Die dunkle Seite der Drachen

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Meine Pupillen verengten sich aufgeregt, ich musste zur Dracheninsel! Hatte mich die Königin etwa aufgespürt?
In der Ferne sah ich grobe Umrisse von anderen Drachen. Es hatte also doch ein Drachenangriff stattgefunden? Warum sah das Dorf dann so friedlich aus?

Das war jetzt unwichtig, ich musste sofort zur Königin. Wenn sie uns höchst persönlich rief, so wie jetzt, war es ein strenger Befehl, schnellstmöglich zu ihr zu kommen. Wenn sie mich erst einmal sieht, wird sie mich töten.

Ich war gezwungen, meinem bitteren Schicksal entgegen zu fliegen.

Ich war gezwungen, zu sterben.

•••

Reflexartig legte ich meine Flügel an und stürzte mit Hicks und Astrid in die Tiefe, woraufhin ein kurzer Aufschrei von der Blondine folgte.

Hektisch schwirrten wir durch eine dicke Masse an Wolken hindurch, unser Sichtfeld war vollkommen vernebelt. Ich suchte eifrig nach den Schallwellen des Roten Todes, ich musste doch zu ihr! Und zwar sofort!

"Ohnezahn! Was ist?", erkundigte sich Hicks rasch, nachdem ich mich irgendwie in den Wolken aufgefangen hatte. Und erst jetzt wurde mir etwas klar: Wenn ich jetzt zur Königin flog, würden Hicks und Astrid das Drachennest sehen!

Aber hatte ich eine Wahl? Ich war gezwungen, die Königin hatte uns gerufen! So etwas hatte sie noch nie gemacht. Bis jetzt kamen wir immer selbstständig zurück zur Dracheninsel. Aus Angst, der Rote Tod würde uns aufspüren. Und diese Angst empfand ich nun auf eigenem Leib. Sie wird mich töten. Und wie sie das wird...

"Wa- was ist denn?", wiederholte sich mein Reiter, als ich nervös durch den Nebel flog. Ich suchte die Gruppe, sie musste hier doch irgendwo sein. Denn alleine wollte ich auf gar keinen Fall zum Drachennest. Das wäre die reinste Folter.

Als Hicks mich immer noch fragend ansah, brüllte ich ungewollt laut: "Still! Ich muss mich konzentrieren!"
Und das musste ich auch, die Orientierung fiel mir sehr schwer.
Ich schwankte unsicher mit meinen Flügeln und suchte nach einem Anhaltspunkt.

Plötzlich kam uns ein roter Riesenhafter Albtraum entgegen. Er hätte uns fast an der Seite gerammt, trug ein wehrloses Schaf in den Pranken und raunte: "Zisch ab, Drache!" Offenbar hatte er mich und vor allem meinen Reiter nicht erkannt, sonst würde er vor Schreck in Flammen aufgehen.

"Blödmann...", knurrte ich gereizt, als ich zwanghaft ausweichen musste.

"Kopf runter!", murmelte Hicks zu Astrid und das war ein guter Plan. Die zwei durften nicht gesehen werden, das wäre sehr fatal.

Der Drache verschwand wieder und wurde von einigen Wolken verdeckt. Ich verdrehte genervt die Augen und korrigierte meine Richtung ein wenig nach links. Doch auch dort wurde ich aufgehalten, denn ein Tödlicher Nadder bahnte sich fauchend seinen Weg: "Nachtschatten! Was, du... hier?" Ehe der mit Stacheln besetzte Drache weiter sprach, wich ich nach rechts aus. Ich musste vermeiden, dass Hicks und Astrid gesehen wurden.
Denn dann wäre ich ein Verräter.

Kaum schlug ich die neue Richtung ein, schnitt mir ein weiterer roter Riesenhafter Albtraum den Weg ab und zischte: "Aus dem Weg!" Wir hatten ein so großes Glück, dass es bereits dunkel war. Denn die Wikinger schienen wohl von keinem wirklich erkannt zu werden.

Ich flatterte nun zwischen dem Tödlichen Nadder und dem Riesenhaften Albtraum, trotzdem musste ich einen gewissen Abstand bewahren.
Es kamen immer mehr Drachen hinzu, alle wurden augenblicklich gezwungen, zum Drachennest zu fliegen.

Ich stellte hastig meine Ohren auf, der Ruf der Königin schallte gruselig über dem Meer. Sie war aus irgendeinem Grund sauer. Sehr sauer.

Meine Pupillen blieben schmal. Aus Angst. Todesangst.

Ohnezahns LebensgeschichteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt