Meine Geburt

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Die Nacht war eisig und kalt. Blitze zuckten im bewölkten Himmel und der Donner grollte ohrenbetäubend laut. Der Wind peitschte gegen Felsen und Bäume. Das Meer war unzähmbar. Und die Wellen schlugen mit gewaltiger Kraft gegen eine Insel. Es war die Insel der Nachtschatten.

Ein jeder von ihnen versteckte sich in Höhlen. Kinder kuschelten sich an ihre Eltern und Pärchen hielten sich gegenseitig warm. Nein, Nachtschatten hatten keine Angst vor Gewittern, es war die Kälte die sie fürchteten. Denn in so einer grausamen Nacht sollte noch ein weiteres Leben existieren.

Im Schutz einer Höhle lag es da. Ein kleines Ei. Das in so einem zerbrechlichem und winzigem Gegenstand tatsächlich ein Geschöpf drin lebte, war unvorstellbar.
Wäre es nur minimal kälter oder würde eine einfache Windböhe gegen das Ei wehen, wäre das unschuldige Lebewesen darin tot...

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Das erste was ich spürte war Wärme. Ich konnte weder sehen, noch sprechen. Dafür konnte ich hören.
Ständig, ja pausenlos, hörte ich ein seltsames Bumm! Bumm! Es dröhnte aus meinem Brustkorb. Zumindest fühlte es sich so an. Und nach jedem Bumm fühlte ich mich stärker und kräftiger. Das besondere an dem Geräusch war, dass es immer gleichmäßig war. Es war nie schneller oder langsamer. Es war nie leiser oder lauter. Es war immer gleich.

Ich hatte keine Ahnung wo ich war. Ich konnte schließlich nichts sehen. Aber es war ein stets warmer und ruhiger Ort. Und ich war bis jetzt immer alleine. Es gab nur mich. Mich allein.

Mit jedem Tag der verstrich, fühlte ich mich wohler an diesem Ort. Da ich meinen Standort nicht sehen, schmecken oder riechen konnte, stellte ich ihn mir im Kopf vor. Ich lag bestimmt in irgendeinem Loch mit warmem Wasser drin. Mit ziemlich dickem Wasser. Und da musste bestimmt auch ein Schutzschild sein. Etwas hartes, dass mich vor jedem Unheil schützte.
Ich stellte mir in der Zeit viele Fragen. Würde ich für immer hier bleiben? War das hier mein Leben? Meine Welt? Ich müsste abwarten. Vielleicht gab es bald ein Zeichen...

《♡》
《♡》
《♡》

Eines Tages spürte ich etwas. Etwas berührte mich! Ich zuckte vor Schreck zusammen. Zum ersten Mal wurde das komische Bumm schneller. Was war das? Mein Körper beanspruchte auf einmal mehr Platz, als mir lieb war. Es wurde allmählich eng an diesem - was weiß ich für welchen - Ort.
Ich war es nicht gewohnt, dass mich etwas berührte. War ich etwa doch nicht alleine? Doch ich konnte mich auch nicht wehren. Es war nun einmal sehr eng. Ab diesem Tag war mir klar, dass ich irgendwo drin sein musste. Irgendetwas schloss mich ein. Was es war, wusste ich nicht. Doch dieses etwas, was auch immer mich einschloss, wurde von Tag zu Tag immer kleiner und enger. Oder wurde ich etwa größer?

Nach einiger Zeit hatte ich mich an diese Berührung gewöhnt. Dieses etwas, das mich berührte, spürte ich nun am ganzen Körper. Ich hatte überhaupt keinen Freiraum mehr. Alles war so eng. So unerträglich eng...

Ob dieser Ort, an dem ich mich aufhielt, nun schrumpfte oder ob ich wuchs, wusste ich immer noch nicht. Aber es war mir auch egal. Ich wollte einfach nur raus hier! Ja, zum ersten Mal wollte ich diesen Ort verlassen. Ich fühlte mich zum ersten Mal nicht wohl. Es war zu eng.

Plötzlich hörte ich ein Knacks. Dies war das zweite Geräusch, dass ich jemals in meinem Leben gehört hatte. Es war viel, viel lauter als dieses Bumm. Nur wenig später hörte ich wieder dieses Geräusch. Diesmal aber von der anderen Seite. Auf einmal bekam ich ein paar Millimeter mehr Platz. Was dieses Geräusch auch war, es sorgte für Freiraum!
Deshalb beschloss ich geduldig zu warten, damit dieses Geräusch wieder kommt. Doch ich begriff schnell, dass ich was dafür tun musste.

Noch nie hatte ich mich so sehr angestrengt. Ich wollte mich bewegen, ich brauchte mehr Platz! Plötzlich trat ich mit meinem Bein aus. Ich war überrascht, denn ich hatte noch nie ein Körperteil kontrolliert. Nun trat ich mit dem anderen Bein zu. Ich traf dieses Schutzschild, welches mich seit einigen Tagen berührte. Ich wollte es zerbrechen!

Doch andererseits hatte ich auch Angst. Was würde mich da erwarten? Bisher hatte mich diese harte Wand vor alles beschützt. Wenn ich sie zerbrach, würde das nicht mehr so sein. Aber dann würde ich auch etwas anderes kennenlernen. Und das wollte ich auch. So sehr ich diesen warmen Ort liebte, ich wollte auch endlich etwas von der Welt sehen. Zum ersten Mal wollte ich nicht mehr unbeteiligt da sein. Ich wollte etwas erleben!

Kräfte durchfuhren meinen Körper, die mir völlig fremd waren. Früher habe ich meinen Körper nie richtig gespürt. Er war zwar immer da, aber ich konnte ihn nicht kontrollieren. Jetzt konnte ich das.

Ich schlug mehrmals auf den Schutzschild ein. Es knackste immer mehr und es wurde immer lauter.
Plötzlich schlug ich ein kleines Loch ein. Sofort nahm ich etwas Helligkeit war. Meine Augen waren zwar immer noch zu, aber trotzdem konnte ich den Lichtunterschied wahrnehmen.

Ahnungslos tastete ich mit meiner Pfote nach dem Licht. Ich tastete das Loch ab und streckte meine winzige Pfote nach draußen. Kalt! Ein Schauer durchfuhr meinen Körper und sofort zog ich meine Pfote zurück. Es war verdammt kalt da draußen. Da wollte ich doch nicht hin.

Dummerweise hatte ich mich beim Rückzug meiner Pfote zu weit nach hinten gelehnt. Ich machte einen kleinen Überschlag. Dabei musste etwas von meinem Schutzschild abgefallen sein. Kälte durchströmte meinen Körper. Wo war die zähflüssige Wärme? Weg! Auf einmal nahm ich viele Geräusche war, die ich zuvor noch nie gehört hatte.

Plötzlich sah ich, trotz meines geschlossenen Augenlides, ein Licht aufzucken. So schnell es kam, so schnell verschwand es auch wieder. Es war nur ganz kurz da.
Auf einmal hörte ich ein sehr lautes Krachen. Ich hatte noch nie etwas so lautes gehört! Ich erschrak so sehr, dass ich aufschrie. Moment - war das ich? Hatte ich gerade ein Laut von mir gegeben? Sowas kannte ich gar nicht von mir! Ich wusste nicht, dass ich Aufschreien konnte. Na ja, es war eher ein Quieken statt ein Schreien.

Erst nachdem ich mich von dem Krach erholt hatte, bemerkte ich überhaupt die Kälte. Ich war nicht mehr dort, wo ich sonst immer war. Die Wärme war weg, es war bitterkalt. Und das schlimmste - mein Schutzschild war weg!

Beängstigt fiebte ich auf. War ich etwa ganz allein? In der Kälte? Ohne Schutz?
Nein, denn ich hörte Schritte. Ich zuckte zusammen, als etwas großes warmes über meinen Körper glitt. Es musste nass sein, denn Feuchtigkeit blieb bei mir zurück. Was das auch war, es schenkte mir Wärme!
Gierig ragte ich meinen Kopf in die Höhe und tastete mit meinen Pfoten nach dieser Wärme.

Wenig später strich wieder etwas über meinen Körper. Es war dasselbe wie vorhin. Doch diesmal öffnete ich meine Augen. Aber nur zu einem Schlitz. Wer wusste schon, was mich außerhalb meines verschlossenen Augenlides erwartete?

Das erste was ich sah, war ein Gesicht. Ein Gesicht, welches mich anlächelte. Mit großen gelben Augen und kugelrunden Pupillen. Wer das war? Meine Mutter. Das zeigte sie mir, indem sie mir ein weiteres Mal mit ihrer Zunge über meinen Körper leckte. Es tat so gut. Es war so warm. Doch kaum war die Zunge weg, fröstelte ich schon wieder.

Nun kam ein zweites Gesicht in mein Blickfeld. Dieses sah eher ernst aus und hatte grüne Augen. Das war mein Vater.

"Oh, Theodor! Er ist so unbeschreiblich süß.", hörte ich das Gegrummel des gelbäugigen Drachens. Was sie sagte, konnte ich noch nicht verstehen. Es hörte sich einfach nur wie ein Brummen, Grollen oder Glucksen an.
"Aber du weißt, dass er nicht hier sein dürfte!", nahm ich nun ein tiefes Knurren des anderen war. Was wollten sie von mir? Hatten sie mich lieb?

Ich vertraute den beiden schnell. Besonders die, mit den gelben Augen. Sie gab mir Wärme. Das machte sie, indem sie mit ihrer Zunge über mich strich. Ich nannte die Zunge immer "Wärmespender". Jedenfalls war sie das für mich.

Nachdem ich Vertrauen zu meinen Eltern fand, sah ich mich um. Ich war definitiv nicht mehr dort, wo ich immer war. Mein Blick fiel auf ein paar zerbrochene Teile, welche verstreut auf dem Boden lagen. War das etwa ... mein Schutzschild? Vorsichtig berührte ich es mit meiner Pfote. Ähnlichkeit hatte es auf jeden Fall.

Ohnezahns LebensgeschichteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt