Corbin #39

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Wieso konnte ich nicht glücklich sein? Er brachte mein Herz zum Rasen, ließ meine Haut in Flammen aufgehen und stahl mir meinen Atem und dennoch war da etwas... Es war wie eine kleine dunkle Ecke, in die sein Licht nicht schien, die nicht warm wurde und unberührt von den Emotionen blieb, die er in mir entfachte. Die mir das Glück missgönnte, mir sagte, ich habe es nicht verdient. Und das Schlimmste daran war, ich glaubte es. Was konnte ich ihm schon geben, außer ein paar um mitleidheischende Trauergeschichten, die für Außenstehende wirkten, wie irgendwelche Kratzer, die sich ein Kleinkind vom Fahrradfahrenlernen zu gezogen hatte? Ich war seine Zeit nicht wert. Es gab so viele Typen, die ihm die Füße küssen würde, wenn er sie bloß ansehen würde. Und ich saß hier, durfte ihn ansehen, berühren, zum Lächeln bringen, küssen...und war dennoch nicht glücklich. Was stimmt bloß nicht mit ihm? Er war das Beste, was mir in den letzten zwei Jahren passiert war, aber reichte mir das Beste nicht? Müsste dieses Gefühl von Glück nicht jede Ecke, jeden Winkel meines Bewusstseins durchfluten und alle Traurigkeit, Bedenken und Zweifel wegwaschen? Oder hatte ich eine falsche Vorstellung von Glück und Liebe? "Corbin! Du ruinierst dir deine Lippen!", hörte ich ihn sagen und merkte, dass ich schon wieder weggetreten war. Lag es an der Müdigkeit? Wo kam diese ganze Melancholie her? Ich hörte auf an meinen Lippen herum zu nagen und versuchte die frische Luft in mich einzusaugen, die Fröhlichkeit, die die Sonne allem verlieh und seine Hand in meiner. Ich hatte jemand an meiner Seite. Er gehörte zu mir. Ich war seins, er war meins. Wie schön das klang. Auf den günen Wiesen des Parkes sprossen Krokuse und Schneeglöckchen, obwohl es gerade mal Februar war. Er streichelte mit dem Daumen meinen Handrücken und ein Schauer lief über meinen Rücken. Ich wusste nicht einmal mehr, wie spät es war. Er hatte mich über so viele Strecken gezerrt, dass ich gar nicht mehr wusste, wie es ging, stehen zu bleiben. Und die ganze Zeit hatte er gelächelt und gelacht und war gut drauf. Und ich wusste nicht einmal, ob das bloß Maske war. Konnte man mit jemand zusammen sein und ihn lieben, ohne ihn wirklich zu kennen? Oder gehörte es zu einer Beziehung dazu sich ganz neu kennen zu lernen und zu entdecken? "Jetzt bin ich genauso müde wie du heute Morgen." Er grinste zu mir hoch. "Was machen wir jetzt noch?" Ich sah den Kiesweg des Parks entlang. "Du hast doch alles geplant gehabt." Er zog einen Schmollmund, was seine Augen noch größer erschienen ließ. "Ja. Aber die Liste, der Dinge, die ich mit dir machen wollte ist auch irgendwann erschöpft. Es sei denn du hast noch so viel Zeit heute noch nach Rom zu trampen." Ich schüttelte leicht den Kopf. "Hab ich nicht." "Also!" Er blieb stehen und ich drehte mich zu ihm um. "Hast du auch langsam Hunger?", fragte er mit schräg gelegten Kopf. "Ich lass mich nicht schon wieder einladen.", entgegnete ich matt. "Hatte ich auch nicht vor. Wir gehen jetzt einkaufen und kochen dann etwas für uns. Du darfst meinetwegen auch bezahlen." Mein Blick verfinsterte sich und ich zog meine Hand aus seiner. "Das ist eine bescheuerte Idee." Er verdrehte die Augen. "Ich hab schon einmal für dich gekocht, jetzt bist du dran." Ich seufzte. "Und an was hast du gedacht?" "Irgendwas Schnelles! Sonst frisst sich mein Magen selbst auf!" "Ich hab so lange nicht mehr gekocht.", jammerte ich weiter. Er hakte sich bloß bei mir unter und zog mich zum nächsten Lebensmittelladen. "Dann wird es mal wieder Zeit. Außerdem willst du doch deinen Freund nicht verhungern lassen." "Du bist so stur." Er grinste. "Das ist eins meiner Spezialgebiete. Brauchst bloß Isaak zu fragen." Langsam wurde ich echt genervt. Ob ich wohl schneller rennen konnte als er? Er zerrte mich in einen Laden und wir stießen beinahe mit Chris zusammen. Er musterte uns, als sei er etwas Besseres und am liebsten hätte ich ihn schon wieder geschlagen. Bevor er irgendeinen Schwachsinn sagen konnte, übernahm es sein Kumpel. "Ist nicht Bruder? Der hat also eine Schwäche fpr Schwänze?" Und grinste blöd. Jonas wurde leicht rosa und Chris und ich sagten gleichzeitig "Halt die Fresse." Chris warf mir noch einen todbringenden Blick zu und zerrte seinen Primatenkumpel an den Haaren aus dem Laden, der ihn liebenswürdig beschimpfte. Wie konnte man sich bloß freiwillig mit solchen hirnlosen Neandertalern abgeben? Jonas zerrte mich weiter, als sei nichts passiert und lächelte auch schon wieder. Er blieb vor dem Gemüseregal stehen und zupfte an meinem Ärmel. Wirklich, er war wie ein kleines Kind. Irgendwie war es ja auch süß. "Kaufen wir Aubergine!?" Ich sah das Leuchten in deinen Augen und musste lächeln. Er ließ meinen Arm los und schnappte sich einen Einkaufskorb. "Ich hoffe du hast genug Geld dabei!", rief er und hüpfte durch die Regale, von denen er Sachen in den Korb warf. Ich seufzte, versenkte meine Händen in meinen Hosentaschen und schlenderte ihm hinterher. Man konnte ihn wahrscheinlich auch einfach bloß für meinen Bruder halten. Ich wusste nicht, ob mich diese Tatsache traurig oder ein wenig entspannter machte. Er blieb mit dem Korb in den Händen vor der Kasse stehen. Ich musterte seine Einkäufe und mir fiel auf, dass ich mindestens zwei Drittel der Sachen seit einer Ewigkeit nicht mehr gegessen, geschweige denn in meinem Kühlschrank gehabt. Ich ging auf ihn zu und er lächelte beinahe verlegen. "Hab ich mir zu viel genommen? Ich kann auch etwas zurück legen." "Das ist voll und ganz in Ordnung." Ich strubbelte ihm durch die Haare und meine Hand streifte ausversheen seine Wange. Ein Kribbeln fuhr meinen Arm entlang und ich zog mein Portemonnaie aus meiner Hosentasche und nahm ihm den Korb aus den Händen, bevor ich noch irgendwelchen Schwachsinn machte. Er bekam es wirklich hin, mich zum Lächeln zu bringen und das war mehr, als ich mir wünschen könnte.

Oh, my life...Where stories live. Discover now