Jonas #14

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Neuer Tag, neues Glück.

Ich stand in der Küche. Donnerstags hatte ich zwar erst zur dritten Stunde, aber ich mochte es früh aufzustehen und ein wenig herumzuwerkeln. Kian war davon wach geworden und stand jetzt mit verschränkten Armen und einem dunkelblau, weißen Cardigan, der sich mit der Farbe seiner Boxershorts biss und ganz bestimmt nicht ihm gehörte in der Küche. Er war noch in der Trauer-Phase. Ein Woche, höchstens zwei, versank er in Nostalgie und Selbstmitleid, nach der er sich dann wieder ins Getümmel stürzte und nach 'der einen' suchte. So war er. Ich fragte mich, ob er auf diese Art und Weise, je eine finden würde, mit der er auch bloß ein Jahr schaffte. Seine Augen hatten einen verletzten Ausdruck. Ich hatte gerade eigentlich keine Lust darauf ihn zu trösten. Ich hatte viel zu viel damit zu tun in meinem Kopf nach irgendeinem Schlachtplan zu stöbern, wie ich bei Corbin weiter vorgehen sollte. Das Projekt hatte ich gestern Abend aufgeschoben, weil ich wusste, dass ich dann nie die nötige Ruhe gefunden hätte, die ich zum Einschlafen brauchte. Er schwieg mich an. Dann seufzte er. Ich hob meinen Kopf und sah ihn fragend an. "Ich hab dich grade was gefragt." "Oh! Tut mir leid. Sagst du es nochmal?" Er machte eine wegwerfenden Handbewegung. "Denkst du an deinen Traumprinzen?", fragte er. Ich spürte wie meine Ohren heiß wurden. Ich senkte meinen Kopf, damit meine Haare darüber fallen konnten. "Hat er dir geschrieben?" Ich bereute es jetzt schon, es irgendjemand erzählt zu haben. Ich ruckte mit dem Kopf. Ein erbärmlicher Versuch eines Kopfschüttelns. "Oh.", hauchte er. Einen ganzen Tag hatte ich nichts von Corbin gehört und mich aus seiner Reichweite gehalten. Ich hatte mich mit lesen und Musik abgelenkt. "Soll ich dich heute von der Schule abholen? Ich wollte sowieso in den Plattenladen um die Ecke der Schule. Dann kann ich da vorbei sehen und dich danach abholen." Ich sah ihn wieder direkt an. Ich war ihm dankbar, dass er sich selbst zurück nahm, weil es mir nicht gut ging. Das rechnete ich ihm hoch an. Ich zeigte es ihm mit einem schmalen Lächeln. Ich versuchte zwar zuversichtlich zu sein und nicht aufzugeben, aber es belastete mich. "Kann ich mit in den Laden kommen?" Kian hatte schon viel von ihm erzählt. Die Wände die vollgestellt waren mit Regalen in denen sich CDs, Schallplatten aus zweiter und erster Hand reihten. Er ging meistens dort hin, wenn er entspannen wollte. Als er es mir das erste Mal erzählt hatte, hatte ich es mir nicht gut vorstellen können. Kian, der wirkte wie jemand, der nur zockte und Fern sah in einem retro Geschäft für Schallplatten? Das passte nicht so. Ich war neugierig. Ich wollte sehen, wie dieser Laden aussah. Ich sah eine kurze Unsicherheit in Kians Augen. Er biss sich auf die Lippe und sah aus dem Fenster. "Naja... Also...", stotterte er herum. Wollte er diesen Ort nicht mit mir teilen? Er atmete kurz durch und sah mich wieder an. "Ich weiß nicht, ob das so gut für dich wäre." Ich verstand nicht worauf er hinaus wollte. Er warf einen Blick auf seine Armbanduhr. Musste er heute noch wohin? Donnerstags hatte er eigentlich keine Vorlesung. "Heute ist Donnerstag." Er hatte bloß nach dem Wochentag gesehen. "Ja, und?" Er sah nachdenklich drein. "Ich denke nicht, dass das eine gute Idee ist...", sagte er langsam, als würde er jedes Wort mit Bedacht wählen. "Wieso?", fragte ich scharf. Wieso sollte ich nicht mitkommen? Er stotterte herum und sah zu Boden. "Jetzt mal Klartext. Nimmst du mich mit? Ja oder nein?" Er verzog das Gesicht. Ich kannte diesen Gesichtsausdruck nicht und ich mochte ihn nicht. Er atmete resigniert aus, als habe er einen Kampf verloren. "Okay. Ja. Ich hol dich ab. Und wir gehen dort hin..." Er klang wenig begeistert, aber ich hatte keine Lust, mich jetzt darauf einzulassen und ihm aus der Nase zu ziehen, wieso er mich nicht dabei haben wollte. Stattdessen freute ich mich darauf. Vielleicht würde ich dort ja ein wenig den Kopf frei bekommen.

Oh, my life...Where stories live. Discover now