Jonas #16

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Ich stolperte aus dem Klassenzimmer und kramte in meinem Rucksack nach einem Regenschirm. So wie ich Kian kannte würde er zu spät kommen. Er verhandelte jetzt wahrscheinlich erst mit Isaak um die Autoschlüssel. Isaak verlieh sein Auto nicht gerne und erst recht nicht an Kian, der in jedes Auto Macken fuhr, auf die dämlichsten Art und Weisen. Es war mir den ganzen Tag nicht aus dem Kopf gegangen, dass er sich so merkwürdig verhalten hatte. Vielleicht würde er es mir ja noch erklären oder ich würde es sehen. Er hatte mich wirklich neugierig gemacht. Ich achtete auf jedes Auto in der passenden Farbe, das vorbei fuhr. Aber sie fuhren alle zu langsam und zu gleichmäßig. Ich hörte den Regen auf meinen Regenschirm prasseln. Kian erkannte man schon aus fünfhundert Meter Entfernung an seinem Fahrstil. Als er dann in Isaaks Auto um die Ecke bog, erkannte ich ihn nicht am Auto (ich hatte es nicht so mir Autos), sondern an der Geschwindigkeit, mit der das Auto auf mich zugerast kam. Er kam vor mir zum stehen, wobei er zu abrupt bremste, was sogar ich als nicht Fahrer sah und sein Hinterfahrer hupte empört. Ich stieg schnell ein, damit niemand warten musste. Ich hatte mich noch nicht einmal angeschnallt, da fuhr er schon weiter los und ich wurde in den Sitz gedrückt. Er war noch fahriger als sonst. Normalerweise war der Fahrersitz sein zweites zu Hause und er liebte es zu fahren. Aber diesmal warf er die ganze Zeit nervöse Blicke auf die Uhr. Er hatte mir nicht einmal hallo gesagt. "Was ist los?" Er warf mir bloß einen verwirrten Blick zu und sah dann kurz in den Rückspiegel. "Was soll sein?", fragte er scheinheilig. "Du bist nervös." Ich stellte es extra als Feststellung in den Raum. "Das kannst du doch gar nicht beurteilen.", widersprach er mir dennoch. "Ich kenne dich ja wohl schon lange genug, um das eben doch beurteilen zu können!", rief ich empört. Er fuhr elegant, ohne viel rumkurbeln zu müssen in eine Parklücke. Was Einparken anging, war er wirklich spitze. "Voilà. Wir sind da." Er ging gar nicht weiter auf das Gespräch ein. Ich sah aus dem von Regentropfen gesprenkelten Fenster. Es war ein kleiner Laden über dessen Eingang ein Schild hing, mit der Aufschrift des Ladens. Ich hatte keine Zeit ihn zu lesen, weil mein Blick schon weiter wanderte. Unter der weinroten Markise, in der sich das Wasser sammelte standen auf Hockern Holztruhen in denen sich Platten aneinander reihten. Auf den ersten Blick sah ich MichaelJackson, BillieJoel, Queen, HotChocolateund Supertramp. Über die Kästen hinweg sah man in die großen Schaufenster. Sie zeigten einen Raum in dem in Regalen Platten über Platten standen und sich stapelten. Das was man von den Wänden sah, war sonnengelb gestrichen. Ein Holztresen stand an der gegenüber liegenden Wand auf dem eine Schreibtischlampe und eine urtümliche Kasse thronten. Ich sah, dass er nicht belegt war. Auf der rechten Seite standen ein paar Tische, mit den passenden Stühlen, die allesamt aussahen als habe man sie aus einem second Hand Laden für alte Möbel geklaut. Auch ein paar CDs und Buchklassiker hatten sich in einem Regal verirrt über dem auf ein Schild gepinselt worden war: StellenSiehinwassienichtbrauchen. NehmenSie mit was siewollen. Anscheinend konnte man CDs und Bücher kostenlos abladen, aber genauso gut welche mitnehmen. Ich fand das Konzept interessant. Es war ein Plattencafé. "Willst du weiter Löcher in den Laden starren, bis er schließt oder auch mal rein gehen?", fragte Kian, der mich eingehend musterte. Sein Enthusiasmus und seine sonstige gute Laune waren gerade wirklich nicht zu finden. Ich stieg aus. Es nieselte bloß noch angenehm. Wie ein feiner Schleier, der sich auf Haare, Kleidung und Haut legte und eine graue Wassertropfenschicht hinterließ. Als wir den Laden betraten kam uns Musik, Duft und Wärme entgegen. Es klingelte leise, als wir eintraten. Es erinnerte mich an die Glocke, die an meiner Zimmertür befestigt war. Jemand kam aus dem hinteren Teil des Ladens gewuselt. Er stellte eine Platte an einen Platz in einem Regal. Ich beachtete die Person gar nicht mehr und sah mich staunend um. Man fand hier jede Schallplatte, die das Herz begehrte. Sogar irgendwelche deutschen Erstpressungen von solchen Alben wie "Darksideofthemoon" von PinkFloydsuper erhalten aus zweiter Hand. Und zu meiner Überraschung nicht bloß Oldies und Klassik, sondern auch BeingasanOceanund BringmetheHorizonSingles und Alben. Ich vertiefte mich in einen fetten Stapel aus Platten von BobDylan. Sie schienen wirklich alle zu haben. Ich war in einem Paradies angelangt. Ich hatte zwar keinen Plattenspieler, aber ich fand Platten einfach schon an sich wunderschön und was noch nicht war, konnte ja noch werden. Ich hörte in meinem Rücken wie der Mitarbeiter Kian begrüßte. "Hey. Auch mal wieder hier?" Kian entgegnete bloß ein halbherziges "Mhm." Ich drehte mich zu den beiden um. Mich interessierte brennend, was Kian so einsilbig sein ließ. Vielleicht mochte er den Typen ja nicht. Gerade drehte sich der Junge jedoch um und lief in Richtung Tresen, hinter dem ich jetzt erst eine Kaffeemaschine entdeckte. Er trug seine schwarzen Haare zu einem stummeligen Pferdeschwanz gebunden. Unter seinem Pullover sah man einen rot grün karierten Hemdkragen und die Manschetten. Dazu trug er eine verwaschene helle Hose, die ein wenig hochgekrempelt war und dazu Doc. Martens. "Capucciono oder Latte Macchiato?", rief er Kian zu und drehte sich wieder hinter der Theke zum Raum. Als ich sein Gesicht sah sackte mein Herz ins Bodenlose. Blaue Augen, schön geschwungene Augenbrauen, fantastische Lippen und eine griechische Nase. Corbin.

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War das zu vorhersehbar??
Und danke für die Votes und die 660 Leser. Ihr seid dir besten *-*

Oh, my life...Where stories live. Discover now