Corbin #18

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Ich lief die Treppen der Schule zum Klassenzimmer hinauf. Ich war einer der ersten und der Lärm und die Gespräche, die bald von den Wänden hallen würden, waren erst eine Ahnung. Stattdessen hörte man meine Schritte. Ich setzte mich auf den Boden vor dem Klassenzimmer. Die Kopfhörer in meinen Ohren und die Augen geschlossen. Ich wollte diesen Tag so schnell es ging hinter mich bringen. Dann hatte ich Wochenende und konnte endlich Abstand gewinnen. Von allem.

Als mir jemand meine Kopfhörer aus den Ohren riss und Gerard Way mitten in Cancer abriss, öffnete ich die Augen. Vor mir war Chris in die Hocke gegangen. Sein Gesicht sah immer noch wie angemalt aus. Er hielt meine Kopfhörer in der Hand als wolle er sie gleich zerquetschen. Er blitzte mich wütend an. "Du kleine Kakerlake. Du weißt, dass ich dich bloß nicht fertig machen, wegen meinem Bruder?" Er wartete auf gar keine Antwort. "Also verletzte ihn nicht. Sonst bist du tot." So wie er das sagte meinte er das ernst. Verdammt ernst. Er stand auf, warf mir die Kopfhörer ins Gesicht und ging mit langen Schritten davon. Wieso mischte sich der jetzt auch noch ein? Vor drei Tagen hatte er seinem Bruder noch eine gescheuert und jetzt machte er auf großen Retter und Beschützer. Was sollte die scheiße? Außerdem ging ihn das Liebesleben seiner Bruders nichts an. Und dazu kam noch, dass ich von Jonas nichts wollte. Ich konnte nichts dafür, dass er sich auf mich fixiert hatte. Wieso wurde mir jetzt gedroht? Ich seufzte. In was für einen Dreck war ich da reingezogen worden? Alles bloß, wegen einer Art Liebesgeständnis, auf das ich genauso gerne verzichtet hätte. Am liebsten wäre ich so kindisch und hätte Chris hinter seinem Rücken die Zunge rausgestreckt, aber dafür war ich zu müde. Als ich Jonas die Treppe hochkommen sah (heute zu meiner Erleichterung alleine) fiel mir irgendwie erst auf, wie scheiße meine Laune heute war, dass ich mich darüber freute sein Gesicht zu sehen. Ich fragte mich woran das lag. Dann bekam ich Kopfschmerzen vom Grübeln und ließ es. Unser Lehrer kam mit der Aktentasche unter dem Arm zu uns geschlendert. Ich stand auf und folgte ihm ins Klassenzimmer. Ich setzte mich in die erste Reihe. Zum einen um aufzupassen, zum anderen, weil ich keine Lust darauf hatte,mich von den Leuten da zutexten zu lassen, die dachten ihr Geschwätz würde jemand interessieren. Jonas lief an meinem Tisch vorbei. Er schon mir mit seinen dünnen, zierlichen Mäfchenfingern einen Zettel zu und setzte sich direkt hinter mich. Mir war seine Anwesenheit unangenehm. Ich wünschte mir nichts weiter, als dass er sich in Luft auflöste oder einfach woanders war. Verärgert bemerkte ich, dass meine Finger zitterten, während ich das leise knisternde und raschelnde Papier auseinander faltete. Seine kursive Schrift, bei der sich die Buchstaben aneinander lehnten, als wollten sie sich gegenseitig stützen verteilte sich in türkisener Tinte auf dem linierten Papierfetzen. "Ich habe das ganze Wochenende Zeit. Ich glaube wir müssen reden. Melde dich einfach." Mir lief ein Schauer über den Rücken. Ein kalter, unangenehmer, so einer wie wenn man ohne Jacke vor die Türe tritt und einen genau in Moment eisiger Wind entgegenschlägt. Ja, wahrscheinlich mussten wir tatsächlich reden. Ich musste ihm endlich klar machen, dass er sich aus meinem Leben verpissen und mich nicht mit diesem 'verletztes Reh'-Blick ansehen sollte. Ich biss die Zähne zusammen. Mein Magen zog sich zusammen, wenn ich daran dachte, dass er mich ignorieren würde, nachdem ich mit ihm geredet hatte. Aber er bereitete mir bloß Ärger. Alleine schon die Sache mit Chris...

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Vielen, vielen Dank für die über 100 Votes *-* Ich hab mich riesig gefreut

Oh, my life...Where stories live. Discover now