Jonas #33

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Als er wieder kam und ich sah, dass er immer noch telefonierte, war ich kurz enttäuscht, aber als er mir sagte, wer es war und was sie wollte, war das wie weggeblasen. Er steckte sein Handy weg und lächelte mich an. Jetzt wirkte es echt, nicht so gezwungen wie vorher. Vorher... Es ging mir nicht aus dem Kopf. Aber er machte auch keine Anstalten, es irgendwie aufzuklären. Sollte ich es einfach lassen?? Als er mich ansah, wieder mit einem leichten, freudigen Glimmen darin, beschloss ich das hier und jetzt zu genießen und das Thema auf sich beruhen zu lassen. Vorerst. Das süße Prikeln der Aufregung, dass wir schwänzten war beinahe vergangen und ich warf einen Blick auf die Uhr. Die Zeit war viel schneller vergangen, als es mir vorgekommen war. Er folgte meinem Blick zur Uhr. "Fuck, schon so spät?" Er schnappte sich seine Tasche, legte drei Euro auf den Tisch, gab mir einen Kuss, wobei wir dumm angestarrt wurden und verschwand. Ich starrte ihm hinterher. Die Türe an, durch die er verschwunden war und fragte mich, wieso er es jetzt plötzlich so eilig hatte. Vielleicht hatte er schnell gehen wollen, bevor ich noch etwas zu dem Geständnis mit der Therapeutin und dem unvollendeten Satz sagen konnte. Ich sah aus dem Fenster. Der Himmel hatte ein merkwürdiges weißgrau angenommen, aber wenigstens war es einigermaßen hell und nicht so übertrieben kalt. Ich fragte mich auch, wie Corbin und seine Mutter zu einander standen und wie sie darauf gekommen waren, mich zum Essen einzuladen. Oder war es bloß ihre Idee gewesen? Musste ich ihn jetzt auch meinen Eltern vorstellen? Nicht dass ich etwas dagegen hätte. Machte ich mir zu viele Gedanken? Oder musste einer in einer Beziehung sich viele Gedanken machen? Machte er sich genauso viele? Ich starrte in meine Tasse, in der eine inzwischen lauwarme Suppe rumschwappte. Ich seufzte und schloss die Augen. Ich war müde und hoffte, dass man es mir nicht zu sehr ansah. Gleichzeitig kam mein Kopf nicht zur Ruhe unf meine Gedanken kreisten. Es war nicht das Friede, Freude, Eierkuchen Gefühl das ich erwartet hatte, als ich mir vorgestellt hatte, wie es sein würde, mit ihm zusammen zu sein. Es gab viel mehr Probleme und Komplikationen. Ich war mir sicher, dass ich das alles schaffen würde, aber es kostete dennoch Kraft. Wüsste ich nicht, dass er es wert war, würde ich es wahrscheinlich einfach lassen. Aber so... Gleichzeitig war ich auch aufgeregt, wegen morgen. Ich hatte noch nie daran gedacht, wie wohl die Menschen waren, die Corbin aufgezogen hatten. Seinen Vater wollte ich nach den Gespräch gar nicht mehr kennenlernen. Aber auf seine Mutter schien er viel zu halten. Ich stand auf, bezahlte an der Theke und ging raus. Autos fuhren an mir vorbei und die Sonne war wärmer als ich bei der komischen Farbe des Himmels erwartet hatte. Schnell lief ich nach Hause. Ich hatte keine Lust, dass Francesco misstrauisch wurde, weil ich später zurück kam, als wenn ich in der Schule gewesen wäre. Außerdem musste ich nicht heraus finden, was wir heute gemacht hatten und hatte dann noch Training. Also keine Zeit zu verlieren. Als ich einen angenehmen Rhythmus gefunden hatte,  den ich durchhalten konnte und mit dem ich gut voran kam, fragte ich mich, ob ich ihn fragen sollte, was ich morgen anziehen sollte. Machte ich mir zu viele Gedanken? Machte er sich genauso viele Gedanken? Gab es in einer Beziehung immer einen, der sich so einen Kopf machte? Es wunderte mich wie schnell ich vor der Haustüre ankam, kramte meinen Schlüssel heraus und schloss auf. Es duftete nach Pizza. Ich zog meine Schuhe aus und ging auf Socken ins Wohnzimmer. Auf dem Esstisch standen zwei Pizzen in den Transportkartons. Kian kam aus der Küche, mit einer Wasser und einer Colaflasche. Er lächelte entschuldigend als er mich sah. "Das Essen ist mir angebrannt.", sagte er kleinlaut und setzte sich. Ich stellte meine Tasche ab und setzte mich ihm gegenüber. Als mir der duft meiner lieblings Pizza in die Nase stieg bemerkte ich erst, wie hungrig ich eigentlich war. "Was hätte es denn sonst gegeben?" "Bohnen mit Tomatensauce.", flüsterte er beinahe und starrte etwas verlegen auf seinen Karton. Ich musterte ihn mit schief gelegtem Kopf. es war gerade mal 14 Uhr und er war schon umgezogen und hatte anscheinend geduscht. "Und wieso hast du sie anbrennen lassen?" Er zuckte mit den Schultern, wobei er weiterhin die Pizza anstarrte und bis zum Haaransatz rot anlief. Dann hob er den Kopf und sah mich an. "Und gab es bei dir irgendetwas Besonderes?", versuchte er vom Thema abzulenken. Ich ließ mich darauf ein. "Corbin will mich seiner Mutter vorstellen." Ich strahlte bestimmt. Er runzelte die Stirn, mittlerweile wieder mit einer normalen Gesichtsfarbe. "Wieso nicht auch seinem Vater?" Jetzt war ich an der Reihe mit Schulterzucken. "Sie haben sich getrennt." Er nickte und biss in ein Stück Pizza. Dann lächelte er mich an. "Ich bin noch nie so weit gekommen, dass sie mich ihrer Mutter, geschweige denn ihren Eltern vorstellen wollte. Also herzlichen Glückwunsch." Ich lächelte zurück und machte mich daran meine Pizza zu essen.

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Mit feuchten Haaren ließ ich mich auf mein Bett fallen, das sich anfühlte wie eine Wolke. Ich trug ein zu großes, graues T-Shirt und Boxershorts. Das Training war so anstrengend gewesen, dass ich zu müde war um aufgeregt zu sein und mir Gedanken darüber zu machen, was ich morgen anziehen sollte. Wahrscheinlich hatte ich sowieso unnötig Panik geschoben. Ich kuschelte mich in meine weiche Decke ein und sah an die dunkle Decke meines Zimmers. Meine Zunge fuhr über meine Zähne, um das saubere Gefühl nach dem Zähneputzen zu genießen. Ich fragte mich, wie es jetzt wohl wäre, wenn er hier wäre. Ich seinem Atem lauschen würde, seinen Herzschlag unter meinen Fingerspitzen spürte und neben ihm einschlief. Einfach bloß schlafen. Da hörte ich den Regen, der leise gegen die Fensterscheiben schlug. Plötzlich musste ich lächeln und Glück stieg in mir auf. Wie oft hatte ich im Bett gelegen, dem Regen gelauscht und mir gewünscht, dass er hier war, aber gewusst, dass er für mich unerreichbar war? Jetzt lag ich aber im Bett, lauschte dem Regen, wünschte mir dass er hier war, aber es war anders, weil ich wusste, dass ihn morgen sehen würde, sein Lachen mir galt und ich meine Finger mit seinen verflechten konnte. Diese Sehensucht war aufregend und prickelnd und schön. Und erinnerte mich wieder an die rosarote Brille. Ich war mir so sicher, dass alles gut gehen würde, er sich mir öffnen würde und auch morgen nichts schief lief. Einfach wegen der Tatsache, dass er da war und mich anlächelte und ich ihn anlächeln konnte, so oft ich wollte. Mein Herz gehörte ihm und keinem anderen und ich bezweifelte, dass ich jemals wieder jemand so lieben konnte wie ihn. So bedingungslos und ehrlich, ohne die Furcht, dass es bald wieder enden könnte, sondern einfach den Moment genießend. Und genau das ist das Besondere an der Liebe. Sie hat so viele verschiedene Facetten und jede einzelne, lässt einen sich anders fühlen, denken und handeln. Ich drehte meinen Kopf zur Seiten und versuchte so schnell wie möglich einzuschlafen, damit ich ihn früher sehen konnte.

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Ich weiß, dass der Schluss etwas kitschig geworden ist, aber irgendwie fand ich das süß. :3 *-* :[

Oh, my life...Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt