Die Wahrheit

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Aus dem späten Nachmittag wurde ein früher Abend. Das Dorf wurde in das goldene Licht der untergehenden Sonne gedeckt und die Zeremonie beruhigte sich. Auch wenn heute ein großer Mann gefallen war, so hatte dieser Tag auch schöne Seiten an sich gehabt.

Während sich der Trubel legte und die ersten Berkianer nach Hause gingen, begegnete ich Hakenzahn. Der rote Drache sank beschämt seinen Kopf und nuschelte: "Tut mir leid, dass ich dich bei Haudrauf's Tod Mörder genannt hatte. Du wurdest dazu gezwungen und außerdem bist du ein Held. Meine Behauptung war falsch und dumm von mir." Es war bemerkenswert, dass Hakenzahn sich Fehler eingestehen konnte. Ihm musste es sehr beschäftigt haben, sonst hätte er sich nicht entschuldigt.
"Halb so wild", verzieh ich ihm, "Wir waren alle nun einmal sehr durcheinander, da kann es passieren, dass mal die falschen Worte ausgesprochen werden." Der Riesenhafte Albtraum lächelte verlegen, bis er sich an seinen Reiter Rotzbakke wendete, der sich mit ihm auf den Heimweg machte. Ich sah den beiden hinterher, bis Wolkenspringer mich ansprach: "Hey, ähm, ich wollte mich für mein kindisches Verhalten entschuldigen." Ich legte ein Ohr schräg und sah ihn schief an.
"Na, als ich dich ständig flugunfähig bezeichnet hatte... Das war doof von mir. Man sieht doch, dass du eine Prothese trägst und mit dieser grandios fliegen kannst. War wirklich dämlich von mir."
"Hey...", brummte ich, "Wenn ich vier Flügel besitzen würde, hätte ich mich bestimmt auch über andere Drachen lustig gemacht. Ich nehme es dir nicht übel, in Ordnung?" Der Sturmbrecher nickte erleichtert und schlenderte davon. Damit war das schonmal geklärt.

Jetzt, wo ich alleine war, vertiefte ich mich in meine Gedanken. Dass sich Hakenzahn und Wolkenspringer entschuldigt hatten, war sehr nett von ihnen gewesen. Hicks hatte sich auch bei mir entschuldigt, sehr sogar, aber hatte er mir wahrhaftig verziehen? Er wusste zwar, dass ich seinen Vater nicht absichtlich getötet hatte und doch hatte ich es getan. Hicks hatte mich angefleht, er hatte geweint, so verzweifelt war er gewesen. Natürlich hatte ich ihm vergeben, das auf jeden Fall, aber ich war verunsichert, ob Hicks auch meine Entschuldigung angenommen hatte. Bestimmt würde er in näherer Zukunft noch tief in Trauer versinken. Das würden wir alle, klar, aber Hicks würde es sicherlich hart treffen.

Ich grummelte nervös und dachte über etwas anderes nach. Ein Thema, das mich den kompletten Kampf über stark beschäftigt hatte. Nachtflug's Tod. Ich starrte dabei in die Leere. Konnte das wirklich passieren? War es wahr? Ich konnte es noch nicht glauben. Seit wann war Nachtflug tot? Was hatte er durchmachen müssen? Wo war er gewesen?

"Ohnezahn?" Ich schreckte auf und sah mich um. Vor mir stand Sturmpfeil und sah mich eindringlich an.
"Hast du mich erschreckt! Was ist denn?", wollte ich wissen.
"Hier sind drei, die wollen dringend mit dir sprechen..." Ihr Blick war undefinierbar. Sie wirkte so betrübt oder nervös. Der blaue Drache trat zur Seite und zum Vorschein kamen drei Schreckliche Schrecken. Mir stockte der Atem. Ich kannte sie!

"Hey, Salir", begrüßte mich der gelbe von ihnen, "Vielleicht erinnerst du dich noch an uns. Wir waren deine ehemaligen Mitbewohner, weißt du noch? Ich bin Stoßflamme, der lilane heißt Wirbelsturm und der türkise neben mir ist Gluckser."
Ich wich einen Schritt zurück. Ja! Ich erinnerte mich!

Sturmpfeil mischte sich ein: "Ich glaube, ich lasse euch besser alleine." Sie trottete beunruhigt davon und ließ uns zurück.
"Ja, ich... ich kenne euch noch... Aber woher... und wie... warum...", stotterte ich.
"Wir drei lebten-", erzählte Gluckser, bis sein typischer Schluckauf ihn unterbrach, "in der grausamen Gewalt von Drago Blutfaust. Zusammen mit-", wieder ein Schluckauf, "Nachtflug."

Sofort redete ich dazwischen: "Ist er tot!?" Ich musste es einfach wissen!
Diesmal sprach Wirbelsturm: "Natürlich nicht, du Spinner! Wie kommst du denn darauf!?" Verärgert fuhr ich meine Zähne aus, bis Stoßflamme den Konflikt schlichtete und erklärte: "Nein, Salir. Nachtflug ist nicht tot. Er lebt! Und er konnte fliehen."
Ich weitete meine Augen. Der Große Überwilde hatte mich angelogen!
Ich wollte etwas sagen, beließ es aber beim Schweigen.

Ohnezahns LebensgeschichteWhere stories live. Discover now