Ein verblüffender Fund

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"Glaubst du, der kommt wieder?", fragte mich Nachtflug anschließend besorgt. Ich sah in den Himmel und suchte den Riesenhaften Albtraum. Er war nirgends zu sehen, wahrscheinlich war er schon verschwunden.
"Ich schätze nicht.", brummte ich und kräuselte gereizt meine Oberlippe, sodass ein wenig meine Zähne zum Vorschein kamen.

"War wohl nicht sonderlich klug, sich mit solch einem hitzköpfigen Drachen anzulegen...", stellte Nachtflug einen Moment später fest.
"Pah!", schnaubte ich entrüstet, "Der kann gern wieder kommen, dann zeig ich ihn, was ein Nachtschatten so drauf hat!"

Doch mein Bruder belächelte meine ernst gemeinte Drohung nur und brummte: "Los, lass uns zu den Klippen fliegen."
Ich sah ihn verwundert an.
"Was sollen wir da?"
"Na, die Aussicht ein wenig genießen und Sturzflüge üben..."
"Also ich fand meinen Sturzflug vorhin eigentlich ganz gut.", lobte ich mich und richtete meinen Hals stolz auf.

Doch Nachtflug hörte mir schon gar nicht mehr zu, da er sich schon in die Lüfte schwang und die Klippen anstrebte. Ich folgte ihm leicht genervt, bis wir uns am Rande des Abgrunds hinsetzten.
Wir lauschten den Vögeln und ließen unsere Blicke aufs Meer ruhen. Auf einmal gab Nachtflug einen erleichterten Luftstoß von sich. Ich zuckte mit einem Ohr und schielte zu ihm rüber.

"Ich kann es einfach nicht fassen, dass wir jetzt fünf Wochen auf dieser Insel sind...", seufzte er. Brummend sah ich wieder von ihm weg. War schließlich seine Entscheidung gewesen, hier zu bleiben. Wenn wir es in irgendeiner Weise bereuen sollten, wäre es seine Schuld gewesen.
"Denkst du, wir treffen irgendwann auf andere Nachtschatten?", fragte er anschließend. Ich zuckte teilnahmslos mit den Schultern. Ich glaubte nicht daran, doch ich wollte Nachtflug auch nicht seine Hoffnung nehmen.
Nach kurzem Schweigen ergänzte er: "Hier werden wir glücklich aufwachsen, stimmt's? Keine Drachenangriffe und keinen Krieg..."
Ich hörte meinem Bruder zwar aufmerksam zu, jedoch interessierte mich sein Gerede eher weniger.

"Siehst du das?", deutete er nun aufgeweckter in Richtung mehr.
"Nachtflug, bitte...", brummte ich genervt und drehte mich ein wenig weg. Doch da gab er mir einen Klaps mit seinem Ohr und ließ mich aufschauen. Da war tatsächlich etwas!

Ohne nachzudenken sprangen wir vom Abgrund ab und segelten im zügigen Tempo auf unseren Fund. Die Wellen da vorne trugen etwas mit sich. Es war klein und dunkel. Es schien leblos auf dem Wasser zu treiben.

"Komm in die Flügel!", rief mir Nachtflug zu, da ich etwas weiter hinter ihm war.
Geschickt schnappte sich mein Bruder das im Wasser treibende Wesen und schleppte es an Land. Genervt grummelte ich: "Und wozu musste ich jetzt mitkommen?" Doch er hörte mich schon nicht mehr und kam zur Landung. Ich machte es ihm nach und neugierig bemusterten wir das Geschöpf.

"Du, Salir...", schluckte Nachtflug besorgt, "Das ist ein Nachtschatten!"
Er hatte recht. Ein kleines Nachtschatten Kind, etwa halb so groß wie wir, lag regungslos vor uns. Die Schuppen waren nicht komplett schwarz. Es hatte noch einen Schimmer tiefblau. Ja, ein blau-schwarz gemischtes Schuppenkleid. Obwohl die Augen geschlossen waren, konnte man erkennen, dass es recht große waren. Die Nüstern waren eher klein und generell war der Körperbau eher zierlich.

"Hallo? Bist du okay?", sprach Nachtflug vorsichtig auf unseren Findling ein.
"Ich glaube, er ist bewusstlos.", vermutete ich.
"Sie.", korrigierte mich mein Bruder, "Der kleine Nachtschatten ist weiblich. Trotzdem könntest du recht haben, dass sie bewusstlos ist." Ich drückte mit meiner Pranke leicht gegen ihren Brustkorb.

Plötzlich röchelte sie schwach und ihre Lippen fingen an zu zittern.
"Schnell, leg sie auf die Seite!", befahl Nachtflug. Ich tat wie geheißen und der schwarz, bläuliche Nachtschatten hustete stärker. Schließlich kam das erste Salzwasser heraus. Nach einiger Zeit hustete sie so stark, dass sogar eine kleine Sardelle ihren Ausweg fand. Wir staunten nicht schlecht, wieviel Wasser das Kind geschluckt hatte.

Ohnezahns LebensgeschichteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt