Corbin #11

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Mein Herz wummerte gegen meine Brust, als sei es durch einen Presslufthammer ersetzt worden. Ich stützte mich auf die kleine Mauer, die sich vor dem Eiscafé befand. Mein Blut rauschte in meinen Ohren. Ich musste erst wieder zur Ruhe kommen. Es war aber eigentlich klar gewesen, dass Chris das gegen mich verwenden würde. Und hatte dieser scheiß Bibelfuzzi, Isaak, gerade mit der Frage kommen müssen. Jaaaa! Okay. Er konnte mich nicht ausstehen. Ich ihn auch nicht. Aber musste er gleich so ausholen? Mir hätten schon solche Fragen gereicht wie "Wieso wohnst du alleine?". Musste man dann gleich übertreiben? Als hätte er mir meinen Schwachpunkt angesehen. Die Themen über die ich lieber Stillschweigen bewahren wollte. Diese drei Leute da drinnen regten mich einfach bloß auf! Wie Jonas mich angesehen hatte! Sein Blick hätte zu einem angeschossenen Reh gepasst. So verletzt, so unschuldig. Um Himmels Willen! Als hätte ich mir das absichtlich gefallen lassen! Ich hätte Chris danach doch am liebsten eigenhändig erwürgt! Ich hörte die Türe hinter mir zufallen. Dann Schritte. Jemand stellte sich neben mich. Chris. Mit den Händen in den Taschen seiner scheiß Angeber-Baggy von Hollister. "Jetzt stell dich nicht so an.", sagte er leicht hin. Ich richtete mich auf und sah ihn direkt an. "Ich stell mich an??", brüllte ich ihn an. "Das meinst du jetzt nicht ernst! Ich hasse dich! Ich bring dich irgendwann noch um! Oder sterilisiert dich, du kleine Missgeburt! Es ist echt ein Wunder, dass so jemand nettes wie Jonas mit dir verwandt ist!" Er lachte bloß unbeeindruckt. "Du und mich umbringen oder sterilisieren? Ich muss dir doch bloß in die Augen schauen und du kannst dich nicht mehr bewegen! Und wenn du meinen Schwanz in der Hand hast, wirst du wahrscheinlich so geil, dass du gar nichts mehr machen kannst, du miese Schwuchtel!" Bevor ich wusste was meine rechte Hand da machte hatte ich sie ihm schon in die Fresse gerammt. "Wage es nie wieder mich so zu beleidigen!", schrie ich ihn an. Er stolperte zurück und hielt sich seine Hand vor die blutende Nase. "Außerdem solltet ihr Vollidioten endlich aufhören dieses Wort als Schimpfwort zu verwenden!" Chris senkte die Hand. Achtete nicht darauf, dass das Blut auf sein dunkelgraues, geripptes Tank Top tropfte, das mich an die erinnerte, die Mitch Lucker von Suicide Silence immer getragen hatte, bevor er gestorben war. Er wischte sich das Blut an der dunklen Jeans ab. "Ach. Seit wann spielst du Aktivist für Homorechte?" "Schon immer.", zischte ich, mich mühsam kontrollierend. Ich würde ihn zusammenschlagen, wenn er mich provozieren würde, das wusste ich. Ich zitterte am ganzen Körper. "Oh.", sagte er gespielt überrascht. "Und woran liegt das, mein Lieber? Vielleicht daran, dass du selbst auf dasselbe Geschlecht stehst?" Ich machte einen Schritt auf ihn zu. Er wich einen zurück. Feigling. Jetzt ist noch nicht der Zeitpunkt. Gedulde dich, Corbin., sagte mir eine kleine Stimme in meinem Kopf. Sie hatte recht. "Nein! Weil auf dieser Welt jeder dasselbe Recht haben sollte!" Er lachte sarkastisch. "Du bist so also so ein kleiner, naiver Freiheitskämpfer. Che Guevara und Martin Luther King waren genauso naiv. Als könnte man in dieser Welt irgendetwas an den Menschen ändern. Sie blieben egoistisch und narzisstisch. Feiern ihre eigene Macht und Überlegenheit. Als würden sie irgendwann beginnen Rücksicht zu nehmen. Das glaubst du doch selbst nicht. Selbst wenn du Millionen Reden hältst über Gleichberechtigung und Freiheit, als würde das was ändern. Es wird immer Leute geben, die es in Frage stellen und sich weiter wie asoziale Arschlöcher aufführen." Ich nickte. "Ja, solche wie du." Er schnalzte mit der Zunge. "Du kennst mich nicht....", sagte er leise und sah ein paar Leute böse an, die in der Dämmerung noch einen Spaziergang an dem Eiscafé vorbei machten und entgeistert auf sein blutiges Gesicht starrten. "Scherrt euch um euren eigenen Mist.", grummelte er. Vielleicht waren wir zu ähnlich, um miteinander klar zu kommen. Er war trotzig, ein totaler Sturkopf und ließ niemanden in seinen Kopf sehen. Alles meine Eigenschaften. Gruselig. Was ihn wohl so geformt hatte? Oder war er von jeher misstrauisch gewesen? War es bei ihm ein angeborener Charakterzug? Er sah mich wieder direkt an. "Corbin. Lass die Finger von meinem Bruder. Ich weiß, dass er dich mag, sehr sogar, viel zu sehr für meinen Geschmack, aber mach ihm erst gar keine Hoffnungen..." Aus seiner Stimme klang der besorgte große Bruder, auch wenn er es vielleicht nicht zugegeben hätte. Ich musterte ihn und entgegnete gar nichts. Wie es sich wohl anfühlte jemanden zu haben, der sich für einen einsetzte? Mir stiegen Tränen in die Augen. Ich drehte mich um. Wieso war ich so beschissene sentimental?! Es war doch nicht normal bei jeder Kleinigkeit loszuflennen! Schlafmangel. Das ist alles normal., beruhigte mich mein Kopf. "Hey! Ich rede mit dir!", schrie Chris sauer. Ich atmete tief durch. Die Lust ihn einfach zu vermöbeln und ihn endlich zum Schweigen zu bringen stieg wieder in mir hoch. "Merkst du nicht, dass dein Bruder nicht wirklich was von die wissen will?" Ich drehte mich wieder zu ihm um. "Ich denke er ist mit sechzehn alt genug selbst Entscheidungen zu treffen. Und da braucht er ganz sicher keinen großen Bruder, der ihn schlägt!" Seine Hand traf meine Wange völlig unerwartet. Wie bekam es der Junge hin mit der Linken so hart zu schlagen? Er schubste mich. Ich strauchelte zurück. "Mir ist die Hand ausgerutscht!" "Sagst du das vor dem Gericht, wenn dich deine Frau wegen Misshandlung angezeigt hat, auch noch?" Diesmal bekam ich seine Rechte auf meinen Wangenknochen. Der Schmerz explodierte weiß hinter meinen Augenlidern. Ich zog ihn an mich heran, als ich sein Oberteil in die Finger bekam und ließ mein Knie hoch zwischen seine Beine schnellen. Er sank auf die Knie. Ich ließ ihn los und ging auf Abstand. Man schlug keine Leute, die schon fast auf dem Boden lagen. Er krümmte sich zusammen. Ich ließ ihn nicht aus den Augen. Ihm traute ich zu, dass er mich auf den Boden ziehen und so lange auf mich einschlagen würde, bis ich bewusstlos wäre. Er hob den Kopf und ich sah in seinen Augen die Wut, die auch in mir brodelte und mir den Atem raubte. Ich hatte das Gefühl ich würde platzen, wenn ich sie nicht ausließ. Er stand langsam auf. "War ja klar, dass du zwischen die Beine zielst." Er grinste mich provokant an, ohne dass seine Augen mitgrinsten. Seine Stimme zitterte vor Wut. Gleich zückt er ein Messer und sticht mich ab., schoss es mir durch den Kopf. Aber ich bekam keine Angst vor ihm. Ich hatte noch nie Angst vor dem Tod gehabt. Er war bloß ein weiteres Geheimnis im Geheimnisdschungel des Lebens. War nicht alles in gewisser Weise ein Rätsel? Das Leben konnte einem viel mehr wehtun als der Tod es je könnte. Ganz sicher.

Ich verstand die Andeutung, die er mit diesem Satz meinte. Ich wollte ihm in sein Gesicht treten. War das wirklich die Wut auf Chris? Oder ließ ich hier alles raus, was sich in den letzten Jahren in mir angestaut hatte? Ich wandte mich ab. Ich wollte nicht, dass er für etwas büßen musste, was er nicht zu verantworten hatte. Sein Ellenbogen traf mich am Hinterkopf und ich sank auf die Knie. Ohne einen Laut von mir zu geben. Ich war benommen und für einen kurzen Moment verschwamm alles vor meinen Augen. Er war so ein verdammt feiges Arschloch. Ich drehte mich zu ihm, griff nach seinem Bein zog es ihm weg. Er fiel auf den Boden und ich schlug auf ihn ein. Mir war es scheiß egal, ob er für die Wut in mir etwas konnte. Und was ich an ihm traf. Er war ein Arsch. Und wenn er es nicht für die Sachen verdient hatte, mit denen er mich provozierte, dann hatte er irgendetwas anderes verbockt.

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Ich würde mich über ein paar Tipps und Kommentare freuen, was ich besser machen kann und was schlecht ist.

Und vielleicht auch einfach ein Feedback, wie ihr es gerne weiter gehen lassen wollt mit Conas.

Bis bald

Oh, my life...Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt