Corbin #15

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Ich rannte so schnell es ging mit meinem Matheheft über meinem Kopf als Regenschirm zu meinem Auto und tappte noch in eine Pfütze, deren Dreckwasser mir gegen die Beine spritzte. Ich riss die Türe auf, ließ mich auf den Fahrersitz fallen und schlug die Türe zu. Ich musste schnell nach Hause, mich umziehen und wieder los. Dafür hatte ich zehn Minuten. Ich startete den Motor und machte die Heizung an. Ich drehte einfach das Radio auf. Es war mir egal was das gerade lief. Ich musste endlich wieder einen klaren Kopf kriegen. So wenig wie ich heute Morgen die Musik hatte ertragen können, brauchte ich sie jetzt. Es hatte mich den ganzen Tag geärgert, dass dieser Depp es gewagt hatte, Jonas zu umarmen. Aber was mir am meisten Sorgen bereitet hatte, war gerade dasses mir etwas ausmachte. Hatte ich nicht ein Abkommen mit mir, dass es mir egal war? Dass ich den Jungen vergessen und mich niemals bei ihm melden würde? Und was war das jetzt? Wieso hatte ich diese scheiß Eifersuchtsattacke? Wenn es überhaupt Eifersucht war... Ich biss mir auf die Lippe und versuchte mich auf die Straße zu konzentrieren. Seit wann verließ ich mich wieder auf meine Gefühle? Statt auf meinen Verstand? Ich riss die Türe meines Wagens auf, rannte zu meinem Haus und schloss auf. Ich hatte zwei Minuten, sonst käme ich zu spät. Ich hatte keine Ahnung wieso ich eigentlich nach Hause gekommen war, bloß weil ich mich in dem was ich anhatte noch fetter und hässlicher fühlte, musste ich doch die zehn Minuten, die ich zwischen Job und Schule hatte nicht dafür verschwenden mich umzuziehen. Ich sprintete in mein Zimmer, riss den Schrank auf und warf alle Sachen, die zum Tragen nicht in Frage kamen einfach achtlos auf den Boden. Als ich umgezogen die Treppe runter rannte zu meinem Auto, sah ich schnell auf meine Handyuhr. Ich war noch in der Zeit. Ich durfte nicht zu spät zu dem Job kommen. Ich durfte ihn nicht aufs Spiel setzen. Ich flog fast ins Auto und fuhr los.

Als ich im Laden ankam stand Herr Stüber auf den Tresen gestützt und sah auf seine Uhr. Als ich reinkam sah er auf und sah mich lächelnd über den Rand seiner Brille an. "Nach dir kann man wirklich die Uhr stellen." Ich mochte ihn. Und seine Frau auch. Sie waren wie Eltern für mich geworden. Ich lächelte. "Ich tue mein Bestes." Er sah aus dem Fenster. "Ekelhaftes Wetter ist das." Ich nickte. Ich machte schon seit einer halben Ewigkeit den Job als teilzeit Aushilfe. Sie vertrauten mir. Irgendwann hatten sie mir donnerstags den Job gegeben den Laden zu hüten, mich um die Kasse zu kümmern und  abends abzuschließen, so dass sie jeden Donnerstagabend zusammen tanzen gehen konnten und danach essen. Es waren immer dieselben Leute, die hier auftauchten. Es war schön beinahe bloß bekannte Gesichter zu sehen. Hier herein zu kommen, war wie nach Hause kommen. Ich mochte den Geruch von Räucherstäbchen und Kaffee. Er klopfte mir auf die Schulter. "Ich muss dann jetzt mal los." Ich nickte, wünschte ihm viel Spaß und er war verschwunden.

Ich machte die Musik ein bisschen lauter, Creedence Clearwater Revival, und wartete auf den nächsten Kunden, während ich ein wenig auf- und rumräumte. Normalerweise würde ich jetzt eine Rauchen, aber ich versuchte ja von diesem Teufelszeig wegzukommen. Vielleicht bekam ich wenigstens hier den Kopf frei.

Oh, my life...Where stories live. Discover now