Corbin #10

5.8K 351 44
                                    

Ich ließ die anderen vom Platz gehen. Das Training war aus. Ich war vollkommen verschwitzt aber ich wollte noch Körbe werfen. Ich hatte keine Lust darauf zu duschen, wenn die anderen noch da waren. Das konnte ich nicht gebrauchen. Meine Mannschaft hatte Chris' wie Amateure dastehen lassen beim Endspiel, das wir nach jedem Training spielten. Sollte mir recht sein. Ich wartete bis alle aus der Umkleide und den Duschen gegangen waren. Wobei ein paar von ihnen mich lachend ansahen, tuschelten und teilweise provokative Bewegungen machten, wie ihre nicht vorhandenen Haare zurückzuwerfen und sich in Fistelstimmen über die neuste Schminkreihe von Justin Bieber und BHs kaufen unterhielten. Bloß weil ich einen Jungen geküsst hatte, oder besser gesagt er mich, bedeutete es nicht, dass ich plötzlich keine Eier in der Hose hatte. Jedes Mal wenn so etwas vorkam wollte ich ihnen einfach bloß mit aller Kraft den Ball in die Fresse werfen. Bloß Cedric, den ich bis jetzt eigentlich als ziemlichen Depp abgehakt hatte, winkte mir von seinem Fahrrad aus zu. Ich schnappte mir meine Tasche, stapfte zu den Duschen, stellte die Musik von meinem Handy auf Maximum und zog mich aus. In mir staute sich wieder dieselbe Wut, wie damals. Dieser Hass, der aus Schutz- und Machtlosigkeit entstand. Wieso brauchte diese Gesellschaft immer wieder irgendwelche Opfer auf denen sie rumhacken konnte? Außerdem wieso war ich wieder derjenige? Ich hatte mich doch ausdrücklich geschworen, mich nie wieder in diese Rolle drängen zu lassen. Nie wieder! Was war daraus geworden? Ein Basketballteam, das ihren Captain auslachte. Super! Und morgen in der Schule sollte es wahrscheinlich auch noch schlimmer werden. Ich konnte bloß hoffen, dass sie eine neue Geschichte fanden, um sie feinsäuberlich auseinander zu nehmen und von allen Seiten zu beleuchten, bevor mein Ruf vollkommen dahin war.

Ich stellte mich unter die warme Dusche. Es tat gut. Als würde das Wasser die Sorgen für einen Augenblick davon spülen. Ich bedeckte meinen Körper mit schillernden Seifenblasen. Es machte Spaß jeden Millimeter seiner Haut abzudecken und unter einer weißen, brizelnden Schicht aus Duschgel. Dann musste ich sie nicht mehr ertragen. Den viel zu fetten Bauch. Meine schwabbeligen Oberschenkel und -arme. Alles für einen Moment wegdenken und so tun als könne man wegfliegen. In ein Land, wo man nicht anhand seines Aussehens beurteilt wurde. In dem man sich wohlfühlte und von niemand schräg angesehen wurde, wenn man mit einem Jungen als Junge zusammen war. Aber gab es so etwas überhaupt? Am besten dann noch ohne Rassismus, Waffen und Gewalt, wo Schmetterling pupsende und Regenbogen kotzende Einhörner auf den Blumenwiesen standen. Genau! Ich sang ein wenig den Text von "Beat it" mit. Ich hatte schon immer Michael Jackson geliebt. Umso mehr hatte ich es betrauert als er gestorben war. Ich sah auf die Uhr. Ich stand schon zwanzig Minuten unter der Dusche. Es kam mir vor wie zwei Minuten. Ich schnappte mir mein Handtuch, Schlange es mir um die Hüfte und versuchte in keinen Spiegel zu sehen. Dann müsste ich den Anblick von meinem Oberkörper nicht ertragen. Ich nahm mein Handy von der Ablage, die an ein Fensterbrett erinnerte, bloß dass darüber keine Fenster waren, sondern ein langer Spiegel, in den ich vermied hineinzusehen. Ich stellte Michael Jackson einen Moment aus und ging zurück in die Umkleidekabine, die direkt neben der Dusche lag. Ich hörte bloß meine Schritte, die laut und tapsig den Wänden hallten. Es war schon beinahe ein Wunder, dass ich meine Klamotten dieses Mal einfach auf der letzten Bank, meinem lieblings Platz in Umkleiden, hatte liegen lassen und sie nicht mit in die Dusche genommen hatte, wie sonst immer, seit mir mal nach dem Sportunterricht meine Kleider gestohlen worden waren und ich mit einem Handtuch um die Hüfte in den Unterricht hatte gehen dürfen. Ich trocknete meine Beine ab und zog Boxershorts und Jeans an. Danach legte ich mein Handtuch auf meine Haare und strubbelte einmal durch si hindurch. Als ich dabei war meine Brust abzutreiben betrachtete ich mein Gesicht im Spiegel. Das einzige in meinem Gesicht, das ich mochte waren die schmalen schwarzen Augenbrauen unter denen mich meine Augen zurückbetrachteten. Meine Nase war zu groß meiner Meinung nach, auch wenn meine Mutter felsenfest behauptete es sei eine klassisch antike, wie beispielsweise die Davidstatue von Michelangelo eine hatte. Meine Haare waren viel zu spröde und saßen nie so, wie ich sie gerne haben wollte. Zu Hause, wenn sie mich störten steckte ich sie manchmal mit ein paar Haarspangen zurück oder benutzte ein Haarband, wenn mir das Spangenkudelmudel zu aufwändig war. Meine Lippen waren voll, aber nicht so voll, dass sie feminin wirkten. Ich mochte sie trotzdem nicht. Mein Vater sagte immer, ich habe die Lippen meiner Mutter. Wenn das stimmen sollte (Was ich ander sah. Ihre waren. viel schöner.) müsste ich ihr auf Knien danken. Weil sonst hätte ich die Lippen meines Vaters geerbt. Und wer wollte schon einen so schmalllippigen und verkniffenen Mund, bei dem kein Lächeln nett und herzlich wirkte? Ich wandte mein Gesicht ab und trocknete weiter meinen Oberkörper mit dem Handtuch. "Du bist auch so ein Einzelgängertyp.", stellte eine Stimme hinter mir kühl fest. Ich wirbelte herum und drückte mit der Innenseite meines linken Armes instinktiv mein Handtuch gegen meine Brust. Noch so eine dumme kleine Angewohnheit... Zu meiner Erleichterung fiel das Handtuch über meinen Bauch. Chris saß ungerührt da und sah mich gar nicht an, sondern fixierte bloß seine zerkauten Fingernägel. Meine sahen ganz ähnlich aus. Ich hatte große Lust genau diese Finger, die er gerade anstarrte, als sei ich es nicht wert angesehen zu werden, wenn man mit mir redete, zu nehmen und in seine Augen zu rammen. Seit wann war er eigentlich hier? Und was wollte er von mir? "Ich hatte eigentlich bloß etwas klar stellen wollen." Er sah mich gelangweilt an und rückte seine Mütze, die für dieses Wetter eigentlich viel zu warm war zurecht. Ich drehte ihm den Rücken zu, ließ das Handtuch fallen und zog schnell mein Longsleeve an. Hatte er meine Kleider klauen wollen, war aber zu spät gewesen? So kindisch schätzte ich ihn aber nicht ein. Wenn er mich fertig machen wollte, würde er es auf einem anderen Niveau. Da war ich mir sicher. "Ich wollte dir bloß sagen, dass ich kein homophobes Arschloch bin." Er sah mich an, als sei er etwas besseres. Ich kannte diesen Blick. Er ließ mich innerlich kochen vor Wut. Ich ließ es mir aber nicht anmerken. "Mir ist es relativ egal, mit wem oder was jemand rummacht. Aber ich mag dich ganz simpel einfach nicht. Da kann man dann ja auch wohl ein paar Ausnahmen machen." Er grinste verschlagen. Er war ernsthaft hier geblieben um das loszuwerden? Das wäre lachhaft. Ich setzte mich auf die Bank, packte meine Tasche und zog Socken und Schuhe an. Ich spürte seinen Blick wortlos an mir haften, bei jeder Bewegung die ich tat. Ich beachtete ihn nicht. Dafür schwang ich meine Tasche über meine Schulter stand auf und wollte Richtung Türe. Er sprang von der Lehne, auf der er gesessen hatte und kam langsam auf mich zu. Ich wollte mich einfach an ihm vorbeizwängen, aber er drückte mich gegen die Wand und ließ die Tasche mit einer kleinen Bewegung zu Boden gleiten. Was hatte er vor?? Wir waren gleichgroß und er sah mir fest und entschlossen in die Augen. Er hielt meinen Blick mit seinen Augen gefangen. Ich konnte nicht wegsehen. Es war als würde er meine Gedanken lesen, mit einem simplen Blick in meine Augen. Er sah mir weiterhin in die Augen, erlaubte mir nicht meine abzuwenden, während seine Hände langsam meine Gürtelschnalle aufmachten. Mein Kopf war nicht einmal in der Lage sich zu fragen, was das werden sollte. Seine Finger waren vollkommen ruhig. Er strahlte pure Gelassenheit aus. Ich konnte mich nicht einmal wehren. Meine Hände verweigerten den Dienst. Er setzte mich alleine mit seinem Blick außer Gefecht. Wie erbärmlich ich doch war. Knopf für Knopf öffnete er den Verschluss meiner Hose. Noch vor dem Vorletzten Knopf glitt sie mir über meine Hüfte zu Boden, wo die Gürtelschnalle scheppernd auf den Linoleum aufschlug. Er kam einen Schritt auf mich zu. Drückte seinen Unterleib gegen meinen. Er schob mein Longsleeve hoch und ließ seine Hände auf der nackten Haut kapp unterhalb meiner Rippen ruhen. Sie machten mich so nervös. Er brach den Blickkontakt ab. Ließ meine Augen frei. Er ließ seinen Atem über mein Ohr streifen, was mir eine Gänsehaut die Wirbelsäule herunterjagte und setzte seine Lippen an meinen Hals. Der Blickkontakt war zwar abgebrochen, aber ich konnte trotzdem nicht klar denken. Mein Gehirn hatte sich irgendwie verabschiedet, weil es mit dieser unerwarteten Situation überfordert war. Ich schloss meine Augen und meinen Lippen entwich ein Stöhnen, bevor ich es noch zurückhalten konnte. Meine Hände waren hoch zu seinem T-Shirt gewandert, wo sie sich Halt suchend festhielten.

Oh, my life...Where stories live. Discover now