Jonas #43

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Mir stieg der Zigarettengeruch von dem qualmenden Stummel, das zwischen Isaaks Fingern klemmte in die Nase. Eigentlich war er ein leidenschaftlicher Raucher-Gegner, was allein schon darauf zurück zu führen war, dass man eine zerstörte Lunge hatte, wenn man eine Viertelstunde mit seiner Familie in einem Raum war. Und dennoch rauchte er, wenn er Prüfungsstress hatte. Ich warf eine Karte weg und zog mein Bein an. Alle hatten sich darüber gewundert, dass ich so früh wieder zu Hause gewesen war, obwohl sie damit gerechnet hatten, dass sie mich jetzt in den Schulferien nicht einmal zehn Minuten lang sehen würden. Aber ich war zu fertig gewesen, um ihre Fragen darüber zu beantworten, ob irgendetwas passiert war. "Wenn du mir meine Fragen schon nicht beantwortest, dann gebe dir wenigstens die Mühe gut zu spielen." Er seufzte und sah mich mit einem Blick an, der halb besorgt halb verärgert war. " 'tschuldigung..." Er zog eine Karte und sah mich kritisch an. "Deine Brille ist verrutscht. Was ist denn los? Streit mit deinem Traumprinzen?" Ich schob die Brille zurecht, die ich zu Hause trug. "Spar dir deinen Sarkasmus. Du hältst immer noch nicht so viel von ihm oder?" "Von Corbin?" Seine Stimme klang als müsse die Antwort offensichtlich sein. "Nein. Tue ich nicht. Was hat er denn getan?", beharrte er darauf, dass er eine Antwort bekommen wollte. Ich versteckte mich hinter den Karten auf meiner Hand und versuchte der Frage auszuweichen. Ich wollte wirklich nicht alles erzählen. "Jetzt sag schon!" Langsam klang er wirklich genervt. "Ich weiß nicht, ob man es Streit nennen kann.", entgegnete ich ausweichend. "Er hat sich wie ein Arsch benommen?" "Nein! Isaak! Hör auf! Er ist kein Arsch, egal wie oft du es noch sagst! So erzähl ich dir gar nichts!" Er zog an seiner Zigarette und drückte sie aus. "Was hat er dann gesagt, getan?", fragte er in seinem wir-können-doch-ganz-in-Ruhe-reden Ton. "Er dachte ich betrüge ihn..." Er zog seine Augenbrauen zusammen, sagte aber nichts all zu abwerten. "Wie kommt der denn darauf?" "Er hat eine Nachricht auf meinem Handy gesehen." Er starrte mich schockiert an, atmete tief durch, schob den Fächer aus Karten auf seiner Hand zusammen und legte sie vor sich auf dem Tisch. "Also hat er eine Nachricht von deinem Handy gelesen? Wie kommt er dazu? Selbst wenn du ihn betrügen solltest gibt ihm das kein Recht dafür." War ja klar, dass Isaak es sofort falsch verstanden und gegen ihn verwendete. "Er hat es bestimmt nicht mit Absicht getan!", verteidigte ich ihn schnell, aber ich wusste, dass es schwer war Isaaks Meinung manchmal zu ändern. "Und wo warst du in dem Moment?" Ich sah weg und hatte plötzlich ein besonderes Interesse in die Ameise, die sich auf den Tisch verirrt hatte und schon halb darüber gekrabbelt war. "Auf dem Flur." "Und was machtest du auf dem Flur?" Man hörte seiner Stimme deutlich an, wie nervig er es fand, mir jede Antwort, die er hören wollte, aus der Nase ziehen zu müssen. "Er..." Mir fehlten die Worte. "An seinem Handgelenk..." "Was hatte er da? Handschellenabdrücke? Irgendein krankes Tattoo?" In Isaaks Augen waren alle Tattoos "krank". Ich schüttelte matt den Kopf und sah an ihm vorbei in den Garten. "Sondern?" Ich sah ihm wieder in die Augen, die im Moment nicht sehr freundlich aussahen. "Schnitte." Er sog scharf die Luft ein und öffnete dann den Mund, um etwas zu erwidern als mein Handy klingelte. Ich warf einen Blick darauf. "Corbin?", fragte er beinahe beiläufig und lehnte seinen Kopf an die Lehne seines Stuhls. "Ja..." "Willst du nicht ran gehen?" Ich schwieg und suchte für mich selbst die Antwort. Ich wusste es nicht... "Jonas! Geh ran! Er ist dein Freund!" Anscheinend war seine Abneigung Corbin gegenüber doch ein wenig kleiner geworden. Oder einfach bloß Akzeptanz gewichen. Mit zitternden Fingern griff ich nach dem Gegenstand, der neben mir auf der Bank lag und in dem Moment verstummte es. "Hat er aufgelegt." Ich seufzte. "Ja." "Und du willst auf den nächsten Anruf warten? Oder darauf, dass er mit Blumen vor der Türe steht?" Ich kannte die Antwort darauf nicht. Ich wusste weder, ob ich mit ihm sprechen wollte, noch ob ich ihn sehen wollte, noch ob ich die Initiative ergreifen sollte. Am liebsten hätte ich Dylan danach gefragt, ich hatte das Bedürfnis mit ihm darüber zu reden, aber es wäre mir taktlos vorgekommen. "Stell dir vor wie viel Überwindung ihn dieser Anruf gekostet haben muss.", riss mich Isaaks Stimme aus meinen Gedanken. "Bist du jetzt auf seiner Seite?" "Ich bin auf gar keiner Seit. Ich hab bloß keine Lust, dass du die nächsten paar Wochen mit diesem enttäuschten Gesicht im Bett verbringst, bis Chris kommt und dich an den Haaren raus zerrt. Das werden wir noch früh genug haben, wenn er Schluss macht oder dich betrogen hat. Außerdem hast du so lange gekämpft, dass du ihn haben kannst, dass du jetzt wo du ihn hast und es ein wenig unangenehm wird, nicht einfach aufgeben kannst." Wie konnte nur so viel Optimismus in einer Person vereint sein? "Ich ruf ihn nicht zurück." "Wegen solchen Sturheiten wirst du ihn noch verlieren." "Würde dir ja nichts ausmachen.", entgegnete ich spitz und bemerkte erst, dass ich zu weit gegangen war, als seine Augen sich verdunkelten. "Wenn du ihn magst, dann akzeptiere ich das. Auch wenn ich es nicht verstehe. Und ich wünsche dir nicht, dass du Unglück hast oder unglücklich wirst." Seine Stimme schien zu erfrieren. Er steckte sich noch eine Zigarette an und sah mich demonstrativ nicht an. Wenn er so weiter rauchte, würde er noch zum Kettenraucher werden. "Du weißt, dass ich das nicht so gemeint habe...", sagte ich statt einer Entschuldigung. Er seufzte. "Jetzt ruf ihn schon an." Man hörte seiner Stimme an, dass er mir schon wieder verzogen hat. Ich schüttelte leicht den Kopf und er zog seine Augenbrauen zusammen. "Spielen wir erst mal fertig.", wich ich der Frage, die er gleich stellen würde aus. Er seufzte und nahm wieder seine Karten auf die Hand. "Du musst wissen, was du tust. Aber lass nicht deine Sturheit oder deinen Stolz dich an irgendetwas hindern. Das Leben ist zu kurz, um die Sachen, die einem wichtig sind, wegen so etwas zu verlieren." War er jetzt Philosoph geworden? Oder woher hatte er diese ganzen schlauen Sprüche? "Jaja.", entgegnete ich und konzentrierte mich auf Spiel. Später hätte ich noch genug Zeit, um mir darüber den Kopf zu zerbrechen.

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Oh my fucking life!!! Danke Danke Danke Danke Danke für die ganzen Reads. Ich liebe euch so. 30.000 Reads *-* ich hätte mir niemals auch nur träumen lassen, so viele zu bekommen. Und ich bin euch so dankbar. Danke Danke Danke *-* ❤ *vor Freude tanzen und rum kreischen*

Oh, my life...Where stories live. Discover now