Jonas #30

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Ich war froh, dass sich die Anspannung am Tisch ein wenig gelöst hatte. Bloß ich konnte mich nicht entspannen. Dafür war alles viel zu unsicher. Ich hatte keine Ahnung wie ich das Gespräch einleiten sollte und auch nicht wie ich es schaffen wollte, dass er nicht den ganzen Abend mit den Jungen abhing, wo er doch zum Teil auch eingeladen wurde, um sie kennenzulernen. Vielleicht sollte ich es auch einfach auf sich beruhen lassen und sehen wie es sich entwickelt... Ich wollte es bloß los sein. Es tat weh... Ich hatte so lange darauf gewartet, dass es so war und dann wollte ich auch, dass es verdammt nochmal perfekt war. Als alle Teller leer waren, es anscheinend auch jedem geschmeckt hatte, worüber ich froh war und sich alle auf den Sofa setzten, um einen Film zu sehen, nachdem der Tisch abgeräumt war, zog ich Corbin am Ärmel hinter mir her. Ich war froh, dass er nicht fragte, was das wurde. Ich hatte jetzt keinen Nerv dazu, etwas zu erklären. Mental bereitete ich mich schon längst auf das Gespräch vor. Als wir in meinem Zimmer waren, drückte ich ihn auf meinen Schreibtischstuhl. Ich durfte nicht zu viel denken. Sonst würde ich niemals den Mut dazu aufbringen, das zu sagen, was ich klären wollte. Ich sah, wie er neugierig den Raum betrachtete, während ich mich aufs Sofa fallen ließ. Ich setzte mich auf meine Hände, damit er nicht das Zittern bemerkte. "Sie sind echt nett.", sagte er mit einem Lächeln. "Sogar Isaak." Er lachte und es klang so schön... Ich wollte diese Stimmung nicht zerstören. Er lächelte strahlend. "Knutschen wir rum oder setzen unser Gespräch von gestern fort?" Ich schüttelte den Kopf und brachte es nicht übers Herz ihn anzusehen. "Was ist?" Ich spürte seinen Blick auf mir, aber starrte trotzdem weiter meine Finger an. "Was ist los?" Ich sah ihm in die Augen und sah wie er seine Stirn runzelte. "Was meinst du? Was soll sein?" "Corbin! Verarsch mich nicht! Ich merk doch, dass was los ist!" Er starrte mich bloß wortlos an. "Du bist nervös, willst mich in der Öffentlichkeit nicht küssen und rastest aus, wenn jemand etwas Harmloses sagt. Also was ist verdammt nochmal los?" Sein Gesicht wurde kalt und seine Augen dunkler. "Was juckt's dich?" "Ich kann nichts dafür, dass sich bis jetzt niemand für dich interessiert, aber ich bin nicht so! Mir bist du wichtig! Sogar verdammt wichtig! Also bleib jetzt nicht in deiner verkorksten Welt stecken! Wenn du dich deinem Partner nicht öffnen kannst, wem denn dann?" Er öffnete seinen Mund, schloss ihn dann wieder und sah weg. "Ich reiße mich zusammen, okay?", fragte er matt. Ich schüttelte den Kopf. "Corbin. Darum geht es mir doch gar nicht. Ich will bloß eine Erklärung, damit ich dir helfen kann." Er sah mich wieder an. Ein Glitzern lag in seinen Augen. "Ich brauche keine Hilfe!" "Aber erkläre es mir wenigstens!", flehte ich. "Es gibt nichts zu erklären!" Ich sah ihn mit großen Augen an. "Das glaube ich dir nicht." Er biss seine Zähne zusammen und seufzte. Seine Hand fuhr durch seine Haare. "Wieso bist du so stur?" Er sah mich nicht an. "Weil du mir wichtig bist..." Wie kitschig das klang... Er lächelte traurig. "Wenn du mich wirklich kennen würdest, würdest du das nicht mehr sagen. Dann würdest du mich nicht mehr ansehen." Ich schwieg kurz. "Kannte dich denn jemand bis jetzt schon?" Jetzt lachte er, aber es klang sarkastisch. "Ich mich. Das reicht." Ich gab ihm einen Kuss auf die Wange. "Sei nicht so streng mit dir." Er zog seine Augenbrauen zusammen. "Ich bin bloß realistisch." Seine Augen wichen meinem Blick aus und mir wurde schlecht vor Enttäuschung. "Wieso denkst du so?" "Ich will nicht mit dir darüber reden!" "Vertraust du mir nicht?" Langsam wurde ich sauer. Wir waren zusammen! Was stellte er sich so an? Er biss die Zähne zusammen und seine Augen funkelten. "Was willst du wissen? Ich habe meine Familie zerstört. Diese ganze Scheiße willst du doch gar nicht hören!" "Doch ich will das hören! Ich liebe dich und will so viel über dich erfahren wie es geht! Ich will deine Geschichte hören. Ich will alles wissen. Das gehört doch zu einer Beziehung! Vertraue mich doch!" Er stand auf. "Du bist doch nicht das Problem." Seine Stimme klang, wie die eines Lehrers, der ein Kind tadelte, da es eine simple Rechnung nicht verstand. "Ich bin es, weil ich mein verdammtes Leben nicht auf die Reihe bekomme, ohne mir mindestens einmal am Tag zu wünschen, ich sei tot. Oder würde wenigstens einfach verschwinden. Mich in Luft auflösen. Es wäre..." Er brach ab, als habe er jetzt erst die Worte realisiert, die da aus seinem Mund sprudelten. Er stand auf, ohne mich noch einmal richtig anzusehen, riss die Türe auf und ging die Treppen herunter. Ich konnte mich nicht rühren. Ich starrte an die Stelle, an der er gerade gewesen war, als ich die Haustüre zuknallen hörte. Tränen stiegen meine Kehle hoch, während mein Kopf versuchte zu realisieren, was er gerade gesagt hatte. Was er mit seinen Worten meinte. Als die Worte sich einen Weg in meinen Kopf bahnten, wurde mir schlecht und ich realisierte, dass ich den Jungen, dem ich da mein Herz geschenkt hatte, gar nicht kannte.

Oh, my life...Where stories live. Discover now