Zeit, die keiner hat

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Die drei sind jetzt schon eine ziemliche Zeit unterwegs. Alucard vornweg, der immer wieder einmal kurz in die Lüfte steigt um die Richtung zu überprüfen. Anderson inzwischen mit Alex auf dem Rücken, die sonst zu langsam wäre und eine Ausdauer hat, bei der Kindergartenkinder länger laufen können. Doch Alex ist einfach nur komplett fertig mit allem. Alucard geht nicht einmal mehr in die Nähe der blauhaarigen. Er will nicht unbedingt einen weiteren Gefühlsausbruch ihrerseits mitbekommen, der eine hat ihm gereicht. Der Geistliche hingegen fühlt sich verantwortlich für die kleine Frau aus der anderen Dimension. Immerhin ist sie schwach und nur ein weiteres verirrtes Schaf auf der Welt. "Wie lange noch, Vampir?", brummt der blondhaarige und rückt sich die Frau auf seinem Rücken noch einmal zurecht, um sie besser tragen zu können. "Was. Wird Euch unsere kleine Last langsam zu schwer?", fragt er spöttisch und sieht aus dem Augenwinkel, wie Alex ihn wütend anstarrt. "Beantworte einfach die Frage, Flasche.", knurrt sie und legt ihren Kopf dann wieder auf die Schulter des Paters. "Also von einem Blutbeutel auf zwei Beinen lasse ich mir nichts sagen.", erwidert der schwarzhaarige ein wenig genervt, bekommt aber nur ein Augenhochziehen von Anderson und Alex. Von beiden gleichzeitig.

"Sah vorhin anders aus.", meint Alexander und Alexandra stimmt ihm zu. "M-Hm." Alucard hat gerade die größte Lust, einfach abzuhauen. Aber leider braucht er die missgelaunte Dame und vielleicht auch irgendwann den nervenden Christ. "Wenn ich nicht abhängig davon wäre...", knurrt er zurück und seine roten Augen leuchten für einen Moment auf, ehe er seine Wut unter Kontrolle hält und wieder über die Wipfel steigt. "Wenn wir nicht abhängig voneinander wären, hätten wir das hier alles nicht!", ruft Alex laut und Anderson zuckt zusammen. War dann doch etwas laut. "Oh! Oh! Das tut mir leid! War ich wieder zu laut?", fragt Alex sofort besorgt und schuldig. Doch der blondhaarige dreht lächelnd seinen Kopf. "Ach was. Da sind die Kinder im Waisenhaus lauter. Mach dir keine Sorgen." Sofort wird sein Gesicht nachdenklich. Wie wird man auf sein verschwinden reagieren? Was wird passieren? Normalerweise verabschiedet er sich oder würde wenigstens einen Zettel hinterlassen. Aber so? Was wird man von ihm halten? Er spürt einen Blick auf sich und sieht Alex an. "Pater Anderson? Alles klar?", fragt sie und verzieht ein wenig das Gesicht. Was geht ihm gerade durch den Kopf? Eigentlich... Sie denkt kurz nach und seufzt. "Das Waisenhaus und die Kinder, nicht wahr?", murmelt sie schlussendlich.

Anderson sieht sie verwirrt an. "Woher wusstest du...?" Er beendet nicht einmal den Satz und Alex beginnt, ein wenig zu lächeln. "Ach kommt schon. Ihr redet über die Kinder und das Waisenhaus und dann versteinert Euer Gesicht und Ihr seid nicht ansprechbar. Ich bin jetzt kein Sherlock, aber das krieg sogar ICH mit.", erklärt sie und der blondhaarige nickt. Vielleicht sollte die junge Frau auch einfach auf die höflichere Variante umsteigen. Immerhin sollte sie sich daran gewöhnen, wenn sie länger unterwegs sind. "Ja, es sind die Kinder und das Waisenhaus.", gibt er zu und Alex klopft ihm auf die Brust, auf der ihre Hände liegen. "Die Schwestern kriegen das hin und Iskariot wird sich hoffentlich geldtechnisch ein wenig daran beteiligen. Wir werden hier schon rauskommen!" Ein Lächeln schleicht sich auf die Lippen des Fanatikers. Vielschichtiger als eine Zwiebel. Das fällt ihm auch hier wieder auf. "Munterst du mich gerade auf?", fragt Alexander und die blauhaarige grinst ihn frech an. "Ich bin für alles andere zuständig! Unterhaltung, Aufmunterungen, Ablenkungen... Vielseitig einsetzbar!", erwidert sie und entlockt dem Pater sogar ein Lachen, dass nicht nur ihn zum Erbeben bringt, sondern die auf dem Rücken klebende Alex auch gleich auf eine neue Art der Vibrationsmassage einlädt. Als Anderson sich wieder beruhigt hat, schüttelt Alex ihren Kopf. "James Bond-Style. Geschüttelt, nicht gerührt...", murmelt sie und pustet sich eine Strähne aus dem Gesicht.

"Und wenn ihr kleinen Täubchen fertig seid mit euren... Was auch immer ihr da gemacht habt, könnten wir weiter.", ertönt Alucard's Stimme und Alex sieht neugierig zu dem Vampir. "Und? Wie lange?", fragt sie und bekommt erst keine Antwort, ehe dem Herren mal einfällt, dass er etwas sagen könnte. "Nicht mehr lang. Höchstens... eine oder zwei Stunden, wenn wir das Tempo aufrecht erhalten." Erleichtert nickt die blauhaarige. "Cool! Danke!" Dies lässt den Vampir kurz stocken. Oho. Das kleine Menschenweib kann sich ja auch bedanken. Er erwidert nichts, sondern dreht sich nur um und geht wieder voraus. Während des Weges quetscht Alex den leicht gereizten Alucard noch ein wenig aus und erfährt, dass die Insel vielleicht zwei Tagesreisen lang groß ist. Zumindest mit dem Tempo, dass Alucard und Anderson an den Tag legen. Es scheint ein paar größere Lichtungen zu geben. Tiere gibt es auch, aber Alucard's Machtaura hält sie fern. Der Berg sieht immer mehr nach Vulkan aus und auch nach einem, der vielleicht noch aktiv sein könnte. Alucard verneint auf die Frage, ob er bei seinem nächsten Ausflug nach oben Alex nicht mitnehmen könnte. Zwar ist sie enttäuscht, versteht es aber. Schließlich war sie nicht gerade die netteste zu ihm.

Die Umgebung will sich nicht ändern. Große Bäume. Viel Unterholz. Büsche. Anderson will nicht wissen, wie viele tödliche Schlangen oder Tiere es hier gibt. Und irgendwie muss er sie alle von Alex weghalten! Er und Alucard haben kein Problem damit. Sie schon. Und er hat so seine Befürchtungen, dass Alucard dem kleinen Vielgesicht nicht von seinem Blut abgeben würde. Und dann durchzuckt ihn ein Gedanke. "Hey, Alex.", meint er plötzlich und die blauhaarige dreht ihren Kopf zu ihm, der vorher auf die Seite gedreht war um die Umgebung näher ansehen zu können. "Hm?" Anderson blickt sie neugierig an. "Hast du Personen in deiner Realität, die sich um dich sorgen machen?", fragt er und merkt, wie Alex sich verspannt. Sie schluckt und sieht dann nach vorn. "Klar." Das ist alles, was sie von sich gibt. Wenn sie jetzt anfangen würde, würde sie wieder in Tränen sein. Also bestätigt sie nur seine Aussage. "Familie? Freunde?", hakt er nach und sie nickt. "Jemanden, der einen besonderen Platz in deinem Herzen hat?" Alex schnaubt und sieht Anderson mit einem hochgezogenem Mundwinkel an. "Ziemlich privat, was?", brummt sie, schüttelt dann aber den Kopf. "Wenn nur Menschen zählen, dann nicht.", beantwortet sie aber die Frage. Der Geistliche zieht eine Augenbraue hoch. "Was... hast du in deiner Dimension etwa auch Vampire?" Die blauhaarige sieht kurz nachdenklich nach vorn, ehe sie den Kopf schüttelt. "Nicht, dass ich wüsste..."

Die Insel der DimensionenWhere stories live. Discover now