Jonas #38

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Ich starrte ihn perplex an und er starrte aus dem Fenster, mit einem Blick, den ich nicht deuten konnte. Bloß weil ich es erahnt hatte, hieß es nicht, dass ich jetzt wusste wie ich damit umgehen sollte. Aber ich musste irgendetwas sagen. Er erwartete es von mir. Wie lange hatte ich schon geschwiegen? "Wie lange schon?", fragte ich mit etwas zu hoher Stimme. Ich hätte mich ohrfeigen können. Hätte ich vielleicht etwas noch Taktloseres sagen können? Ich traute mich nicht ihn anzusehen. "Weiß ich nicht..." Und nach einer kleinen Pause: "Seitdem ich nicht mehr aufhören kann, an dich zu denken." Er lächelte und es sah echt aus oder war er einfach ein guter Schauspieler? Ich biss mir auf die Lippe und sah aus dem Fenster. Es hatte begonnen zu regnen und das Tippen der Tropfen das klang wie Finger, die an das Fenster klopfen vermischte sich mit The Paper Kites. Ich musste daran denken, wie es sich angefühlt hatte, als Corbin mich abgewiesen hatte. Die Stücke die sich in meine Brust gebohrt hatten... "Es tut mir leid..." Es war bloß ein Hauch, der sich kaum über den Geräuschen des Raumes halten konnte und es klang so unendlich heuchlerisch, angesichts des Schmerzes, den ich ihm zufügte. "Du bist der letzte Mensch auf der Welt, der sich entschuldigen muss." Ich hörte die Wärme und das Lächeln in seiner Stimme. "Wenn ihr wirklich glücklich zusammen seid, dann hätte das mit uns wahrscheinlich eh nicht funktioniert." Ich spürte wir Wut meine Brust herauf stieg. "Red keinen Schwachsinn!" Ich merkte, dass ich zu laut geworden war und sah den teils erschrockenen, teils überraschten Gesichtsausdruck auf Dylan's Gesicht. "Erzähl mir nicht so einen Stuss." Ich hatte meine Stimme wieder gesenkt, aber sie zitterte immer noch vor Zorn. "Sag so was nicht, wenn du es offensichtlich nicht so meinst." Die Worte sprudelten aus meinem Mund, bevor ich über sie nachdenken konnte. Er senkte den Kopf und strich sich durch die Haare in seinem Nacken. "Ich hoffe bloß, dass es das alles leichter macht..." Und ich wusste was er mit das alles meinte. "Du hast gekämpft und hattest Erfolg und ich komme ja wohl zu spät." Er sah mir wieder in die Augen. Diesmal ohne einen einzigen Funken eines Lächelns auf seinem Gesicht. "Wo ist denn der Junge, der zu mir gesagt hat, ich solle nicht aufgeben?" Mich erschreckte selbst die Verzweiflung in meiner Stimme. "Süßer. Ich gebe nicht auf. Ich liebe dich." Das Lächeln spielte wieder um seine Lippen und es überraschte mich, wie leicht ihm diese drei kostbaren Worte heute schon zum zweiten Mal über die Lippen gingen. Bei mir schwang immer eine kleine Angst in ihnen mit. Hatte er es schon zu so vielen Personen gesagt? "Du musst dir wirklich keine Sorgen, um mich machen. Ich komme damit klar. Du bist natürlich besonders, aber ich bin mir sicher, dass er es schätzen kann und ich damit fertig werde." Beinahe hätte ich das alles geglaubt. "Lassen wir das Thema einfach, ja? Wir können beide nichts dran ändern und ich will einfach bloß mit dir befreundet sein. In deiner Nähe zu sein, reicht mir schon." Ich nickte jedoch mit einem schlechten Gewissen. Ich fühlte mich schlecht, weil ich erleichtert war, dass er nicht weiter darüber reden wollte. "Wer ist denn der Glückliche?" Ich hörte keinerlei Neid oder Verbitterung in seiner Stimme. Das rechnete ich ihm hoch an. "Er heißt Corbin, ist neunzehn und..." "Warte!" Ich sah überrascht zu ihm auf und er sah beinahe genauso überrascht zurück. "Corbin Ventura?" Die Frage verwirrte mich. "Äh... Also... Ja..." "Oh. Wow." Er sah wirklich beeindruckt aus und brachte mich damit bloß noch mehr aus der Bahn. "Wieso interessiert dich das?" Er grinste und ich wusste nicht genaus wie ich das deuten sollte. "Ich arbeite mit ihm zusammen." Ein erbärmliches "Oh..." war das einzige was ich heraus brachte. "Das ist ja nicht schlimm." Er lächelte wieder. "Hätte nur nie gedacht, dass er auf Jungs steht." Ich zog meine Augenbrauen zusammen und starrte ihn finster an. "Wieso nicht?" Er nahm seine Tasse zwischen beide Hände und trank einen Schluck. "Es ist bloß so, dass er nicht so wirkt." "Achso. Also sieht man allen Schwulen gleich an, dass sie auf Jungs stehen?" "Nein, nein... Es war eine dumme Formulierung. 'tschuldigung. Vergiss es einfach." Langsam wurde mir das Gespräch richtig unangenehm. "Wie alt bist du eigentlich?", fragte ich, um zum einen vom Thema abzulenken und zum anderen weil es mich wirklich interessierte. "Zwanzig." Das überraschte mich wirklich. Ich hätte ihn viel jünger geschätzt. Er war sogar älter als Corbin! Nicht dass das ein Plus- oder Minuspunkt gewesen wäre. "Und was machst du zur Zeit?" Er lächelte scheu. "Ich arbeite abends in einer Bar, wohne mit meinem großen Bruder zusammen und studiere Kostümbild." Ich genoss es ihm zuzuhören und auch, dass er bloß die Frage beantwortete, statt noch einen halben Roman darüber zu erzählen, was einen gar nicht interessierte, auch wenn man ihm dann mehr aus der Nase ziehen musste. "Was kann man sich unter Kostümbild vorstellen?" "Man lernt Kostüme zu machen für Film und Theater." "Wie bist du denn darauf gekommen?" Er sah weg und man merkte, dass er es nicht mochte über sich zu reden. Erst jetzt fiel mir auf, dass er sogar in seiner Gestik Ähnlichkeiten mit Corbin hatte. Ob meinem Unterbewusstein das auf der party auch aufgefallen war? "Ich weiß so wenig von dir.", lenkte er vom Thema ab und ich ließ mich darauf ein. "Ich heiße Jonas, bin 16 Jahre alt, relativ klein für mein Alter, schwimme für mein Leben gerne, wohne in einer WG und gehe noch zur Schule." Er legte den Kopf schief und musterte mein Gesicht. "Lieblingsfächer?" Ich atmete aus. "Zur Zeit sind alle verdammt anstrengend." Ich läöchelte ihn an und er erwiderte es strahlend. Zwar hatte ich immer noch dieses kleine nagende Gefühl im Hinterkopf, dass ich ihn verletzte und verletzt hatte und es nicht gut war, ihm noch Hoffnungen zu machen und dass es vielleicht gar nicht so gut war, noch mit ihm "befreundet" zu bleibe, aber die Stimme in meinem Kopf, die sagte "Dylan ist realist. Er schätzt die Lage richtig ein und wird damit klar kommen" war lauter und langsam entspannte ich mich...

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Vielen tausend und aber tausen Dank an alle, die mich mit Voten, kommentieren und überhaupt lesen so sehr unterstützen und ich bin euch allem zu unendlichem Dank verpflichtete! 20.000 Reads!!! *-* Wie konnten das nur so viele Werden! *_________* Das ist soooooooo unbeschreiblich, unglaublich, fantastisch!!

Oh, my life...Where stories live. Discover now