Zuhause ist da, wo meine Freunde sind

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Geblendet blinzelte ich ins Tageslicht und glurrte verschlafen. Als erstes nahm ich die Kälte wahr. Etwas irritiert drehte ich meinen Kopf umher, wodurch etwas Schnee von meinen Schuppen rieselte. Ich blinzelte erneut und gähnte laut. Die Sonnenstrahlen blinkten zwischen einigen Ästen und Blättern direkt in meine Augen, wenn ich nach oben sah.

Eine Schneeflocke landete zwischen meinen Nüstern und löste wieder Kälte in mir aus. Es schneite. Und das vermutlich schon die ganze Nacht. Ich schielte zu meinen Flügeln und staunte überrascht, als mein gesamter Körper mit Schnee bedeckt war. Darum war mir so kalt. Ich schnaubte frustriert und entfaltete meine Flügel. Sofort löste sich eine schwere Ladung Schnee von mir und klatschte auf den Boden. Den Helm klammerte ich immer noch gut in meinem Pranken fest.

Nun etwas wacher geworden, holte ich Schwung aus und baumelte so lange am Ast herum, bis meine Pranken den Stamm erreichten. Den Helm trug ich wieder in meinem Maul. Ich bohrte meine Krallen in die Rinde hinein und wickelte meinen Schwanz vom Ast ab. Ziemlich ungeübt kletterte ich den Baumstamm Zentimeter für Zentimeter hinunter, da es zum Abspringen nicht genügend Platz gab. Immer wieder rammte ich meine Krallen in das Holz und rutschte mit meinem Bauch nach unten. Schließlich konnte ich den letzten Meter doch abspringen und landete im Schnee, dessen glatte Oberfläche sich splitterte. Erleichtert, endlich auf festem Boden zu stehen, schüttelte ich meinen Körper und trabte zur Küste.

"Auf meiner Steinplatte lässt es sich aber definitiv unkomplizierter schlafen!", grummelte ich im schnellen Schritt und musste an meinen gewohnten Schlafplatz denken, im Hause des Stammesoberhauptes. Dort war es stets bequem gewesen und bei meinem besten Freund zu schlafen, war sowieso das schönste überhaupt.
Abrupt bremste ich mich, sodass ich direkt vor dem Meer stand. Mein bester Freund... Hicks...
Ich starrte gedankenverloren auf das Wasser, dessen Wellen sich erst aufbauten und anschließend unmittelbar im Schnee zusammenbrachen.
Bilder flammten in mir auf. Bilder, auf denen ich Hicks und mich sah. Sie waren blass, jedoch klar erkennbar. Drei Tage war es nun her, als ich ihn verlassen hatte. Als ich ihm sagte, dass ich ihn... hasse...

Meine Augen wurden wässrig, das spürte ich. Ja, ich vermisste meinen Freund. Aber was mich noch viel mehr verletzte war, was ich zu ihm gesagt hatte. Ich hatte ihn angebrüllt, er solle mich nicht anfassen. Ich hatte es ihm verboten! Mein Freund, Hicks, durfte mich nicht berühren! So hatte ich es ihm gesagt.
Eine einzelne Träne kullerte meine schuppige Wange hinab. Ich erwischte sie mit meiner Zunge und kostete an ihr. Sie schmeckte bitter. Sehr bitter.
Und was mich am meisten kränkte war, dass ich behauptete ihn zu hassen. Das hatte ich ihm gesagt. Klar, Hicks konnte meine Worte nicht verstehen, aber könnte er es, wäre es für ihn ein heftiger Schlag ins Gesicht gewesen. Dazu noch ein gewaltiger Tritt in die Magengrube. Ich hatte einen Fehler gemacht, das wusste ich jetzt auch! Und es wurde an der Zeit, mich zu entschuldigen.

Aber bevor ich mich auf den langen Weg nach Berk machen konnte, musste ich etwas fressen. Ich flog aufs Meer hinaus und fing einige Fische. Mir ist aufgefallen, dass ich seither nun besser Fische fangen konnte, seitdem ich unabhängig war. Meine Augen waren nun geübter und meine Griffe ins Wasser genauer.
Und trotzdem konnte ich das Frühstück nicht genießen. Nur schwer schluckte ich die Fische hinunter und es fühlte sich an, als ob sie im Hals stecken blieben.
Meine Gedanken fokussierten sich ungewollt stark auf Hicks. Ich malte mir Szenen aus, wie er ganz allein sein Essen aß und traurig und verlassen drein guckte. Ihm fiel sein Frühstück jetzt bestimmt genauso schwer wie mir.

So konnte das nicht weitergehen. Ich rappelte mich auf, ließ die Reste im Schnee liegen und hob ab. In der Regel war es nicht so gut, gleich nach der Mahlzeit zu fliegen, da der Magen noch so gefüllt war. Gewöhnlich verdauten wir unsere Nahrung so, indem wir ein Nickerchen hielten, aber dafür war mir nun wirklich nicht zumute.
So flitzte ich in den Himmel hinauf und zerschnitt mit meinen Schwingen einige Wolken. Natürlich durften auch Loopings, Schrauben, Drehungen und Sturzflüge nicht fehlen!

Ohnezahns LebensgeschichteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt