Corbin #26

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Ich wachte auf. Das erste mal seit einer guten Ewigkeit fühlte ich mich wirklich ausgeschlafen. Und das an einem Montag! Und trotz des lächerlichen Traumes den ich gehabt hatte. Ich hatte Jonas gesagt, dass wir zusammen seien. Ich verschränkte meine Arme hinterm Kopf. Wirklich lächerlich. Oh, fuck... Ich drehte mich auf den Bauch und vergrub mein Gesicht im Kissen, als mir bewusst wurde, dass es kein Traum gewesen war. Was hatte ich mir dabei gedacht?? Liebte ich ihn denn überhaupt? Schmetterlinge im Bauch - abgehakt. Herzklopfen - abgehakt. Lächeln, wenn ich an ihn dachte - abgehakt. Ich hätte mir am liebsten eine Lampe gegen den Kopf geschlagen. Wie konnte es sein, dass ich alle meine Prinzipien gebrochen hatte? Für so jemand? Ich stand auf und schlurfte in die Küche. Zuerst mal brauchte ich einen Kaffee. Einen starken, schwarzen, heißen Kaffee. Drei hungrige Katzen streiften um meine Beine und brachten mich beinahe zum Stolpern. Anscheinend hatte Octavian seinen Nachmittag sinnvoller verbracht als ich und Streunerchen mit Tatze und Mieze bekannt gemacht. Auf der Arbeitsfläche lag ein Zettel. "Bin heute Mittag wieder da. Koche dir etwas. Dein Bruder" Ich setzte einen Kaffee auf und wartete auf einem Barhocker. Es war noch nicht einmal drei Jahre her, dass ich endlich aus einer Schule entkommen war, in der alle gewusst hatten, dass ich schwul war und ich null Toleranz zu spüren gekriegt habe. Und jetzt war ich auf einer neuen Schule. Niemand wusste etwas von meiner Orientierung. Und jetzt wollte ich mir dieses normale, etwas langweilige aber angenehme Leben selbst zerstören? Bloß weil ich verliebt war? Verliebt sein an sich war ja nicht so schlimm. Aber doch nicht in jemand aus derselben Schule. Und erst recht nicht in jemand in derselben Klasse! Die würden mich zerfetzen. Mir drehte es den Magen um, wenn ich daran dachte. Ich würde das alles nicht noch einmal durchstehen. Da würde ich mich eher umbringen, wenn ich endlich mal den Mut dafür aufbringen konnte. Ich schenkte mir den Kaffee in die verschließbare Kaffeetasse und gab noch den Katzen etwas zu Fressen. Ich trank den Kaffee. Es war mir egal, dass ich mir meine Lippen und Zunge verbrannte. Mein Kopf realisierte es gar nicht richtig. Er war viel zu sehr damit beschäftigt zu diskutieren. Zu viele Fragen... Ich warf mir ein wenig Wasser ins Gesicht und putzte mir die Zähne. Ich sah den leichten schwarzen Schatten, der sich über meine Wangen und mein Kinn zog, aber ich hatte jetzt keinen Kopf dazu mich zu rasieren. Und ich war sowieso schon spät dran. Neue Hose und frisches T-Shirt an, drüber eine Sweatshirtjacke. Ich achtete gar nicht darauf, was genau ich angezogen hatte. Eine Bordeaux farbene Baggy und ein schwarzes Joker T-Shirt. Joker war mir schon immer sympathischer gewesen als Batman. Das Outfit ging. Dazu irgendwelche Schuhe, die im Gang rumstanden. Ich hatte sie noch nie gesehen und generell besaß ich keine Nike Schuhe. Wahrscheinlich welche von Octavian. Ich stapfte mit meiner Tasche in der einen und den Kaffeebecher neben dem Schlüssel balancierend zum Auto. Als ich drin saß drehte ich Hollywood Hoes von Wiz Khalifa auf und atmete tief durch. Alles würde gut gehen...

*****

Es war jetzt schon verdammt warm, bemerkte ich als ich aus dem Wagen stieg. Die Kaffeetasse ließ schloss ich mit ein. Sie war schon nach der Hälfte des Weges leer gewesen. Ich setzte mich auf eine Bank unter einem Baum, statt wie sonst vor das Klassenzimmer. In Deutschland musste man gutes Wetter und schöne Tage genießen. Ich beobachtete die Massen von Schülern, die an mir vorbei pilgerten, auf ihrem Weg zu ihren Cliquen oder Klassenzimmern. Dann sah ich jemand auf mich zueilen. Er winkte mir zu. Ich stand auf. Wie lange war es her, dass jemand so gestrahlt hatte, als er mich gesehen hatte? Einen kurzen Augenblick zweifelte ich daran, dass er mich meinte. Vielleicht war jemand hinter mir... Doch da schlang er mir seine Arme um den Hals und gab mir einen langen Kuss auf die Lippen. Ich legte meine Hände auf seine Hüften und küsste zurück. Wie konnte etwas sich so gut anfühlen, von dem ich mir versuchte einzureden es sei falsch?

Oh, my life...Où les histoires vivent. Découvrez maintenant