen können, wenn er mit ihr im Schatten verschwunden wäre! Er selbst hasst dieses 'hätte-wäre-wenn'-Spiel. Trotzdem spielt er es durch. Immer und immer und immer wieder. Etwas feines, was er sich selbst für Alexandra aufgebaut hatte, zerbricht. Seine Liebe für sie. In all den Jahrhunderten hatte er verlernt wie es ist, zu lieben. Langsam und Stück für Stück hat er sich dieses fragile Gerüst aufgebaut nachdem sie ihm zeigte, dass man ihr nicht nur trauen konnte. Man konnte ihr alles sagen und es gab keine Vorurteile. Keine Schimpftiraden. Keine Drohungen, wenn es nicht aus der Situation und ein wenig dem Spaß heraus entstand. Sein Kinn sinkt auf seine Brust. Seine Augen gehen auf die staubige Straße, auf der er kniet. "Scheiße..." Das ist alles, was er sagen kann. Alexandra ist tot.

Die Insel der DimensionenWhere stories live. Discover now