Der Falschspieler (Teil 1)

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Da Fackel nun wieder bei seiner Familie war, hatte Hicks auch endlich wieder Zeit für mich. Es fanden regelmäßige Flugstunden statt und überhaupt wuchs unsere Freundschaft von Tag zu Tag mehr.

Es war ein sonniger Tag, den Hicks, die Drachen mit deren Reitern und ich nutzten, um Vertrauensübungen zu machen. Diesmal absolvierten wir sie aber nicht im Wald, sondern über dem Dorf. Wir Drachen gingen in einen angenehmen Gleitflug über und segelten entspannt in der Luft. Unter uns waren die Häuser, die Akademie und der Hafen zu sehen. Alles, was das Dorf Berk ausmachte.

Hicks und ich waren als erstes an der Reihe. So ließ sich mein Reiter vom Sattel fallen und stürzte auf das Meer zu. Er vertraute mir voll und ganz, dass ich ihn rechtzeitig auffangen würde.
Die Prothese klickte einmal, als sie sich schloss, was mir ein Zeichen gab, meinem Freund hinterher zu fallen. Die anderen Drachen sahen mich aufmerksam an, als ich meine Flügel anlegte und mich der Schwerkraft aussetzte. Hicks drehte sich einige Male, bis er sich mit dem Bauch zum Meer schwang und auf mein Erscheinen wartete.
Die Klippen rasten auf uns zu, jetzt wurde es knapp! Ich lag etwas im Rückzug, wie ich feststellen musste. Aber Hicks vertraute mir und wie jedes andere Mal, würde ich ihn auch diesmal auffangen.

"Ich komme!", brüllte ich meinem Reiter zu und binnen weniger Sekunden huschte ich an ihm vorbei, riss meine Flügel auf und fing Hicks auf. Er machte eine Schnappatmung, als er auf den Sattel aufkam, konzentrierte sich jedoch sofort auf das Fliegen. Die Prothese öffnete sich wieder und ich flog erleichtert über die am Hafen ruhenden Schiffe hinweg.

Ebenfalls erleichtert lobte mich Hicks: "Gut gefangen, mein Freund! War ganz schön eng." Ich grinste frech und steuerte die Höhe an. Mein Reiter trat in das Pedal, die rote Schwanzflosse stellte sich weit und flach und ich schirmte meine Flügel auf, sodass wir hoch zu den anderen flogen.

"Jetzt bist du dran. Spring!", bestimmte Hicks, als wir neben Fleischklops und Fischbein flatterten. Der Reiter widersprach allerdings: "Ich will nicht springen!"
"Du musst daran glauben, dass sie dich fangen wird! Ist so 'ne Art Vertrauensübung.", ermutigte Hicks ihn, aber Fischbein blieb stur: "I-ich übe mein Vertrauen lieber am Boden. Ist mehr mein Ding."

Rotzbakke nutzte diese Gelegenheit und drängelte sich vor: "Ich zeig dir, wie's geht, Hasenfuß." Jauchzend ließ er sich vom Sattel fallen, doch Hakenzahn reagierte keineswegs und glitt seelenruhig weiter.
Verunsichert fragte Taffnuss seine Schwester: "Meinst du nicht, wir sollten Hakenzahn was sagen?"
Diese antwortete: "Ich denke mal drüber nach..."

Astrid jedoch rief dem Riesenhaften Albtraum verärgert zu: "Hakenzahn, fang ihn auf!"
"Wen?", grummelte dieser verwirrt und sah mich fragend an.
"Na, Rotzbakke natürlich!", erinnerte ich ihn lauthals, worauf der rote Drache nach unten sah und seinen Reiter erspähte, der panisch schrie: "Vertrauen ist 'ne feine Sache!"
"Ach so!", verstand Hakenzahn und stürzte Rotzbakke hinterher. Allerdings fing er ihn nicht im Sattel sondern an seinem Kopf auf, weshalb sich Rotzbakke an den Hörnern festhalten musste. Der Drache reagierte nicht schnell genug, worauf die beiden mit voller Wucht in das einsame Haus von Mehltau krachten. Es schepperte und ein großes Loch entstand im Dach.

"Typisch!", keifte Astrid und verdrehte die Augen. Hicks schien dasselbe zu denken und seufzte genervt.
Nur einen Moment später lärmte es erneut, ein weiteres Loch entstand und die zwei preschten schreiend zu uns nach oben.
"Dafür wirst du bezahlen!", fluchte Mehltau von seinem kaputten Haus aus und funkelte uns an. Ich grummelte nervös. Das wird sicherlich noch Folgen für uns haben...
"Ouh, ich hab das Gefühl, das wird noch ein Nachspiel haben...", stöhnte Hicks und ich war überrascht, dass wir genau das gleiche dachten.

•••

Und wir hatten leider Recht. Am Abend hämmerte Haudrauf seine Faust frustriert auf den Tisch. Um die Situation zu lockern, lächelte Hicks: "Schon wieder Dachschindeln? Gab's nicht gestern Abend auch schon Dachschindeln zum Abendessen?"
Als sich das Gesicht des Stammesoberhauptes verfinsterte, beichtete Hicks schließlich: "Das war ein Unfall, Vater. Ich bin sicher, Mehltau macht es mal wieder schlimmer, als es eigentlich ist."

Ohnezahns LebensgeschichteDonde viven las historias. Descúbrelo ahora