Die Eishöhle

167 15 8
                                    

Ich rutschte von der Eisscholle ab und taumelte in die bitterkalten Fluten. Sie konnten mich doch nicht zurücklassen! Drachen halfen untereinander!

Ich paddelte wieder zum Eis und hievte mich hoch. Die Schar wurde von Flügelschlag zu Flügelschlag immer winziger. Nicht ein einziger von ihnen kam auf die Idee, mir zu helfen. Nicht mal einer.

"Bitte kommt wieder zurück!", jammerte ich, "Ich kann nicht fliegen!"

Augenblicklich hüllten mich Flossen ein. Es waren viele Flossen. Ich erschrak und drehte mich verwirrt umher. Diese Flossen gehörten einem Schwarm von Schrecken der Meeren.

Die Unterwasser lebenden Drachen wisperten: "Sei still und stumm. Vertraue uns."
Sie redeten durcheinander, meinten aber dasselbe. Ich wollte erwidern, jedoch hatten sie mich bereits unter Wasser gedrückt. Ich musste ihnen vertrauen. Nicht, weil sie es mir befohlen haben, sondern, weil ich keine andere Wahl hatte. Alleine im Eismeer würde ich mir den Tod holen.

Als die Schwimmer bemerkten, dass ich ihnen freiwillig folgte, ließen sie mich los und tauchten unter dem Eis entlang. Ich hing etwas zurück, da mein Körper nicht auf das Schwimmen spezialisiert war.

Wenige Meter weiter konnte ich wieder auftauchen und nach Luft schnappen. An die Kälte hatte ich mich gewöhnt, das Schwimmen hatte mich warm gehalten. 
Von den Drachen, die Hicks entführt hatten, war nichts mehr zu sehen. Wie vom Himmel verschluckt.
Ich grummelte verunsichert und löste meinen Blick von den Wolken.

Ein Schrecken der Meere sprach mich an: "Da vorne ist das Eis so fest, dass du an Land klettern kannst. Dort wartet ein Drache auf dich, der bringt dich zur Eishöhle."

Der Meeresdrache nistelte sehr, das lag an seinem Akzent.
"Welche Eishöhle?", wollte ich wissen und hatte Mühe damit, mich durch Paddeln über Wasser zu halten. Aber der Gezeitenklässler antwortete nicht mehr, sondern tauchte zu seinen Artgenossen. Ich bibberte, so eisig war es. Bei meiner Verzweiflung folgte ich der Weganweisung und kletterte eine Eisdecke hinauf, die einen Teil des Meeres fest eingefroren hatte. Es knarkste bei meinem Gewicht, doch das Eis hielt Stand.

Das Wasser tropfte an meinen Schuppen ab, meine Krallen bohrten sich ins Eis und meine Glieder zitterten. Ganz langsam. Schritt für Schritt. Mein Blick war starr auf meine Pranken gerichtet. Als wenn das Eis zusammenbrechen würde, würde ich meinen Blick lösen. Die Luft um mich herum war wärmer als das Eismeer. Wie ein zartes Streicheln über meinen Körper. Und trotzdem pustete ich Atemwölkchen aus.

Jetzt hatte ich das Festland erreicht. Der Boden war noch wärmer, sehr wohltuend. Er beruhigte meine unterkühlten Ballen. Ich hob meinen Kopf und blickte zu einem Drachen. Welcher Spezies er angehörte, wusste ich nicht.

Der Sattel klebte an mir und da ich auf stabilem Untergrund stand, schüttelte ich die Nässe von meinen Flügelhäuten und Schuppen ab. Das Leder klebte nach wie vor, aber das interessierte mich derzeit weniger. 
Mein Gegenüber musterte mich, ehe er auf mich zu galoppierte und raunte.

Ich fuhr meine Zähne aus und duckte mich. Da packte mich der Drache am Sattel und zerrte mich nach oben. Ich zappelte und quiekte: "Lass das!"

"Still!", brummte er und flatterte höher. Der Boden unter meinen Pranken verkleinerte sich. Mein Bauch kribbelte. Von einem Fremden getragen zu werden, war ungewohnt. Ich wollte nicht auf die Hilfe unbekannter Drachen angewiesen sein!
Ich knurrte und wurde hibbelig. Meine Flügel peitschte ich um mich und meine Krallen kratzten an den Bauch des Vierbeiners.

"Lass mich los! Was soll das!?", quietschte ich. Drehen war unmöglich, denn der Drache hatte mich an der Sitzfläche des Sattels gepackt. So baumelte ich an seinen Klauen herab und sah mit an, wie das Eismeer winziger und durch Wolken ersetzt wurde.

Ohnezahns LebensgeschichteWhere stories live. Discover now