Thors Blitze (Teil 2)

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Wir kamen nicht weit, denn schon hinter einigen Häusern hielt uns Astrid auf. Sie hatte uns von weitem erspäht und machte uns einen Vorschlag: "Wir verstecken Ohnezahn fürs erste in der Bucht."
"Sie werden ihn bald finden. Nein, wir müssen weggehen.", beschloss Hicks mit düsterer Stimme, worauf Astrid ungläubig nachfragte: "Wir?"
"Er wird es alleine nicht schaffen.", erklärte Hicks, "Und ich möchte mich nicht von ihm trennen..."
"Das werden wir nicht.", glurrte ich, doch meine Stimme war nur mit Traurigkeit geprägt.
Hicks legte seine Hand zart auf mein Kinn, ehe er ergänzte: "Ich gehe mit ihm mit, Astrid."
"Aber du kommst doch zurück, oder?", wollte sie wissen.
"Ja, wahrscheinlich schon.", er machte eine kurze Pause, "Sobald alle begriffen haben, dass das hier nichts mit Ohnezahn zu tun hat."
Der Protest der Dörfler wurde lauter, scheinbar machten sie sich bereits auf die Suche nach mir.
"Besser, ihr geht jetzt.", murmelte die Wikingerin und obwohl es ihr womöglich das Herz brach, ließ sie uns gehen.

Mein Freund blickte ihr noch einmal in die Augen, bis er meine Prothese öffnete und ich in die Höhe schoss. Der Wind peitschte eisig in mein Gesicht und die Wolken verfinsterten sich bösartig. Hier war ich nicht mehr Willkommen. Zwar hatte ich es geschafft, dass die Drachen auf Berk bleiben durften, aber dafür musste ich meinen Platz im Dorf abgeben. Doch Hicks war bei mir und er würde immer bei mir bleiben, komme was wolle!

Der Donner polterte, als wolle er mich von der Insel verjagen. Und die Blitze flackerten, als zeigten sie mir den Weg. Hicks fühlte sich so schwer auf meinem Rücken an und trotzdem lag in meinen Flügeln genügend Kraft, dass ich schneller als üblich in den Himmel preschte.
Wir sausten auf einen Wald zu und landeten auf einem großen Hügel, auf dem wir einen guten Ausblick auf den Wald hatten. Der Lärm im Dorf und im Himmel machten mir wieder einmal Angst. Ich wurde schon von meinem Vater nicht akzeptiert und jetzt wollten mich auch noch die Wikinger verscheuchen!

Wir entdeckten einige Fackeln, gehalten von wütenden Berkianern, welche Jagd auf uns machten. Die Truppe konnte uns von dort nicht sehen, jedoch war sie nicht allzu weit entfernt. Sie würde uns in Kürze finden, wenn wir nicht augenblicklich von hier verschwanden. Und was die Menschen mit mir anstellen würden, wollte ich erst gar nicht wissen!
Verzweifelt schielte ich zu Hicks hoch, welcher seine Hand auf meinem Kopf ruhen ließ. Wir hatten beide Angst, noch nie wurden wir so sehr gehasst. Diese Abscheu der Wikinger könnte der meines Vaters ordentlich Konkurrenz machen...

Entschlossen entfaltete ich meine Flügel und segelte mit meinem einzig besten Freund in den Himmel empor. Ja, wir mussten weg. Weit weg.
Wir glitten schweigend durch die Wolken, ohne Ziel und Plan. Der Wind würde uns schon führen, wir müssten uns einfach treiben lassen. Nicht einer von uns sagte ein Wort, bis ein greller Blitz hinter uns unsere Aufmerksamkeit erweckte. Das Gewitter war immer noch hinter mir her und es würde nicht aufhören, bis ich endgültig weg war. Die Blitze verstärkten sich plötzlich und unsere Köpfe drehten sich achtsam in jede Richtung.

Plötzlich flammte ein Blitz direkt neben uns auf und ließ mich erschrecken. Ich taumelte panisch zur Seite, bis mich der nächste Blitzschlag überraschte. Diesem wich ich erneut aus und als ich in den Sinkflug überging, schockierten mich zwei weitere Blitze.
"Wir müssen hier weg!", zischte ich frustriert und schwankte verloren in den dunklen Wolken herum. Pfeilschnell erwischte ein Blitz meine Prothese und versetzte sie in Brand. In Sekundenschnelle riss der Stoff auf und mir wurde mein Gleichgewicht entrissen.
"Nein!", fauchte ich überstürzt und stürmte mit meinem Reiter unkontrollierbar in die Tiefe.
"Woah! Ahh! Ohnezahn!", schrie Hicks aus voller Kehle und zerrte an den Zügeln. Ich konnte nichts machen! Viel zu schnell drehte ich mich und wirbelte nach unten.

Wir klatschten gegen einige morsche Bäume, ehe wir am Waldboden aufprallten. Meine Muskeln zuckten vor Schmerz, doch ich rappelte mich wieder auf. Äste klapperten und Blätter raschelten, wir waren in einem Gebüsch aufgekommen! Ich suchte mit meinen Augen besorgt nach Hicks. Als ich ihn binnen weniger Sekunden fand, zog ich ihn aus der Böschung heraus. Soweit schien es meinem Reiter gut zu gehen.
Etwas erschöpft keuchte Hicks: "Alles klar, mein Freund?"
"Bei mir schon... Aber...", brummte ich kleinlaut und hob meine Schwanzflosse an. Der Stoff der Prothese existierte nicht mehr und die Drähte verbogen sich krumm und waren mit Glut gefüllt.

Ohnezahns LebensgeschichteWhere stories live. Discover now