Corbin #20

3.3K 254 13
                                    

Octavian und ich saßen auf dem kleinen Balkon, der zu meiner Wohnung gehörte. Wir waren schon bei der zweiten Flasche Wein und unter uns hörte man die Autos. Es war schon dunkel. Über uns funkelten die Sterne. Wenn man sich zwei Jahre lang nicht  gesehen hatte, gab es viel zu erzählen.

"Du bist viel zu verspannt. Weißt du was gegen Verspanntsein hilft?" Octavian sah mich an. Ich antwortete nicht. "Sex." Ich sah ihn schockiert an. "Genau deswegen redet man mit Geschwistern nicht über sein Liebesleben!" Er lachte sarkastisch. "Das nennst du Liebesleben? Du hast kein Liebesleben. Weil du dich aus Angst vor der Liebe hinter deinen Büchern und deinen Jobs verkriechst. Das kannst du beim besten Willen nicht Liebesleben nennen, weil du verdammt noch mal die Hosen voll hast." Ich verdrehte die Augen. "Sei einfach leise. Ja? Ich geb dir doch auch kein  Tipps in deinen Beziehungen." "Ich erzähle dir ja auch nicht alles." Ich nahm einen Schluck aus meinem Glas. Ich hätte ihm niemals irgendwas erzählen sollen. Wie oft hatte ich schon bemerkt, dass es sinnlos war? Half eh nichts. Ich wollte gerade Zigarettenrauch inhalieren. Ich lehnte meinen Kopf gegen die Fassade der Wohnung. "Hast du eine Kippe?", fragte ich mit geschlossenen Augen. "Du rauchst?" Seine Stimme klang geschockt und besorgt zugleich. "Ich hab mal...", antwortete ich nur. "Wann hattest du vor zu gehen?", lenkte ich vom Thema ab. Ich hatte keine Lust darauf, über schlechte Gewohnheiten und mein angeblich nicht vorhandenes Liebesleben zu sprechen. Er schwieg. "Ich hatte fragen wollen, ob ich vielleicht übers Wochenende hier bleiben könnte." Ich runzelte die Stirn, öffnete meine Augen und sah ihn an. "Meinetwegen. Aber du schläfst auf der Couch." Er nickte. "Abgemacht. Danke. Aber nochmal zurück zu dir." Ich seufzte. Ich wollte verdammt nochmal nicht über mich sprechen! "Was hast du gegen Jonas?" Ich stand auf und räumte die Flaschen zusammen. "Er ist ein Junge." Ich wollte gerade in meiner Wohnung verschwinden, als er nach meinem Arm griff. "Corbin." Es war nie ein gutes Zeichen, wenn er meinen Namen an den Anfang eines Satzes stellte. "Wir wissen beide ganz genau, dass du eh schwul bist." Ich blitzte ihn wütend an. "Nur weil ich auf Jungs stehe, muss ich es nicht raus schreien. Ich muss es nicht meiner ganzen Schule zeigen. Ich hab keinen Bock darauf, dass sich die ganze scheiße wiederholt! Einmal war mehr als genug!" Ich fühlte, dass meine Augen brannten und hoffte, dass es bloß die Müdigkeit war. Octavian stand auf. Er umarmte mich. Er roch nach Kaffee. Mit der Hand auf meinen Haaren drückte er mich gegen sich. "Sch... Es wird sich nicht wiederholen." Ich hielt mich an seinem Pullover fest. Was ließ ihn so sicher sein? Ich vergrub mein Gesicht in seinem Oberteil. "Woher willst du das wissen?" Bei den letzten Worten brach meine Stimme. "Sch...sch. Corbin. Hey..." Seine Stimme klang beruhigend. Wie früher... "Ich will nicht, dass alles wieder von vorne anfängt. Ich würde das nicht aushalten. Lieber sterbe ich." Jetzt liefen wirklich Tränen über meine Wangen und in seinen Pullover und ich hasste mich dafür. Ich war so schwach... "Du darfst dich nicht dafür schämen, was du bist." Er strich mir über die Haare. Er hatte gut reden... Ich ließ ihn los. "Wir sollten schlafen gehen." Ich wischte mit den Handrücken über meine Augen, lief dann in die Küche und stellte alles ab. Vielleicht hatte ich mich auch geirrt. Ich war damals ein Kind gewesen. Konnte man da überhaupt sagen, ob man auf Mädchen oder auf Jungen stand? War das nicht viel zu früh? Er zog sich kurzerhand die Hose aus und legte sich auf die Couch. "Gute Nacht." Er gähnte. "Ich bin ganz schön geschafft." Damit schloss er die Augen und war wie es aussah augenblicklich eingeschlafen.

Ich schlich in mein Zimmer, setzte mich in den Ohrensessel in meinem Zimmer und machte die Lampe an. Ich drehte Wedding Song von Bob Dylan auf und griff nach einem Buch. Ich verfolgte meine alte Strategie, wenn ich zu viel dachte: Verdrängen. Zwar wusste ich, dass es früher oder später wieder zum Vorschein käme, aber ein paar Schnitte mehr oder weniger machte auch keinen Unterschied. Jetzt wollte ich aber einfach in dem Buch untertauchen und nicht mehr riskieren Kopfschmerzen vor lauter Nachdenken zu bekommen.

•••••

Ich wachte auf aber ließ die Augen geschlossen. Mein Rücken tat weh und ich biss die Zähne zusammen. Ich fühlte mich noch müder als wenn ich gar nicht geschlafen hätte. Ich schlug meine Augen auf und musste mich erst einmal orientieren. Ich lag auf dem Sessel und hatte einen guten Blick auf mein super bequem aussehendes Bett. Wollte es mich provozieren? Ächzend versuchte ich mich zwischen den beiden Armstützen auf der einen mein Kopf und auf der anderen meine Beine gelegen hatte herauszuwinden, fiel schlussendlich aber nur auf den harten Boden. Fluchend stand ich auf. Ich warf einen Blick auf die Uhr. 11:48. Oh man. Ich musste noch was für die Schule machen. Na, toll. Jetzt konnte ich den ganzen Nachmittag am Schreibtisch sitzen. Ich schleppte mich aus meinem Zimmer ins Wohnzimmer. Die zusammengeknüllte Decke von Octavian lag noch auf dem Sofa und die Weinflaschen und Gläser standen neben der Spüle. Sonst war keine Spur von ihm. Sollte mir egal seine. Er war alt genug um auf sich selbst aufzupassen. Zuerst einmal ging ich duschen. Mein Rücken und mein Nacken waren total verspannt. Durch das warme Wasser wurde es ein wenig besser. Ich föhnte meine Haare und zog mir Pullover und Jogginghose an. In dem Moment in dem ich mich auf meinen Schreibtischstuhl fallen ließ hörte ich den Schlüssel im Schloss und ein paar Augenblicke darauf kam Octavian herein. Er wuschelte mir durch die Haare. "Hallo, Bruderherz. Wieso hat du ein Fahrrad keine Gänge?" "Um meinen bescheuerten Bruder zu ärgern.", sagte ich und tat so als sei ich in Französisch vertieft. "Ich hab Brötchen besorgt." Ich sah ihn immer noch nicht an. "Hübsch." "Ich decke kurz den Tisch und dann können wir brunchen." Jetzt hob ich meinen Kopf und rief "Aber ich esse nicht!". Er hörte mich gar nicht mehr, denn er war schon inder Küche verschwunden. Ich seufzte. Sturkopf. Apropos Kopf... Mir ging eine Frage nicht aus meinem. Was war wenn ich gar nicht auf Jungs stand? Vielleicht hatte ich einen voreiligen Schluss aus etwas gezogen, was einfach bloß eine pubertäre Phase war? Ich konnte doch auch einfach hetero sein. Vielleicht hatte ich mich geirrt. Mein Blick fiel auf etwas auf der Magnetwand was mich auf eine Idee brachte...

~~~~~~~~~~~~

Oh my life. Es tut mir sooo leid! Ich hab schon das ganze Wochenende für Conas geplant & dann hatte ich einen Hänger beim Freitag. Es tut mir wirklich leid!!! >.<

Oh, my life...Where stories live. Discover now