Corbin #43

2.1K 180 11
                                    

Ich starrte an die Decke, während Do I wanna know? von Arctic Monkeys lief und ich fühlte gar nichts. Der Schmerz, der sich in meiner Brust festgesetzt hatte seitdem ich Jonas' Augen das letzte Mal gesehen hatte, war weg und diese weiße Leere die von innen gegen meine Brust drückte und alles ausfüllte tat beinahe mehr wie als der mich von innen zerfetzende Schmerz. Ich hasste mich. Ich war so ein Idiot. Wie hatte ich ihn einfach gehen lassen können? Wie idiotisch das doch war... Und jetzt ging er nicht einmal mehr ans Handy. Ich war sogar fast zu müde, um mich über mich zu ärgern. Was war ich für ein Idiot? Und gleichzeitig war ich zu stolz noch einmal anzurufen. Wir beide gleicher Maßen schuld. Ernest hatte mich nach dem Mittagessen fast direkt beinahe raus geworfen. Er hatte behauptet, seine Mutter käme vorbei. Aber er war wenig glaubwürdig gewesen. Ich drehte mich auf den Bauch und vergrub mein Gesicht in der Decke. Das Lied wechselte zu Where did you sleep last night. Kurt Cobains Stimme waberte wie Nebel durch den Raum. Als mein Handy klingelte wäre ich beinahe an Herzstillstand gestorben. Schnell stellte ich die CD auf stumm und nahm den Anruf an. "Du hast vorher angerufen." Zwar klang seine Stimme kühl und distanziert, aber es war er. "Ja, hab ich." "Wieso?" Ich schwieg. Ich glaube er konnte sich gut genug denken weshalb ich angerufen hatte. "Ich höre?" Die Distanz in seiner Stimme ließ mein Herz für einen Moment stehen. Am liebsten hätte ich ihn angeschrien, dass er aufhören sollte so kalt zu sein. Wir waren beide Schuld. "Ich... Kommst du vorbei?" Die Worte schienen sich dagegen zu sträuben ausgesprochen zu werden. "Ich kann nicht." Drei Worte, die einem das Herz aus der Brust reißen konnten. "Kannst du nicht oder willst du nicht?", fragte ich und versuchte so kühl und gefühlskalt zu klingen, wie es mir bloß möglich war. Es war so still am anderen Ende der Leitung, dass ich dachte er hätte aufgelegt. "Vielleicht beides." "Aber...", stotterte ich noch bevor ich bemerkte, dass das Zeichen zu mir drang dass er aufgelegt hatte. Ich spürte einen Zug in der Brust und schmetterte das Handy gegen die Wand. Es fiel unbeeindruckt zu Boden und blieb liegen. Nicht einmal der Bildschirm hatte einen Sprung. Ich drehte die Musik auf. Mein Körper schmerzte, jede Zelle fühlte sich an als würde sie zerfetzt werden. In meiner Brust schien sich die Luft verkeilt zu haben und ich spürte das Zittern, das durch meine Adern lief. Ich bekam Kopfschmerzen, aber diese Schmerzen schienen angenehmer und greifbarer als das innere Ziehen. Die Gewissheit, dass ich ihn vielleicht verloren hatte und das aus meiner eigenen Dummheit füllte meinen Kopf. Ich war selbst schuld. Ich hätte ihn reden lassen sollen, ich hätte ihn niemals gehen lassen sollen, als er zurück gekommen war und es hatte regeln wollen. Ich war selber Schuld, dass er mich so behandelte. Dass er so distanziert und kalt war. Und diese Gewissheit war noch viel schlimmer als die Tatsache, dass er allen Grund hatte sauer auf mich zu sein. Vielleicht war es bloß ein Missverständnis, eine Kleinigkeit, die innerhalb in ein paar Minuten hätte geklärt und aus der Welt geschafft werden können. Wir hatte ich bloß so dumm sein können und tatsächlich glauben können er würde auch bloß daran denken mich zu betrügen? Hatte ich nicht die Liebe in seinen Augen gesehen? Sie es so ehrlich und ich zweifelte an ihr. Diese Eifersucht, die sich durch meine Brust nagte und mich von innen verrotten zu lassen schien, machte alles bloß so viel komplizierter und schwieriger. Als wäre es das so noch nicht... Ich hievte mich vom Bett hoch und tapste in die Küche, nicht ohne davor das Handy aufzuheben, laut zu stellen und in meine Hosentasche zu stecken, nachdem ich die Musik ausgeschalteten hatte. Das Haus klang so hohl, als vermissten die Wände sein Lachen. Es klang so, wie ich mich fühlte. Als wäre ich von innen ausgehöhlt worden. Als wäre das Blut in meinen Venen ausgeflossen und als hätten sich alle Knochen und Organe aufgelöst. Vielleicht fühlte es sich so an tot zu sein... Zu spüren wie man langsam zu nichts und Staub zerfiel. Ob er genauso schmerzhaft war? Ich wusste, dass ich nichts mehr ausrichten konnte. Er musste mir verzeihen oder zumindest sicher wenigstens gewillt zeigen, wieder mit mir zu reden, auch wenn mich diese Einstellung anwiderte. Wieder überließ ich es ihm, sich zu melden, während ich mich selbst in die rastlose und gleichzeitig bequeme Rolle des Wartens begab. Aber was sollte ich tun? Ich konnte ich nicht anrufen. Selbst wenn er widererwartend den Anruf annehmen würde wüsste ich weder, was ich genau sagen sollte, noch ob es nicht einfach alles bloß noch schlimmer machen würde. Und zu ihn fahren, klingeln und eine Abfuhr vor allen zu bekommen wollte ich auch nicht. Es ließ mir keine Ruhe und dennoch konnte ich nichts tun, als hier zu sitzen und in Selbstmitleid versinken. Ich ging vor einer kleinen Anrichte in die Knie und zog die Türe auf. Meine Beine hatten wie von selbst darauf zu gesteuert, als wüssten sie besser als mein Kopf, was ich jetzt brauchte. Ich strich mit einem Zeigefinger über die kühlen, schlanken Flaschenhälse, bis ich an eine stieß, die mir passend vorkam. Ich zog die Alkoholflasche heraus und die dunkelbraune Flüssigkeit schwabbte darin hin und her. Ich stand auf, schlug mit einem Schwung die Türe wieder zu und suchte die Staffeln von Scrubs heraus. Ich ließ mich auf den Sofa fallen, ohne mir die Mühe für ein Glas zu geben. Ich würde jedes Mal einen Schluck trinken, wenn Dr. Cox JD einen Mädchen Namen gab. Dann würde ich die Leere füllen und meinen Kopf vielleicht sogar leer bekommen. Es war wahrscheinlich eine schwachsinnige Lösung, aber wenigstens war es das, was gerade am nächsten an eine heran kam.

Oh, my life...Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt