Alles beim Alten

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Erst in der späten Nacht holte uns die Müdigkeit ein und zwang uns, in unsere Häuser zu gehen. Hicks und Astrid tratschten noch kurz miteinander, während ich einen Blick zu Sturmpfeil warf.
Wow, sie war wirklich glücklich. Ständig sank sie ihren blauen Kopf zu ihren Kindern, welche quiekend umher hüpften. Sie konnten noch nicht sprechen, das würden die kleinen erst in ein paar Wochen lernen. Und bis dahin mussten Astrid, ich und Sturmpfeil's andere Freunde viel Verständnis für sie haben. Ein Leben als frische Mutter war bestimmt nicht leicht. Vor allem nicht, wenn man gleich drei Kinder auf einmal bekommen hat.

Für einen Augenblick musste ich an meine eigene Mutter denken. Ja, sie war... tot... Das hatte ich nicht vergessen. Aber sie war stets gutmütig und barmherzig zu uns gewesen. Nachtflug, Feuerblüte und ich. Wir waren drei bestimmt nicht einfache Kinder gewesen und trotzdem war unsere Mutter sanft und lieb zu uns. Auch wenn unser Vater genau das Gegenteil war. Schnell schüttelte ich meinen Kopf und schnaubte. An diesen Vollidiot wollte ich nicht denken! Er war nicht mein Vater, denn ich hatte ihn hassen gelernt!

Plötzlich riss mich das Gespräch zwischen Hicks und Astrid aus meinen Gedanken.
"Bist du eigentlich sehr traurig, dass so ziemlich alle Berkianer jetzt Drachenbabys besitzen, nur du nicht? Ich meine, Ohnezahn hätte sich ja nicht paaren können und-", zweifelte Astrid mitleidend, doch Hicks unterbrach die Blondine schnell: "Äh, was? Nein, nein! Ohnezahn ist der beste Drache, den ich haben könnte! Selbst die süßesten Drachenbabys der ganzen Welt könnten mein Herz nicht so sehr erobern, wie er es tut!"
Ich lächelte ihn zahnlos an und schmiegte meinen Kopf an seinen Arm. Ebenfalls lächelnd streichelte Hicks meine Schuppen und ließ seine Finger schließlich darauf ruhen. Ich schnurrte zufrieden und schloss für einen Moment meine Augen. Astrid kicherte lieblich und nickte meinem Freund anschließend zu.

Wir verabschiedeten uns und gingen erschöpft von der Feier hoch in unser Zimmer. Müde nahm Hicks seinen Helm ab, wischte den übrig gebliebenden Speichel mit seinem Ärmel ab und hing ihn an seinen üblichen Platz, dem Bettpfosten. Mit erschlafftem Körper ließ Hicks sich mit dem Rücken auf sein Bett fallen und schweifte seinen Blick auf die Decke.
Ich schleifte währenddessen zu meiner Steinplatte und als ich ankam, begann ich mich wie ein Verrückter darauf zu wälzen. Etwas überrascht richtete sich Hicks wieder auf und sah mich lachend an.
"Da freut sich aber jemand auf seinen Schlafplatz, was?", schmunzelte er und zog daraufhin seine Jacke aus Tierfell aus. Ich gackerte amüsiert, bis ich mich zusammen rollte und meinen Kopf auf meinen Pranken ruhen ließ. Kurz darauf schloss ich die Augen und versank in einen tiefen Schlaf.

Am nächsten Morgen wurde ich durch das aufdringliche Geschrei von Schlüpflingen geweckt. Mürrisch drehte ich meinen Kopf weg von dem Lärm, aber das half nicht viel.
Als der Krach nicht aufhörte, rappelte ich mich schließlich auf und blinzelte schlaftrunkend. Schon die ganze Nacht hatten sie so einen höllischen Lärm gemacht, dass ich mehrmals schockiert aus dem Schlaf gerissen wurde, um im nächsten Moment wieder einen kläglichen Versuch zu starten, um einzuschlafen. Sturmpfeil müsste bereits mit den Nerven am Ende sein, wenn ihre Kinder ebenfalls so laut waren. Tödliche Nadder waren schließlich sehr temperamentvoll und leicht zu reizen.

Hicks hatte das unverschämte Glück, einfach weiter schlafen zu können. Menschen waren bei solchen Sachen nicht so empfindlich, nur wir Drachen nahmen das Jammern der Schlüpflinge wahr.
Da es sinnlos war noch länger hier zu liegen, stand ich auf und schlich mich unauffällig nach draußen. Selbst Haudrauf war noch am schlafen, also musste es noch ziemlich früh sein. 

Noch kein einziger Wikinger hatte heute sein Haus verlassen, denn der Schnee war geradezu unberührt. Aus der einen oder anderen Ecke hörte ich das ungeduldige Krächzen von Schlüpflingen, mit der Erwartung, dass ihre Eltern ihnen sofort Nahrung beschaffen.
Aus reiner Neugier trabte ich zu Sturmpfeil, dessen Schlafplatz eine Art Stallbox, angebaut an dem Haus der Hoffersons - Astrid's Familie - war. Diese Box bestand aus einem Holzboden und einem flachen Dach, welches von vier hölzernen Säulen gehalten wurde. Damit es etwas gemütlicher war, hatte Astrid etwas Heu auf den Boden verteilt. Nun konnte dieser Schlafplatz einer zu groß geratener Stallbox gleich werden.

Ohnezahns LebensgeschichteWhere stories live. Discover now